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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 6 AZR 1115/06
Rechtsgebiete: KTV - idF des Änderungstarifvertrags vom 18./29. Juni 2001, ZPO
Vorschriften:
KTV - idF des Änderungstarifvertrags vom 18./29. Juni 2001 § 6 Abs. 1 | |
KTV - idF des Änderungstarifvertrags vom 18./29. Juni 2001 § 6 Abs. 2 | |
KTV - idF des Änderungstarifvertrags vom 18./29. Juni 2001 § 6 Abs. 3 | |
KTV - idF des Änderungstarifvertrags vom 18./29. Juni 2001 § 6 Abs. 6 | |
KTV - idF des Änderungstarifvertrags vom 18./29. Juni 2001 § 10 Abs. 1 | |
KTV - idF des Änderungstarifvertrags vom 18./29. Juni 2001 § 10 Abs. 2 | |
ZPO § 256 Abs. 1 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 25. Oktober 2007
In Sachen
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster und Dr. Linck sowie den ehrenamtlichen Richter Matiaske und die ehrenamtliche Richterin Markwat für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 22. September 2006 - 6 Sa 57/04 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Anrechnung von Reisezeiten als Dienstzeiten und um die zutreffende Abrechnung von Reisezeiten.
Der Beklagte, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, unterhält unter mehreren Klangkörpern auch die B. Der Kläger ist seit dem 1. August 1990 bei der B als Gitarrist mit Soloverpflichtung auf Grund Arbeitsvertrags vom 1. August 1990 beschäftigt. Die B absolviert pro Jahr eine Vielzahl auch mit Reisen verbundener Auftritte, Proben und Produktionen, bei denen in der Regel alle Musiker des Ensembles zum Einsatz kommen. Gemäß § 7 des Arbeitsvertrags der Parteien finden auf das Arbeitsverhältnis die bei dem Beklagten bestehenden Tarifverträge, Dienstvereinbarungen, Dienstanweisungen, Richtlinien und Ordnungen in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.
Zu den anwendbaren Tarifverträgen gehört der Tarifvertrag über Bestimmungen für Orchestermusiker und Chorsänger gemäß Ziff. 111.1 MTV - Klangkörper-Tarifvertrag (KTV) - in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 18. Juni/29. Juni 2001. Die in diesem Tarifvertrag für die Änderungen vereinbarte Befristung (bis zum 31. Dezember 2004) ist inzwischen auf Grund des Tarifvertrags zur Vergütungsstruktur in den NDR-Klangkörpern vom 11./28. März 2003 entfallen. In dem KTV in der Fassung vom 18. Juni/29. Juni 2001 heißt es:
"§ 6 Arbeitszeit
(1) Die Arbeitszeit für Orchester- und Chormitglieder beträgt grundsätzlich an in der Regel fünf Tagen wöchentlich bis zu zehn Diensten. Ein Dienst soll die Dauer von zweieinhalb Stunden, zwei Dienste am gleichen Tag sollen die Dauer von fünf Stunden nicht überschreiten. Die beiden täglichen Dienste können zusammengelegt werden (Probe- und Aufnahmedienste, Sendungen); die zusammengelegten Dienste sollen die Dauer von viereinhalb Stunden nicht überschreiten.
Bei der Anwendung dieser Vorschrift werden eine Anspielprobe und das nachfolgende Konzert als ein Dienst bzw., sofern die Dauer von drei Stunden ausnahmsweise überschritten wird, im Falle einer Überschreitung um mehr als 15 Minuten als zwei Dienste gezählt. ...
(2) Die Zeitdauer von viereinhalb Stunden bei zusammengelegten Diensten und von fünf Stunden bei getrennten Diensten kann in Ausnahmefällen überschritten werden; insgesamt darf jedoch die Zeitdauer nicht mehr als sechs Stunden betragen. Über geplante Dienstverlängerungen soll so früh wie möglich informiert werden. Vor der Entscheidung über die Dienstverlängerung ist der Orchester- oder Chorvorstand hierzu anzuhören. Wenn von dieser Möglichkeit in einer Spielzeit 15mal Gebrauch gemacht wurde, sind weitere Dienstverlängerungen nur noch mit Zustimmung des Orchester- oder Chorvorstandes möglich.
