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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 5 AZR 389/07
Rechtsgebiete: MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer im Bewachungsgewerbe in Baden-Württemberg


Vorschriften:

MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer im Bewachungsgewerbe in Baden-Württemberg vom 24. Januar 2002 § 2
MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer im Bewachungsgewerbe in Baden-Württemberg vom 24. Januar 2002 § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 389/07

Verkündet am 11. Juni 2008

In Sachen

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 11. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie die ehrenamtlichen Richter Rehwald und Dr. Dombrowsky für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2006 - 13 Sa 33/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Mehrarbeitsvergütung.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes, als Werkschutzkraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Bewachungsgewerbe in Baden-Württemberg vom 24. Januar 2002 (MTV) Anwendung. Er lautet auszugsweise:

"§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit

1. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit für alle gewerblichen Beschäftigten beträgt 8 Stunden ausschließlich Pausen. Bei Teilzeitbeschäftigten gilt die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit.

2. Für Beschäftigte im Revierdienst, Geld- und Werttransport, Kurier- und Belegtransport, in kerntechnischen Anlagen, Flughafenkontrollpersonal und Sicherungsposten beträgt die monatliche Arbeitszeit 173 Stunden.

In kerntechnischen Anlagen und bei Sicherungsposten kann die tägliche Arbeitszeit bis zu 12 Stunden, einschließlich Pausen betragen, wenn Arbeitsbereitschaftszeiten in dem Umfang vorliegen, wie die Arbeitszeit 8 Stunden überschreiten.

...

§ 3 Mehrarbeit und Mehrarbeitsvergütung

1. Mehrarbeit ist jede über die in § 2 festgelegte regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit. Sie darf nur in dringenden Fällen und im Einvernehmen mit dem Betriebsrat verlangt werden. Mehrarbeit soll innerhalb des Folgemonats durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden. Für jede geleistete Mehrarbeitsstunde ist ein Zuschlag von 25 % zum Stundenlohn zu gewähren. Der Beschäftigte hat in den Monaten des Freizeitausgleichs keinen Anspruch auf die regelmäßige monatliche Arbeitszeit gemäß § 2.

2. Für eine betrieblich angeordnete Sonderschicht an einem dem Arbeitnehmer zustehenden freien Tag wird nur dann ein Zuschlag von 50 % bezahlt, wenn für diese Schicht die Voraussetzungen zur Zahlung des Mehrarbeitszuschlages nach den §§ 3.1, 3.4, 3.5 und 3.6 dieses Manteltarifvertrages gegeben sind.

3. Bei Freizeitausgleich nach Abs. 1 und 2 bleibt die Zahlung des Mehrarbeitszuschlages von 25 % bzw. 50 % unberührt.

...

5. Für die Beschäftigten in kerntechnischen Anlagen gilt die Zuschlagspflicht für Mehrarbeit ab der 174. Stunde.

Bisher günstigere betriebliche Zuschlagsregelungen für Beschäftigte in kerntechnischen Anlagen bleiben bestehen.

...

§ 11 Urlaub, Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld

...

3. Für die Urlaubsentgeltberechnung wird der Bruttoverdienst der letzten 3 abgerechneten Monate vor Urlaubsantritt durch 65 geteilt. Dieser errechnete Betrag ergibt den Bruttotagessatz pro Urlaubstag und ist vor Urlaubsantritt auszuzahlen.

...

§ 15 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

1. Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfalle regelt sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz mit folgenden Abweichungen zur Höhe des fortzuzahlenden Entgelts.

1.1. Die Höhe der Entgeltfortzahlung beträgt 100 % des Stundengrundlohnes nach § 2 des jeweils gültigen Lohntarifvertrages einschließlich der Lohnzulagen nach den §§ 2 und 4 des jeweils gültigen Lohntarifvertrages einschließlich der außertariflichen Zulagen, der Mehrarbeitsstunden und der Mehrarbeitszuschläge.

1.2. Das fortzuzahlende Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer berechnet sich nach der für den Arbeitnehmer durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten 6 Monate auf der Basis von § 15, 1.1. geteilt durch 182.

Das so ermittelte tägliche Arbeitsentgelt wird mit den Tagen der Arbeitsunfähigkeit multipliziert.

..."

