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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.03.1993
Aktenzeichen: 5 AZR 16/92
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
BGB § 242 Betriebliche Übung | |
ZPO § 256 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 24. März 1993
In Sachen
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. März 1993 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Thomas, die Richter Dr. Gehring und Dr. Reinecke sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Schlemmer und Blank-Abel für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. November 1991 - 13 (6) Sa 532/91 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für nicht erbrachte Arbeitsleistung am 11. Februar 1991 (Rosenmontag) und am 12. Februar 1991 Vergütung zusteht.
Die Klägerin ist seit 1979 bei dem beklagten Land als medizinisch-technische Assistentin in den Medizinischen Einrichtungen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn beschäftigt. Seit mindestens elf Jahren gewährte die Universität allen Bediensteten im Universitätsbereich und damit auch den in den Medizinischen Einrichtungen Beschäftigten am Rosenmontag Dienstbefreiung und setzte weiter den Dienstbeginn für den folgenden Karnevalsdienstag um eine Stunde später an. Die Bezüge blieben ungekürzt. In jedem Jahr ging der Dienstbefreiung ein Rundschreiben des Rektors oder des Kanzlers der Universität voraus, in dem es z. B. für 1989 hieß:
"Am Rosenmontag (6.2.1989) ordne ich für die Bediensteten im Universitätsbereich Dienstbefreiung an. - Am Karnevalsdienstag (7.2.1989) beginnt der Dienst eine Stunde später. - Im Interesse des Dienstbetriebs notwendige Abweichungen können von den Direktoren der Kliniken, Institute und Seminare in eigener Zuständigkeit vorgenommen werden. - Die Öffnungszeiten der nicht im Hauptgebäude gelegenen Institute und Seminare stelle ich in das Ermessen des zuständigen Direktors."
Wegen des Golfkrieges wies der Kanzler der Universität mit Rundschreiben vom 23. Januar 1991 darauf hin, daß für dieses Jahr die Dienstbefreiung zum Karneval entfalle. Diesen Hinweis gab der Verwaltungsdirektor der Medizinischen Einrichtungen an deren Bedienstete weiter. Daraufhin erwirkte die Klägerin beim Arbeitsgericht Bonn unter dem 8. Februar 1991 gegen das beklagte Land eine einstweilige Verfügung, wonach ihr für den 11. Februar (Rosenmontag) Dienstbefreiung zu gewähren und der Dienstbeginn am 12. Februar (Karnevalsdienstag) auf 9.00 Uhr festzulegen sei. Zur Frage der Entgeltlichkeit der Dienstbefreiung äußert sich die einstweilige Verfügung nicht. Das beklagte Land kam der Anordnung nach, kündigte jedoch mit Schreiben vom 18, Februar 1991 an, für den Tag der Dienstbefreiung keine Vergütung gewähren zu wollen, und teilte der Klägerin weiter mit, es wolle - da die ungekürzte Februarvergütung bereits ausgezahlt war - entsprechende Rückzahlung verlangen. Gegen diesen vom beklagten Land behaupteten Anspruch wendet sich die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land nicht berechtigt ist, die für den 11. und 12. Februar 1991 gezahlte Vergütung zurückzufordern.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Zeit der Dienstbefreiung sei der Klägerin ohne Rechtsgrund vergütet worden. Ein Vergütungsanspruch habe der Klägerin für diese Zeit nicht zugestanden. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch nicht aus betrieblicher Übung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Klage zu Recht abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin ein Anspruch auf bezahlte Freizeit nur aus Vertrag entstanden sein könnte. Es hat einen solchen Anspruch zu Recht verneint.
1. Die Vertragsbeziehungen der Parteien könnten sich nur aufgrund betrieblicher Übung zu einem Anspruch auf bezahlte Freizeit am Rosenmontag ausgestaltet haben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (vgl. nur BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost; aus neuester Zeit BAGE 59, 73, 84 f. = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Bei der Anspruchsentstehung ist nicht entscheidend ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern nur die Frage, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durften (§§ 133, 157 BGB).
Für die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze jedoch nur mit Einschränkung. Hier ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber im Zweifel nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen vollziehen will. Daher müssen selbst bei langjährigen Vergünstigungen besondere zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes über das gewährte tarifliche Entgelt hinaus weitere Leistungen einräumen will, die auf Dauer gewährt und damit Vertragsbestandteil werden sollen (vgl. statt vieler nur BAGE 59, 73, 85 = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe, ebenfalls mit weiteren Nachweisen).
2. Das Landesarbeitsgericht hat hervorgehoben, das beklagte Land habe im Streitfall Jahr für Jahr die Dienstbefreiung im voraus ausdrücklich und immer wieder aufs Neue angeordnet. Weiter habe es in den jährlichen Rundschreiben ausdrücklich auf Ausnahmen von der Dienstbefreiung "im Interesse des Dienstbetriebs" hingewiesen. Aus diesen Umständen hat das Landesarbeitsgericht gefolgert, der Arbeitgeber habe sich für die Arbeitnehmer erkennbar gerade nicht zu einer uneingeschränkten Leistung bereit erklärt und verpflichten wollen. Ein entsprechender Anspruch auf bezahlte Freistellung sei für den Rosenmontag und für eine bestimmte Zeit des folgenden Karnevalsdienstag daher nicht entstanden.
3. Dem ist beizupflichten. Die Schlußfolgerungen des Landesarbeitsgerichts aus den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind zutreffend und aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden. Irgendwelche für den Bereich des öffentlichen Dienstes zur Anspruchsentstehung aus betrieblicher Übung zu verlangenden besonderen Umstände lagen auf Arbeitgeberseite nicht vor. Das Gegenteil folgt aus der Tatsache, daß die Dienstbefreiung in jedem Jahr ausdrücklich und mit besonderer Regelung des Dienstbetriebs im medizinischen Bereich gewährt wurde. Unter diesen Umständen konnte kein Vertrauen der beteiligten Arbeitnehmer darauf entstehen, daß ihnen die Arbeitsbefreiung am Rosenmontag auf Dauer und uneingeschränkt als besondere Vergünstigung gewährt werden würde.
II. Hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf bezahlte Freizeit für Rosenmontag und teilweise für Karnevalsdienstag 1991 erworben, so sind ihr die für die nicht gearbeitete Zeit gewährten Bezüge ohne Rechtsgrund gewährt worden. Das Land kann daher die überzahlten Beträge zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Das Feststellungsbegehren der Klägerin, wonach das beklagte Land zur Rückforderung nicht berechtigt sei, erweist sich als unbegründet.
Ende der Entscheidung
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