Im Falle der Überschreitung der oben genannten Zeitdauer ist dem Orchester- oder Chormitglied Freizeitausgleich zu gewähren, sofern es sich nicht nur um eine geringfügige Zeitspanne (bis zu 15 Minuten) handelt, die sich aus künstlerischen Gründen während der Produktion dieses Tages ergibt.
Der Freizeitausgleich pro Überschreitungsfall besteht aus der möglichst zeitnahen Nichtansetzung eines Dienstes für das Orchester- oder Chormitglied in der nachfolgenden Zeit. Er muss jedenfalls innerhalb derselben Spielzeit gewährt werden. Dem Orchester- oder Chorvorstand ist das Datum des Freizeitausgleichs jeweils rechtzeitig vorher mitzuteilen.
War innerhalb der Produktion, bei der die Überschreitung erfolgt, an einem vorangegangenen Tag kein Dienst oder nur ein Dienst für das Orchester- oder Chormitglied angesetzt, kann diese Freizeit auf den zu gewährenden Ausgleich angerechnet werden.
(3) Jedes Orchester- und Chormitglied soll zu Dienstleistungen im Jahresdurchschnitt (ausgenommen die Zeit des Erholungsurlaubs) an nicht mehr als 20 Tagen pro Monat herangezogen werden; diese Zahl vermindert sich nicht um die gesetzlichen Feiertage, da diese hierbei berücksichtigt sind.
...
(6) Für jeden Klangkörper werden innerhalb einer Spielzeit höchstens 213 Arbeitstage disponiert (Dispositionslimit), Ausnahmsweise ist eine Disponierung bis zu 220 Arbeitstagen zulässig, wenn aufgrund einer spielzeitübergreifenden Planung ein Ausgleich in entsprechendem Umfang in der vorhergehenden oder in der nachfolgenden Spielzeit erfolgt. ...
§ 10 Reisezeiten
(1) Reisezeiten beeinflussen nicht die sonst gültige Abrechnung instrumentaler oder vokaler Dienstzeit; sie werden gesondert erfasst und addiert. Jeweils fünf Stunden Reisezeit werden abrechnungsmäßig als ein Dienst gewertet.
Protokollnotiz zu § 10 Absatz 1:
Reisezeit rechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem sich die Mitglieder des Klangkörpers am Sammelplatz (in der Regel Bustransfer ab N oder ab Hotel) einzufinden haben. Die Reisezeit endet zu dem Zeitpunkt, zu dem entweder die Aufführungs- oder Probestätte, das Hotel am Auftritts- bzw. Probeort oder der N erreicht ist.
(2) Reisetage ohne instrumentalen/vokalen Dienst sind keine Arbeitstage im Sinn dieses Tarifvertrages. Die an diesen Tagen anfallende Reisezeit wird wie in Absatz 1 beschrieben behandelt. Soweit die Reisezeit an einem Tag zehn Stunden überschreitet, gilt dieser Tag als Arbeitstag im Sinn des Tarifvertrages. Die Reisezeit wird gesondert erfasst und addiert. Jeweils fünf Stunden Reisezeit werden abrechnungsmäßig als ein Dienst gewertet.
...
(4) Bei längeren Reisen, die mit besonders viel Dienst in Verbindung stehen, soll ein Freizeitausgleich nach den oben genannten Regeln möglichst unmittelbar nach Beendigung der Reise gewährt werden.
..."
Der Beklagte lehnte für das Jahr 2002 einen zusätzlichen Freizeitausgleich im Hinblick auf Reisezeiten für Musiker ab, da die von ihm ermittelte Gesamtzahl der Dienste unter der tariflichen Höchstgrenze gelegen habe. Er nahm für den Kläger folgende konkrete Berechnung vor:
Grundsätzliche Höchstarbeitszeit: 193 Tage entsprechend 386 Diensten (zwei Dienste pro Arbeitstag), ausgehend von maximal 203 zu leistenden Einsatztagen unter Abzug von zehn aus dem Vorjahr 2001 unter der Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit geleisteten Arbeitstagen.