Die Klägerin wird im Atomkraftwerk P eingesetzt. Vom 1. bis zum 14. Juli 2005 hatte die Klägerin Erholungsurlaub. Am 23., 24. und 29. Juli 2005 arbeitete die Klägerin in einer Sonderspätschicht. Die Beklagte zahlte für die Urlaubstage die Urlaubsvergütung, wobei sich der Tagessatz aus dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate errechnete. Für 114 tatsächlich geleistete Stunden erhielt die Klägerin den Stundenlohn ohne Mehrarbeitszuschlag.

Die Klägerin fordert für acht Arbeitsstunden einen Mehrarbeitszuschlag von 50 % und für zwölf Stunden von 25 %. Urlaubstage seien als Arbeitszeit zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 86,24 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für Juli 2005. Nach § 3 Ziff. 3 und 5 MTV ist der Mehrarbeitszuschlag nur für Arbeitsstunden zu zahlen, wenn die regelmäßige Arbeitszeit im Monat von 173 Stunden (§ 2 Ziff. 2 MTV) überschritten worden ist. Dies ist im Juli 2005 nicht der Fall gewesen, denn Ausfallstunden wegen Urlaubs stehen den Zeiten der tatsächlichen Arbeitsleistung nicht gleich.

1. Kraft Allgemeinverbindlichkeit findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Bewachungsgewerbe in Baden-Württemberg vom 24. Januar 2002 (MTV) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

2. Für jede geleistete Mehrarbeitsstunde ist gemäß § 3 Ziff. 1 Satz 4 MTV ein Zuschlag von 25 % zum Stundenlohn zu gewähren. Unter den Voraussetzungen der Zahlung eines Mehrarbeitszuschlags nach § 3 Ziff. 1, 4, 5 und 6 MTV sieht § 3 Ziff. 2 MTV für eine betrieblich angeordnete Sonderschicht an einem dem Arbeitnehmer zustehenden freien Tag einen 50 %igen Zuschlag vor. In diesem Sinne leistete die Klägerin im Juli 2005 keine Mehrarbeit.

a) Allein die Überschreitung der monatlich geschuldeten Arbeitszeit führt zu einem Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag (vgl. auch BAG 18. Februar 1997 - 3 AZR 806/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 6 = EzA TVG § 4 Bewachungsgewerbe Nr. 2, zu II 2 der Gründe). Die Bezugsgröße von einem Monat folgt aus der Verweisung in § 3 Ziff. 1 Satz 1 MTV auf § 2 MTV. Zwar stellt § 2 Ziff. 1 MTV auf eine regelmäßige tägliche Arbeitszeit von acht Stunden ab, nach § 2 Ziff. 2 MTV beträgt jedoch für Beschäftigte in kerntechnischen Anlagen die monatliche Arbeitszeit 173 Stunden. Dementsprechend ist gemäß § 3 Ziff. 5 MTV eine Zuschlagspflicht für Beschäftigte in kerntechnischen Anlagen erst ab der 174. Stunde gegeben. Die monatliche Betrachtungsweise entspricht den branchenspezifischen Gegebenheiten im Bewachungsgewerbe, in dem, wie auch die §§ 2 und 3 MTV zeigen, eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden häufig überschritten wird. Dass auch andere Berechnungszeiträume denkbar sind, steht dem nicht entgegen, weil die getroffene tarifliche Regelung lediglich vertretbar sein muss (vgl. Senat 5. November 2003 - 5 AZR 8/03 - AP TzBfG § 4 Nr. 6 = EzA TzBfG § 4 Nr. 6, zu III 2 f der Gründe).

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht Urlaubszeiten bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge unberücksichtigt gelassen.

