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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 12.12.2001
Aktenzeichen: 5 AZR 248/00
Rechtsgebiete: EFZG


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 3
1. Die Reichweite einer tariflichen Regelung muß durch Auslegung ermittelt werden. Heißt es im Tarifvertrag nur, "die Beschäftigten haben in Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, nicht jedoch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus", liegt ein Grundsatz vor, der der Konkretisierung und Ergänzung bedarf.

2. Zu den ergänzend heranzuziehenden Gesetzesnormen gehört in diesem Falle regelmäßig auch die vierwöchige Wartezeitregelung des § 3 Abs. 3 EFZG.


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 248/00

Verkündet am 12. Dezember 2001

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 12. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Dr. Linck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Hann und Zoller für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 1999 - 2 Sa 946/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin war vom 15. Juni 1998 bis zum 9. Juli 1998 als Filialleiterin bei dem beklagten Einzelhandelsunternehmen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen Anwendung.

Vom 23. Juni 1998 bis zum 9. Juli 1998 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Sie verlangt für diese Zeit Entgeltfortzahlung in unstreitiger Höhe und beruft sich hierfür auf den Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23. Juli 1993. Dieser Tarifvertrag lautet wie folgt:

"1. Die Beschäftigten des Einzelhandels im Land Nordrhein-Westfalen haben in Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, nicht jedoch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.

Die folgenden gesetzlichen Bestimmungen bleiben, da tariflich nicht abdingbar, unberührt: §§ 616 Abs. 2 Sätze 4 und 5 BGB, 63 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB, 133 c Abs. 1 und 2 GewO sowie 6 und 9 LFZG.

2. Die tarifvertragsschließenden Gewerkschaften erklären, daß sie nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung, die Karenztage im Krankheitsfall oder andere Formen der Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Fall unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit vorsieht und damit die zur Zeit geltende Praxis außer Kraft setzt, eine tarifvertragliche Regelung fordern werden, die die Entgeltfortzahlung ohne Karenztage in vollem Umfang wieder sichert.

3. Die tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverbände verpflichten sich ihrerseits, unverzüglich entsprechende Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, einen Tarifvertrag über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall abzuschließen.

4. Eine Friedenspflicht in bezug auf diesen Regelungstatbestand besteht mit Inkrafttreten eines in Abs. 2 genannten Gesetzes insoweit nicht.

5. Bezüglich Geltungsbereich, Geltungsdauer und Kündigungsfristen wird Bezug genommen auf den Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 23.7.1993."

Am 20. September 1996 haben die tarifschließenden Verbände hierzu folgendes niedergelegt:

"Tarifabschluß vom 20.09.1996

Der Einzelhandelsverband Nordrhein e.V. und der Landesverband des Westfälisch-Lippischen Einzelhandels e.V. einerseits

und

die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen im DGB, Landesbezirksleitung Nordrhein-Westfalen, und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen andererseits

halten als Ergebnis der Tarifverhandlungen vom 20.09.1996 folgendes fest:

...

IV. (Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23.07.1993)

Die Arbeitgeber und die Gewerkschaften treffen die anliegende Vereinbarung.

Bezüglich des Tarifvertrags "Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall" wird auf den Ausspruch einer Kündigung vor dem 01.10.1997 verzichtet. Es besteht Einigkeit, daß dieser Tarifvertrag den Beschäftigten für 6 Wochen 100 % der Bezüge sichert. Es gelten die Schlußbestimmungen des Manteltarifvertrags vom 23.07.1993.

..."

Dementsprechend besteht zu dem genannten Tarifvertrag ein Übereinkommen vom 20. September 1996 mit folgendem Wortlaut:

"Der Einzelhandelsverband Nordrhein e.V. und der Landesverband des Westfälisch-Lippischen Einzelhandels e.V.

einerseits

und

die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen im DGB, Landesbezirksleitung Nordrhein-Westfalen, und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen

andererseits

halten fest:

1. Bei der Entgeltfortzahlung gemäß Ziffer 1 des o.a. Tarifvertrages handelt es sich der Höhe nach um das Entgelt gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.5.1994 in der am 1.6.1994 in Kraft getretenen Fassung.

