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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.08.2004
Aktenzeichen: 5 AZR 623/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 539 Abs. 2
ZPO § 563 Abs. 3
Gemäß § 539 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen, wenn der Berufungsbeklagte nicht erscheint und der Berufungskläger gegen ihn ein Versäumnisurteil beantragt. Soweit es der Berufungsantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen. Andernfalls ist die Berufung zurückzuweisen. Umstände, die für die Unrichtigkeit des Vorbringens des Berufungsklägers sprechen könnten, sind nicht zu berücksichtigen.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

5 AZR 623/03

Verkündet am 18. August 2004

In Sachen

pp.

hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Dr. Linck sowie die ehrenamtlichen Richter Prof. Dr. Dr. h. c. Hromadka und Rehwald für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Juli 2003 - 14 Sa 436/03 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Revision noch über die Wirksamkeit zweier Kündigungen und in diesem Zusammenhang über die Frage, ob die Klägerin bei der Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt war.

Die Beklagte betreut für das Telekommunikationsunternehmen T in Warenhäusern Verkaufsstände. Dort werden durch sog. Promoter Mobilfunkverträge angeboten und Handys verkauft. Die Klägerin war seit 1. März 2001 bei der Beklagten als Promoterin tätig.

Am 1. Februar 2002 teilte die Beklagte der Klägerin telefonisch mit, sie werde künftig nicht mehr eingesetzt werden. Nachdem die Klägerin hierin eine Kündigung sah, die sie durch Anwaltsschreiben vom 6. Februar 2002 wegen fehlender Vollmacht zurückweisen ließ, kündigte die Beklagte mit einem der Klägerin am 18. Februar 2002 zugegangenen Schreiben zum nächstmöglichen Termin.

Mit ihrer am 11. Februar 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 7. März 2002 erweiterten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, Arbeitnehmerin der Beklagten zu sein.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fernmündliche Kündigung vom 1. Februar 2002 noch durch die schriftliche Kündigung vom 14. Februar 2002 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin sei als Promoterin weisungsfrei tätig geworden. Ein Arbeitsverhältnis habe nicht bestanden.

Das Arbeitsgericht hat durch rechtskräftigen Beschluss vom 20. Juni 2002 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Es hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben. In der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, auf Grund anwaltlicher Vorsorge trete er nicht auf. Der Vertreter der Beklagten hat Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung des § 539 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

1. Die Klägerin war im zweiten Rechtszug als Berufungsbeklagte säumig, § 220 Abs. 2 ZPO. Sie ist zwar zur Berufungsverhandlung erschienen, hat dort aber keinen Antrag gestellt und damit nicht verhandelt. Folge dieser Säumnis ist, dass gem. § 539 Abs. 2 Satz 1 ZPO das zulässige tatsächliche Vorbringen der Beklagten als zugestanden anzunehmen ist.

a) Gemäß § 539 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen, wenn der Berufungsbeklagte nicht erscheint und der Berufungskläger gegen ihn ein Versäumnisurteil beantragt. Soweit es der Berufungsantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen. Andernfalls ist die Berufung zurückzuweisen. Umstände, die für die Unrichtigkeit des Vorbringens des Berufungsklägers sprechen könnten, sind nicht zu berücksichtigen (BGH 2. Mai 1979 - VIII ZR 125/78 - MDR 1979, 930). Der Ausgang einer Beweisaufnahme erster Instanz bleibt unberücksichtigt, soweit sich der Berufungskläger das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu eigen macht (vgl. Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO § 539 Rn. 4; MünchKommZPO- Rimmelspacher § 542 Rn. 15). Dies gilt selbst dann, wenn die Beweisaufnahme das Gegenteil des Vortrags des Berufungsklägers ergeben hat (Stein/Jonas/Grunsky ZPO § 542 Rn. 10).

b) Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung nicht allein das tatsächliche Vorbringen der Beklagten als damaliger Berufungsklägerin zugrunde gelegt. Es hat vielmehr die Aussage der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugin V zur Festlegung bzw. Vereinbarung der Arbeitszeiten gewürdigt und angenommen, hierdurch sei die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe die freie Wahl gehabt, ob, wann und wo sie arbeiten wolle, relativiert worden. Das Landesarbeitsgericht ist weiterhin von der Behauptung der Klägerin, sie habe unangekündigten Kontrollen und Testkäufen der Beklagten unterlegen, ausgegangen, obwohl die Beklagte vorgetragen hat, solche Testkäufe seien nicht erfolgt.

2. Unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten hätte das Landesarbeitsgericht dem Berufungsantrag der Beklagten stattgeben müssen und durch Versäumnisurteil das Urteil des Arbeitsgerichts abändern und die Klage abweisen müssen. Nachdem dies unterblieben ist, muss das Revisionsgericht das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Eine eigene Sachentscheidung gem. § 563 Abs. 3 ZPO ist dem Senat nicht möglich. Das Revisionsgericht kann das aufgehobene Berufungsurteil nicht durch ein Versäumnisurteil zweiter Instanz ersetzen. Ein solches Verfahren lässt die ZPO nicht zu (BGH 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - NJW 1995, 2563).

II. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten der Revision zu befinden.

Ende der Entscheidung

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