Tatsächlich geleistet:
a) 338 Dienste an 192 Arbeitstagen
b) 40,65 Dienste Reisezeit (Umrechnung von 203,25 Stunden Reisezeit durch Ansetzung von jeweils 5 Stunden für einen Dienst)
Bei Addition von a) und b) ergeben sich 378,65 Dienste.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Vergütung für 19 Arbeitstage. Er macht geltend, er habe im Jahr 2002 tatsächlich 222 Arbeitstage, also 19 Arbeitstage über die ihm grundsätzlich obliegenden 203 Arbeitstage hinaus für den Beklagten geleistet, ohne hierfür eine Vergütung erhalten zu haben. Die Vergütung für 19 Arbeitstage errechnet der Kläger auf der Basis seiner Bruttomonatsvergütung mit 5.891,89 Euro. Der Kläger trägt vor, zu den 192 Einsatztagen der B und den restlichen zu berücksichtigenden zehn Arbeitstagen aus 2001 seien 20,32 Reisearbeitstage, welche den von dem Beklagten angesetzten 40,65 Diensten entsprechen, hinzuzurechnen. Dies ergebe 222,32 Tage. Da er aber nur an 203 Tagen zur Leistung von Diensten im Jahr herangezogen werden könne, ergebe sich ein Überhang von 19 Tagen.
Der Kläger meint, sein Anspruch sei nicht durch die von dem Beklagten vorgenommene Verrechnung erloschen. Eine nachträgliche Auffüllung etwaig nicht geleisteter Dienste mit Reisezeiten sei unzulässig. Die Reisezeiten müssten gesondert über eine Spielzeit addiert, dann in Dienste umgerechnet und von der Höchstbelastungsgrenze der 203 Tage in Abzug gebracht werden. Bei künstlerischen Dienstleistungen komme es nicht darauf an, dass der Musiker einen festen Stundensatz am Tag für den Arbeitgeber an Diensten erbringe. Dies bedeute, dass auch nach einem Dienst am Tag bereits die Arbeitsleistung für diesen Tag vollständig erbracht worden sei, wenn nicht noch ein zweiter Dienst von dem Beklagten disponiert worden sei. Aus der in § 10 Abs. 1 Satz 1 KTV geregelten gesonderten Erfassung und Addition der Reisezeiten folge notwendigerweise die Unzulässigkeit der Veränderung der bereits abgeschlossenen Erfassung der Dienstzeit durch nachträgliches Auffüllen mit umgerechneten Reisezeiten. Die Unzulässigkeit folge auch aus § 6 Abs. 2 KTV, da bei einer nachträglichen Hinzuzählung von einem aus fünf Stunden Reisezeit umgerechneten Dienst zu einem tatsächlich geleisteten Instrumentaldienst gegen die dort vorgesehene Begrenzung verstoßen werde. Der KTV sehe in § 6 Abs. 2 nur im Fall der Überschreitung der zulässigen Zeitdauer innerhalb einer Produktion die Möglichkeit vor, den zu gewährenden Ausgleich auf die an einem vorangegangenen Tag infolge der Nichtansetzung von Diensten bzw. der Ansetzung nur eines Dienstes entstandene Freizeit anzurechnen.
Die Vergütungspflicht des Beklagten ergebe sich aus dem Arbeitszeitgesetz, nach dem unter Berücksichtigung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie auch eine Dienstreise innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit als Arbeitszeit angesehen werden müsse.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn brutto 5.891,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger höchstens an 203 Tagen pro Jahr zu Diensten heranzuziehen, wobei Reisezeiten gemäß § 10 des Klangkörper-Tarifvertrages vom 12. November 1976 idF vom 18./29. Juni 2001 nicht nachträglich auf solche Arbeitstage anzurechnen sind, an denen der Kläger nur zu einem Dienst an einem Tag herangezogen worden ist;