2. Auf den Ausspruch einer Kündigung vor dem 1.10.1997 wird von Arbeitgeberseite verzichtet, so daß eine Kündigung frühestens zum 31.3.1998 möglich ist.

3. § 26 Abs. 6 des Manteltarifvertrages vom 23.7.1993 gilt entsprechend."

Dieses Übereinkommen wurde am 28. November 1997 fortgeschrieben. Dabei blieb Ziffer 1 unverändert.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, Ziffer 1 des Tarifvertrags über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall stelle eine konstitutive Regelung der Entgeltfortzahlung für die ersten sechs Wochen dar. Eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses von mindestens vier Wochen sehe der Tarifvertrag nicht vor. Die Eigenständigkeit der Regelung folge auch aus dem Zusammenhang mit dem einschlägigen Manteltarifvertrag.

Insoweit enthielt § 19 des Manteltarifvertrags vom 23. Juli 1993 folgende Regelung:

"§ 19

Krankengeldzuschuß

(1) Den Arbeitnehmern ist nach zehnjähriger ununterbrochener Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit der Unterschiedsbetrag zwischen dem Krankengeld und 90 % des Nettoeinkommens über die gesetzliche Regelung hinaus für weitere sechs Wochen, bei über 20jähriger Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit darüber hinaus nach freiem Ermessen zu zahlen.

(2) Bei Angestellten, die der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nicht unterliegen, ist im Falle des Abs. 1 der Unterschiedsbetrag zwischen dem Höchstsatz des Krankengeldes für Pflichtversicherte (fiktives Krankengeld) und 90 % des Nettogehaltes zu zahlen.

(3) Die Ansprüche gemäß Absätzen 1 und 2 erlöschen in jedem Fall mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses."

Diese Bestimmung wurde als § 20 unverändert in den Manteltarifvertrag vom 20. September 1996 übernommen, der im Jahre 1998 noch gültig war.

Mit der am 17. September 1998 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 1.307,68 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 17. September 1998 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe die Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG nicht erfüllt. Tarifvertraglich sei kein weitergehender Anspruch geregelt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag unverändert weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 23. Juni bis 9. Juli 1998.

I. Der Anspruch ergibt sich nicht aus dem EFZG. Zwar hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne daß ihn ein Verschulden trifft (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Jedoch entsteht dieser Anspruch gem. § 3 Abs. 3 EFZG erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die vierwöchige Wartezeit ist durch Gesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I S 1476) mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1996 in das EFZG eingefügt worden. Sie ist durch das sog. Korrekturgesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBI. I S 3843) nicht rückgängig gemacht worden und gilt unverändert fort.

Die Klägerin hatte die Wartezeit weder bei Beginn noch bei Beendigung ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erfüllt. Zudem war das Arbeitsverhältnis bei Ablauf der Wartezeit bereits beendet (vgl. BAG 26. Mai 1999 - 5 AZR 476/98 - BAGE 91, 370).

II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend einen Anspruch aus dem Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23. Juli 1993 (TVEFZ) verneint.

1. Nach Ziff. 1 Satz 1 TVEFZ haben die Beschäftigten in Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, nicht jedoch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. Nach Satz 2 bleiben bestimmte gesetzliche Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung, "da tariflich nicht abdingbar, unberührt".

a) Der TVEFZ verweist nicht auf gesetzliche Regelungen der Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall. Ziff. 1 Satz 2 läßt lediglich einzelne gesetzliche Vorschriften unberührt. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die tarifliche Verweisung auf gesetzliche Vorschriften als statisch bzw. als dynamisch auszulegen ist (vgl. nur BAG 1. Juli 1998 - 5 AZR 545/97 - BAGE 89, 210; 5. Mai 1999 - 5 AZR 251/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Speditionsgewerbe Nr. 2 = EzA EFZG § 4 Tarifvertrag Nr. 29; 8. September 1999 - 5 AZR 451/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 15 = EzA EFZG § 4 Tarifvertrag Nr. 37), stellt sich deshalb nicht.