aa) Der Begriff "Arbeit leisten" wird ebenso wie der Begriff "arbeiten" ausschließlich für das aktive Tun verwandt. Urlaubszeiten, in denen der Arbeitnehmer davon gerade - unter Fortzahlung seiner Vergütung - befreit ist, lassen sich grundsätzlich nicht unter diesen Begriff subsumieren (vgl. BAG 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209 f.). Dies entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch und wird bestätigt durch besondere tarifliche Regelungen, die bestimmen, dass näher bezeichnete bezahlte Ausfallzeiten, insbesondere wegen Urlaub und Krankheit, bei der Überstundenberechnung ganz oder teilweise "mitzuzählen" sind (zB § 17 Abs. 3 BAT). Der Einwand der Klägerin, das Erfordernis der "geleisteten Arbeitszeit" beziehe sich nur auf die Arbeit, die zu der "in § 2 festgelegte regelmäßige Arbeitszeit" hinzukomme, trägt nicht. Die in § 2 MTV geregelte "regelmäßige Arbeitszeit" bezieht sich auf Arbeitszeiten, in denen der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht erfüllt. § 2 MTV ist keine allgemeine Berechnungsvorschrift für Ausfallzeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird. Während der regelmäßigen Arbeitszeit muss grundsätzlich Arbeit geleistet werden. Sollen Zeiten ohne Arbeitsleistung für weitere tarifliche Leistungen berücksichtigt werden, bedarf dies besonderer tariflicher oder gesetzlicher Regelungen.

bb) Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht dem Zweck der Norm.

Mehrarbeitszuschläge sollen idR besondere Belastungen abdecken, die während Urlaubszeiten im Bezugszeitraum eben nicht auftreten. Eine tarifvertragliche Bestimmung, die den Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Monatssoll hinaus gearbeitet wird, bezweckt regelmäßig, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen (vgl. Senat 5. November 2003 - 5 AZR 8/03 - AP TzBfG § 4 Nr. 6 = EzA TzBfG § 4 Nr. 6, zu III 1 der Gründe mwN, hier zur Überschreitung eines Tages- oder Wochenarbeitsvolumens; BAG 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 212).

cc) Aus § 3 Ziff. 5 MTV, wonach die Mehrarbeitszuschlagspflicht erst ab der 174. Stunde gilt, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Die Regelung ist trotz der Regelung in § 3 Ziff. 1 Satz 4 MTV, die bereits besagt, dass für jede geleistete Mehrarbeitsstunde ein Zuschlag von 25 % zu gewähren ist, nicht überflüssig. Sie beinhaltet ebenso wie § 3 Ziff. 4 und 5 MTV eine Klarstellung für die Zuschlagspflicht von Mehrarbeit einer besonderen Beschäftigtengruppe, hier in kerntechnischen Anlagen.

dd) § 3 Ziff. 1 Satz 5 MTV verdeutlicht dieses Ergebnis, wenn dort angeordnet wird, der Beschäftigte habe in den Monaten des Freizeitausgleichs keinen Anspruch auf die regelmäßige monatliche Arbeitszeit gemäß § 2.

ee) Für das oben dargestellte Auslegungsergebnis spricht letztlich die Tarifgeschichte. Mit Urteil vom 18. Februar 1997 (- 3 AZR 806/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 6 = EzA TVG § 4 Bewachungsgewerbe Nr. 2, zu II 2 der Gründe) hatte das Bundesarbeitsgericht hinsichtlich des 50 %igen Mehrarbeitszuschlags für Sonderschichten nach § 3 Ziff. 2 der damals geltenden Fassung des Manteltarifvertrags vom 25. Juni 1992 entschieden, dass der Anspruch auf das zusätzliche Entgelt bereits dann begründet sei, wenn der Arbeitgeber durch die Anordnung der Sonderschicht in den Freizeit- und Erholungsbereich, der dem Arbeitnehmer nach den Festlegungen im Schichtplan zur freien Verfügung stehen sollte, eingreift. Bei den darauffolgenden Tarifverhandlungen wurde § 3 Ziff. 2 MTV für das Bewachungsgewerbe in Baden-Württemberg abgeändert und klargestellt, dass für eine betrieblich angeordnete Sonderschicht an einem dem Arbeitnehmer zustehenden freien Tag nur dann ein Zuschlag von 50 % bezahlt werde, wenn für diese Schicht die Voraussetzungen zur Zahlung des Mehrarbeitszuschlags nach den §§ 3.1, 3.4, 3.5 und 3.6 dieses Manteltarifvertrags gegeben seien. Diese Änderung belegt, dass auch der Mehrarbeitszuschlag für die Sonderschicht ein Überschreiten der tariflichen Monatsarbeitszeit voraussetzt. Es kommt also darauf an, dass der Arbeitnehmer mit seiner Arbeit eine bestimmte, von den Tarifvertragsparteien allgemein vorgegebene Belastungsgrenze überschreitet und zwar bezogen auf den Monat.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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