hilfsweise,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihn unter Berücksichtigung der Reisezeiten höchstens an 203 Tagen zu Diensten heranzuziehen, wobei Reisezeiten gemäß § 10 des Klangkörper-Tarifvertrages vom 12. November 1976 idF vom 18./29. Juni 2001 nicht auf solche Arbeitstage anzurechnen sind, an denen der Kläger nur zu einem Dienst an einem Tag herangezogen worden ist und die tatsächliche Reisezeit an einem anderen Tag absolviert wurde.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig. Er gebe nicht das tatsächliche Anliegen wieder. Die begehrte Feststellung sei im Übrigen nicht geeignet, den Streit endgültig zu befrieden. Dem Kläger stehe auch kein Vergütungsanspruch zu, weil er nicht zum Kreis der Mitarbeiter gehöre, die Mehrarbeitsvergütung beanspruchen können. Sowohl nach dem KTV als auch nach dem Manteltarifvertrag sei allenfalls ein Anspruch auf Freizeitgewährung denkbar. Insofern fehle es bereits an einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage. Aber auch die Voraussetzungen für einen Freizeitausgleich seien nicht gegeben. Die Berechnungsweise des Klägers verstoße gegen die ausdrückliche Regelung des § 10 Abs. 2 KTV. Unzutreffenderweise rechne der Kläger die in Dienste umgerechneten Reisezeiten in Arbeitstage um, addiere die so errechneten zusätzlichen Tage zu den mit Diensten am Instrument belegten Tagen und vergleiche diese mit einer aus § 6 KTV abgeleiteten Untergrenze von höchstens 203 Arbeitstagen. Gemäß § 10 Abs. 2 KTV seien Reisetage ohne instrumentalen Dienst aber keine Arbeitstage im Sinne des Tarifvertrags. Die vom Kläger vorgenommene Umrechnung von Reisezeiten in Arbeitstage führe dazu, dass rechnerisch weitere Arbeitstage anfielen, obwohl der Kläger an nicht mehr Tagen gearbeitet habe bzw. gereist sei. Die Regelung in § 6 KTV stelle insgesamt jeweils auf ein Jahr bzw. auf eine Spielzeit ab und verpflichte den Beklagten entsprechend der in § 6 KTV geregelten Obergrenze allenfalls dazu, die Zahl der in einer Spielzeit insgesamt geleisteten Dienste zu berechnen und zu überprüfen, ob - als Durchschnittswert - pro Woche zehn Dienste bzw. pro Tag zwei Dienste nicht überschritten worden seien.
Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil die Vergütungsklage und mit Schlussurteil die Feststellungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I. Die Zahlungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung für zusätzliche 19 Arbeitstage im Jahr 2002.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet allein der KTV Anwendung.
Dessen spezielle und abschließende Regelung über die Arbeitszeit (§ 6) sowie über die Reisezeit (§ 10) von Orchestermusikern und Chormitgliedern verbietet einen Rückgriff - auch in entsprechender Anwendung - auf die im Manteltarifvertrag (MTV) getroffenen Regelungen zur wöchentlichen Arbeitszeit (TZ 311) sowie zu deren Überschreitung/Mehrarbeit (TZ 322, 323 iVm. TZ 518). Orchester- und Chormitglieder bei dem Beklagten haben keine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden, wie sie der MTV vorsieht. Die speziellere Regelung im KTV geht von zehn Diensten im Sinne einer Höchstgrenze der zulässigen Arbeitsbelastung aus. Nach seinem Arbeitsvertrag iVm. dem KTV schuldet der Musiker nicht die Ableistung einer bestimmten Arbeitszeit, sondern zusätzlich zu den Zeiten, in denen Werke aufgeführt und geprobt werden müssen, für seine häuslichen Vorbereitungen so viel an Arbeitszeit, wie er individuell benötigt, um dem Qualitätsstandard des Orchesters zu genügen.
Auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt werden kann, dass unter Berücksichtigung von Urlaubstagen und sonstiger tariflicher Freizeitregelungen die tarifliche individuelle Grenze bei 203 Arbeitstagen jährlich liegt, ist eine Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren nicht ersichtlich. Dies ergibt eine Auslegung des Tarifvertrags.
2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. vgl. BAG 19. Januar 2000 - 4 AZR 814/98 - BAGE 93, 229, 233; Senat 16. Mai 2002 - 6 AZR 208/01 - AP MTArb SR 2a § 2 Nr. 1; BAG 23. Februar 2005 - 4 AZR 172/04 -AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 33 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 12).