b) Ziff. 1 Satz 1 TVEFZ könnte als bloßer Hinweis auf die Gesetzeslage angesehen werden. Die Bestimmung entspricht den seinerzeit geltenden Gesetzen zur Lohn- und Gehaltsfortzahlung. Sie könnte als Feststellung beabsichtigt sein und lediglich die Ausgangslage für die Tarifvertragsparteien beschreiben: "Die Beschäftigten des Einzelhandels ... haben (ergänze: nach anderen, gesetzlichen Vorschriften) Anspruch auf Entgeltfortzahlung ...". Eine eigenständige Regelung würde dann nur angekündigt und vorbereitet. Die Tarifvertragsparteien hätten nur den Grundsatz der Entgeltfortzahlung herausstellen und Spielräume für den Fall von Gesetzesänderungen herstellen oder klarstellen wollen.

Bei dieser Auslegung ist das EFZG in seiner jeweiligen Fassung maßgebend. § 3 Abs. 3 EFZG findet dann im Streitfall mangels tariflicher Regelung ohne weiteres Anwendung. Diese gesetzliche Einschränkung der Entgeltfortzahlung ist nicht durch tarifvertragliche Regelung rückgängig gemacht worden. Die tariflichen Bestimmungen vom 20. September 1996 betreffen nur die Höhe des Entgelts. Auch die konstitutive "Sicherung" der Vergütung im Umfang von 100 % für die Beschäftigten läßt die Wartezeit unberührt.

c) Andererseits könnte Ziff. 1 Satz 1 TVEFZ als konstitutive Regelung zu verstehen sein. Der Wortlaut enthält eine vollständige Anspruchsgrundlage (vgl. BAG 12. April 2000 - 5 AZR 704/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 72 = EzA EFZG § 4 Nr. 39, zu I 2 der Gründe). Der Zusammenhang zwischen der Ziff. 1 und den Ziff. 2 - 4 kann zwar für beide Auslegungsergebnisse angeführt werden. Bedeutung kommt aber dem Zusammenhang mit § 19 (ab 20. September 1996: § 20) des Manteltarifvertrags zu. Wenn die Tarifvertragsparteien hier einen Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Krankengeld und 90 % des Nettoeinkommens nach 10 jähriger Unternehmenszugehörigkeit begründen, treffen sie "über die gesetzliche Regelung hinaus" eine eigenständige Regelung, die auch die Auslegung des TVEFZ beeinflussen kann (vgl. BAG 16. Juni 1998 - 5 AZR 638/97 - BAGE 89, 108; BAG 12. April 2000 aaO). Die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten einen eigenen "Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall" ohne jede selbständige Bedeutung für die Arbeitnehmer abgeschlossen, erscheint eher zweifelhaft (für einen eigenständigen Anspruch bis zur Dauer von sechs Wochen ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit, allerdings nicht die Höhe betreffend, Decruppe Tarifverträge des Einzelhandels in NRW 2. Auflage 1994, Tarifvertrag Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Anm. 2, 2 a).

2. Auch im Falle einer konstitutiven Regelung steht die gesetzliche Wartezeit dem Grundsatz der Entgeltfortzahlung, wie er in Ziff. 1 Satz 1 TVEFZ niedergelegt ist, nicht entgegen. Der Regelungscharakter der tariflichen Bestimmung bedarf deshalb keiner abschließenden Klärung.

a) Die Reichweite der eigenständigen Regelung muß durch Auslegung ermittelt werden. Eine vollständige und abschließende Regelung der Entgeltfortzahlung liegt ersichtlich nicht vor. Vielmehr besteht nur ein Grundsatz, der der Konkretisierung und Ergänzung bedarf. Hierzu muß das Gesetzesrecht nebst der einschlägigen Rechtsprechung herangezogen werden. Daß die Tarifvertragsparteien im Jahre 1993 eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Entgeltfortzahlung für Arbeiter und Angestellte beabsichtigt haben, ist kaum anzunehmen. Dem Tarifvertrag ließ sich jedenfalls nicht entnehmen, welche der verschiedenartigen gesetzlichen Regelungen maßgebend sein sollte. Ohne eigenständige Einzelregelungen konnte nur auf die unterschiedlichen Gesetze zurückgegriffen werden. Ob die Höhe der Entgeltfortzahlung mit 100 % normiert oder ungeregelt geblieben ist, kann allerdings dahinstehen. Der Grundsatz der sechswöchigen Entgeltfortzahlung hätte auch ohne Festlegung der Entgelthöhe einen Sinn (vgl. etwa BAG 10. Februar 1999 - 5 AZR 698/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Getränkeindustrie Nr. 1 = EzA EFZG § 4 Tarifvertrag Nr. 27; 12. April 2000 - 5 AZR 692/98 - AP EFZG § 4 Nr. 47 = EzA EFZG § 4 Tarifvertrag Nr. 45; Decruppe aaO).

b) Nach dem Wortlaut der Ziff. 1 TVEFZ haben die Beschäftigten des Einzelhandels auch nach Einführung einer Wartezeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Die Wartezeit verkürzt den Anspruch aus dem tariflich geregelten Grundsatz nicht, sondern stellt nur eine Modalität des Anspruchs dar. Das zeigt weiter der Zusammenhang zwischen § 3 Abs. 1 und Abs. 3 EFZG: Der Gesetzgeber konnte am Grundsatz des § 3 Abs. 1 EFZG unverändert festhalten und die Wartezeit in Abs. 3 als zusätzliche Voraussetzung des Anspruchs regeln. Durch § 3 Abs. 3 EFZG werden weder der Kreis der Anspruchsberechtigten (die Beschäftigten) eingeschränkt, noch Anlaß (mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Krankheit) und Dauer (sechs Wochen) der Zahlung verändert. Der Tarifwortlaut schließt somit die gesetzliche Wartezeit nicht aus.

c) Die Regelung einer Wartezeit steht auf derselben Stufe wie die Regelung einer erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Auch insoweit bedarf es neben dem Grundsatz der Entgeltfortzahlung der ergänzenden Heranziehung des Gesetzes. Entsprechendes gilt etwa für den Begriff der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 2 EFZG und für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit (§§ 5, 7 EFZG). Etwaige einschränkende Änderungen der genannten Normen würden den Grundsatz der Entgeltfortzahlung nicht in Frage stellen. Es handelt sich ebenso wie bei Berechnungsgrundlagen und Berechnungsmethoden für die Entgeltfortzahlung um Modalitäten, die durch den Grundsatz selbst nicht abschließend geregelt sind und neben diesem bestehen können, auch wenn sie im Ergebnis Entgeltfortzahlungsansprüche in Einzelfällen einschränken. In diesem Rahmen steht die unvollständige Tarifregelung unter dem Vorbehalt einer Änderung des Gesetzes. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, die Tarifvertragsparteien hätten mit der Gesetzesänderung nicht rechnen können. Soweit sie nicht eine abschließende Regelung getroffen haben, sind sie auf eine nachträgliche Korrektur durch Tarifvertrag angewiesen.

d) Ziff. 1 Satz 2 TVEFZ kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu. Die Frage der tariflichen Abdingbarkeit gesetzlicher Vorschriften mußte an sich für die Tarifvertragsparteien unerheblich sein. Hierauf abzustellen machte nur dann Sinn, wenn eine Verschlechterung durch Tarifvertrag beabsichtigt gewesen wäre; dafür ist nichts ersichtlich. Im übrigen sind die in Satz 2 zitierten gesetzlichen Vorschriften 1994 außer Kraft getreten. Insgesamt kann aus dem "Unberührtbleiben" der Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Kündigungen für die Tragweite von Satz 1 nichts abgeleitet werden. Andere Regelungen sollten damit jedenfalls nicht im Wege eines Gegenschlusses ausgeschlossen werden; das würde angesichts der Notwendigkeit der ergänzenden Anwendung von Rechtsregeln außerhalb des Tarifvertrags keinen Sinn machen.