3. Aus dem Wortlaut der tariflichen Bestimmungen in § 6 und § 10 KTV lässt sich die Berechnungsweise des Klägers zur Berücksichtigung von Reisezeiten im Rahmen der Grenzen des § 6 Abs. 3 KTV nicht herleiten. Die Tarifvertragsparteien des KTV differenzieren zwischen Arbeitszeit einerseits und Reisezeit andererseits. In § 10 Abs. 2 Satz 1 KTV ist ausdrücklich geregelt, dass Reisetage ohne instrumentalen/vokalen Dienst keine Arbeitstage im Sinne der tariflichen Bestimmungen sind. Nur soweit die Reisezeit an einem Tag zehn Stunden überschreitet, gilt dieser Tag als Arbeitstag im Sinne des Tarifvertrags (§ 10 Abs. 2 Satz 3 KTV). Damit zählen Dienstreisezeiten grundsätzlich nicht zur gesetzlichen Arbeitszeit. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 KTV werden Reisezeiten gesondert erfasst und addiert. Jeweils fünf Stunden Reisezeit werden abrechnungsmäßig als ein Dienst gewertet (§ 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 5 KTV). Diese Vorschriften beinhalten eine Umrechnung der Reisezeit in Dienste, nicht jedoch in Arbeitstage. Entgegen der Ansicht des Klägers sieht der Tarifvertrag nicht vor, dass Reisezeiten zunächst in Dienste und dann jeweils zwei Dienste in Arbeitstage umzurechnen sind, die dann wiederum zu Arbeitstagen mit Dienst am Instrument hinzugerechnet werden. Die im KTV erkennbare Trennung von Reisezeiten einerseits und Arbeitszeit andererseits zeigt, dass die Tarifvertragsparteien des KTV - anders als die des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in der von dem Kläger zitierten Entscheidung des Senats vom 27. Juni 2002 (- 6 AZR 378/01 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 18) - eine Gleichstellung dieser Zeiten gerade nicht vorgenommen haben. Zu Recht hat daher bereits das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die stillschweigende Festlegung einer Vergütung von Reisezeiten gleichermaßen wie von Arbeitszeiten, wie sie der Senat aus der im TVK vorgenommenen Gleichstellung der fraglichen Zeiten herleitet, vorliegend nicht angenommen werden kann.
4. Auch Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen in § 6 und § 10 KTV steht der Berechnungsweise des Klägers, nach der im Ergebnis Arbeitstage, an denen sowohl gereist als auch Dienst am Instrument versehen wurde, doppelt berücksichtigt würden, entgegen. Durch die Ableistung eines musikalischen Dienstes wird der entsprechende Tag bereits als Arbeitstag iSd. § 6 Abs. 3 KTV gewertet. Würde man, wie vom Kläger begehrt, zusätzlich angefallene Reisezeit in anteilige Dienste und sodann in anteilige Arbeitstage umrechnen, würde für ein und denselben Tag insgesamt mehr als nur ein Arbeitstag in Ansatz gebracht. Zu Recht hat deshalb das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass eine derartige Abrechnungsweise tatsächlich dazu führen würde, dass reine Reisetage im Ergebnis doch wie Arbeitstage bewertet würden, obwohl gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 KTV Reisetage ohne instrumentalen/vokalen Dienst ausdrücklich keine Arbeitstage im Sinne des Tarifvertrags sein sollen.
5. Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Tarifsystematik bestätigt. § 6 KTV regelt sowohl kollektive als auch individuelle Höchstbelastungsgrenzen der Musiker.
Gemäß § 6 Abs. 6 KTV ist der Klangkörper maximal bis zu 213 Arbeitstagen im Jahr einsetzbar, ausnahmsweise bis zu 220 Tagen, wenn auf Grund spielzeitübergreifender Planung ein Ausgleich in entsprechendem Umfang in der vorhergehenden oder nachfolgenden Spielzeit erfolgt. Demgegenüber legt § 6 KTV in Abs. 3 eine engere Höchstbelastungsgrenze für die einzelnen Musiker des Klangkörpers fest, nämlich im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 20 Tage pro Monat. Insoweit geht es entgegen der Ansicht des Klägers auch ohne den entsprechenden ausdrücklichen Zusatz sehr wohl um "Arbeitstage" iSd. Tarifvertrags, denn § 6 KTV regelt, wie schon die Überschrift besagt, die Arbeitszeit. In § 10 KTV kommt zum Ausdruck, dass durch die Reisezeitabrechnung nicht die durch § 6 Abs. 3 KTV ohnehin eingeschränkte Einsetzbarkeit der Orchestermitglieder weiter reduziert werden sollte. Vielmehr ist eine gesonderte Erfassung der Reisezeiten vorzunehmen, die die sonst gültige Abrechnung instrumentaler Dienste nicht beeinflussen soll. Eine Umrechnung der erfassten und addierten Reisezeiten ist dabei nur in Dienste vorgesehen. Da der Tarifvertrag nur eine Umrechnung der Reisezeiten in Dienste vorsieht, ist es systematisch richtig, die Reisezeiten bei der Überprüfung der Beschränkung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KTV zu berücksichtigen. Es ist mithin zu überprüfen, ob die vorgesehene Höchstzahl von Diensten unter Einbeziehung der in Dienste umgerechneten Reisezeiten eingehalten ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Beklagte dabei einerseits gehalten ist, bei der Saisonvorplanung im Vorgriff auf später stattfindende Reisen Freizeit durch Nichtansetzung eines zweiten Dienstes einzuplanen. Soweit sich Reisezeiten ohne vorherige Einkalkulierung ergeben, ist jedenfalls am Ende der Spielzeit zu überprüfen, ob Abweichungen vom Plan bzw. unvorhergesehene Reisen dazu geführt haben, dass die Dispositionsgrenze gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KTV überschritten wurde. Zu Unrecht bezeichnet der Kläger dies als "Rückverrechnung" mit Tagen, an denen nur ein Dienst am Instrument geleistet wurde. Tatsächlich ist dies eine rückwirkende Durchschnittsbetrachtung der Gesamtbelastung an Diensten, um die Einhaltung der Begrenzung in § 6 Abs. 1 Satz 1 KTV zu überprüfen.