e) Den Ziff. 2 - 5 des TVEFZ kann nur entnommen werden, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, der Grundsatz der "vollen" Entgeltfortzahlung sei durch ihre tarifliche Regelung gegenüber Eingriffen des Gesetzgebers nicht gesichert ("die zur Zeit geltende Praxis" könne "außer Kraft gesetzt" werden). Ob sie angenommen haben, eine gesetzesresistente Regelung sei gar nicht möglich, oder ob sie eine Regelung erst im Anschluß an eine Gesetzesänderung in Kenntnis des Gesetzes treffen wollten, wird nicht deutlich. Das ist für die Auslegung des Tarifvertrags allerdings auch unerheblich. Die Wartezeit steht unabhängig hiervon dem Grundsatz der (vollen) Entgeltfortzahlung nicht entgegen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die Tarifvertragsparteien mit der Einführung einer Wartezeit gerechnet oder diese Möglichkeit nicht bedacht haben, ob sie eine Friedenspflicht bis zum Inkrafttreten des erwarteten Gesetzes angenommen haben (vgl. Ziff. 4) und ob die Friedenspflicht dann mit Inkrafttreten des Gesetzes enden sollte oder nur (deklaratorisch) festgestellt wurde, sie bestehe dann nicht mehr.

f) Wesentlich ist der Tarifabschluß vom 20. September 1996. Die Tarifvertragsparteien stellen hier in Kenntnis der ab dem 1. Oktober 1996 wirksamen gesetzlichen Einschränkung der Entgeltfortzahlung auf 80 % und der Einführung einer Wartezeit von vier Wochen allein auf die Höhe der Entgeltfortzahlung ab. Sie sichern den Beschäftigten für sechs Wochen 100 % der Bezüge, ohne die Wartezeit zu erwähnen. Dieses Schweigen kann angesichts der in Ziff. 2 des TVEFZ erklärten Absicht der Gewerkschaften, auch bei "anderen Formen der Einschränkung der Entgeltfortzahlung" eine tarifvertragliche Regelung zu fordern, nur als Hinnahme der Wartezeit verstanden werden. Jedenfalls bei Fortschreibung der Regelung am 28. November 1997 hätte eine eigenständige Regelung unbedingt nahe gelegen. Zweifellos stellt die Einführung der Wartezeit eine "Form der Einschränkung der Entgeltfortzahlung" dar, die "die zur Zeit geltende Praxis außer Kraft setzt". Es spricht nichts für eine Annahme der Tarifvertragsparteien, die Frage sei durch ihren Tarifvertrag aus dem Jahre 1993 bereits gegenteilig geregelt worden.

g) Entgegen der Auffassung der Revision steht der Zusammenhang mit § 19 (ab 20. September 1996: § 20) des Manteltarifvertrags nicht entgegen. Besteht ein tariflicher Anspruch auf ergänzende Zahlungen zum Krankengeld nach Ablauf der Entgeltfortzahlung, ist das zwar von erheblicher Bedeutung dafür, ob die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs als eigenständig geregelt angesehen werden kann; denn der von der Zuschußregelung verfolgte Zweck wird regelmäßig nur bei voller Entgeltfortzahlung erreicht (vgl. nur BAG 16. Juni 1998 - 5 AZR 638/97 - BAGE 89, 108, 115). Jedoch steht die Regelung einer Zuschußzahlung nach zehnjährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses in keinem Zusammenhang mit einer Wartezeit in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch belegt nur, daß es den Tarifvertragsparteien gerade um die länger im Unternehmen Beschäftigten zu tun war.

III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Ende der Entscheidung

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