6. Auch wenn es bei dem Beklagten, wie der Kläger behauptet, hinsichtlich der Berücksichtigung von Reisezeiten eine andere praktische Tarifübung gegeben haben sollte, steht dies der vorgenommenen Auslegung nicht entgegen. Die tatsächlich geübte Tarifpraxis nach Abschluss des Tarifvertrags hat für die Auslegung nur dann eine indizielle Bedeutung, wenn durch die anhand von Wortlaut, Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang vorgenommene Auslegung kein Ergebnis gefunden werden konnte bzw. Zweifel noch verblieben. Dies ist vorliegend aber nicht gegeben.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass auch die Tarifgeschichte nicht für die vom Kläger vorgenommene Auslegung spricht. Die aus den Protokollen der Tarifverhandlungen ersichtliche Tarifgeschichte eröffnet jedenfalls nicht den Weg zu einer für den Kläger günstigeren Auslegung des zurzeit gültigen KTV.
7. Vorliegend ist für das Jahr 2002 die Anzahl der vom Kläger effektiv geleisteten Dienste zu den durch Verrechnung von Reisezeit entstehenden Diensten zu addieren und zu der Obergrenze von maximal 386 Diensten in Relation zu setzen. Diese Obergrenze folgt aus § 6 Abs. 1 KTV, ausgehend von höchstens 193 Arbeitstagen im Jahr 2002. Unter Berücksichtigung der insgesamt 338 Dienste am Instrument und der Hinzurechnung von Reisezeiten im Umfang von 40,65 Diensten, ergeben sich somit 378,65 Dienste, die die beim Kläger individuell für das Jahr 2002 geltende Höchstgrenze von 386 Diensten nicht überschritten.
8. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, dass der Kläger seine Vergütungsansprüche nicht auf das Arbeitszeitgesetz in Verbindung mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG stützen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betrifft die Richtlinie lediglich den öffentlich rechtlichen Arbeitsschutz. Zur Frage der Vergütung enthält sie keine Bestimmungen (vgl. Senat 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - BAGE 106, 252; BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - BAGE 109, 254).
II. Auch mit seinen Feststellungsanträgen bleibt der Kläger ohne Erfolg.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts sind diese zwar gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Auslegung unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers ergibt nämlich, dass dem Wort "nachträglich" im Hauptantrag keine eigenständige Bedeutung zukommen soll, sondern dass es dem Kläger generell um die Feststellung geht, die aus den Reisezeiten errechneten Dienste dürften bei Bestimmung der Anzahl der mit der Heranziehung zu Diensten belegten Tage nicht auf solche Tage angerechnet werden, für die der Beklagte nur einen statt zwei Dienste angeordnet habe. So verstanden ist die Feststellungsklage ein geeignetes Mittel, um den Streit der Parteien einer grundsätzlichen Klärung zuzuführen (vgl. BAG 26. Januar 2005 - 10 AZR 331/04 - BAGE 113, 265, 269).
Auch der Zusatz "höchstens an 203 Tagen pro Jahr" ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht unstreitig, wie der Beklagte in seiner Revisionserwiderung nochmals klargestellt hat. Die Zulässigkeit der Feststellungsanträge wird deshalb durch diesen Zusatz nicht berührt.
Aus den unter I. ausgeführten Gründen folgt jedoch, dass die Feststellungsklage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag ebenfalls unbegründet ist.
Ende der Entscheidung
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