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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 6 AZR 235/06
Rechtsgebiete: BRKG, BAT-O, BG-LSA, TGV


Vorschriften:

BRKG aF § 2 Abs. 2
BRKG aF § 6
BRKG aF § 22
BAT-O § 42 Abs. 1 Satz 1
BG-LSA § 27
BG-LSA § 88
TGV idF der Bekanntmachung vom 29. Juni 1999 (BGBl. I S. 1533) § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

6 AZR 235/06

Verkündet am 26. Oktober 2006

In Sachen

hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster und Prof. Dr. Friedrich sowie den ehrenamtlichen Richter Hinsch und die ehrenamtliche Richterin Schipp für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Januar 2006 - 11 Sa 376/05 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Reisekostenvergütung, hilfsweise Trennungsgeld.

Der Kläger ist seit dem 1. August 1991 für das beklagte Land als Lehrer tätig.

Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 16. Dezember 1991 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Der ständige Tätigkeitsort des Klägers war bis zum Ablauf des Schuljahres 2003/2004 das Gymnasium in H. Das beklagte Land ordnete mit Verfügung vom 27. Juli 2004 den Kläger für die Dauer vom 1. August 2004 bis zum 31. Juli 2005 (Schuljahr 2004/2005) mit 18 von insgesamt 23 Unterrichtsstunden pro Woche an das Gymnasium "A" in B ab. Der Kläger unterrichtete fünf Unterrichtsstunden in der Woche nach wie vor am Gymnasium in H. In dem Schreiben des beklagten Landes vom 27. Juli 2004 heißt es ua.:

"... Fahr- und Nebenkosten werden nach den derzeit geltenden Regelungen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gewährt, sofern sie die Kosten zwischen Wohnung und ständiger Dienststelle (überwiegender Dienstort) übersteigen. ..."

Der Kläger nahm seine Tätigkeit mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 am Gymnasium in B auf und machte mit Reisekostenabrechnung vom 1. November 2004 für den Zeitraum vom 16. August 2004 bis zum 8. Oktober 2004 für Fahrten zwischen H und B Reisekosten in Form der Wegstreckenentschädigung in Höhe von - unstreitig -580,80 Euro geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei den vorstehend genannten Fahrten habe es sich um Dienstreisen nach § 2 Bundesreisekostengesetz in der vor dem 1. September 2005 geltenden Fassung (BRKG aF) gehandelt. Dort heißt es:

"§ 2 Begriffsbestimmungen

...

(2) Dienstreisen im Sinne dieses Gesetzes sind Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes, die von der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch angeordnet oder genehmigt worden sind, es sei denn, dass eine Anordnung oder Genehmigung nach dem Amt des Dienstreisenden oder dem Wesen des Dienstgeschäfts nicht in Betracht kommt.

..."

Der Kläger meint, auch im Schuljahr 2004/2005 sei sein Dienstort im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung in H gewesen. Durch die auf ein Schuljahr beschränkte Teilabordnung mit rund 80 % seiner Arbeitstätigkeit an das Gymnasium in B sei ein Wechsel des Dienstortes nicht eingetreten.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 580,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2004 zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von Reisekosten, da der Dienstort des Klägers während seiner Teilabordnung nicht H, sondern B gewesen sei. Hier habe der Schwerpunkt der dienstlichen Tätigkeit des Klägers gelegen. Die Fahrten des Klägers von H nach B seien nicht Dienstreisen iSv. § 2 BRKG aF, weil es sich nicht um Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes gehandelt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter, wobei er seinen Anspruch auch hilfsweise auf einen Anspruch auf Trennungsgeld nach § 22 BRKG aF iVm. § 6 Verordnung über das Trennungsgeld bei Versetzungen und Abordnungen im Inland (Trennungsgeldverordnung - TGV) idF der Bekanntmachung vom 29. Juni 1999 (BGBl. I S. 1533) stützt. Das beklagte Land beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Reisekostenerstattung, da die geltend gemachten Fahrtkosten nicht anlässlich von Dienstreisen entstanden seien. Bei den Fahrten des Klägers von H nach B habe es sich nicht um Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb seines Dienstortes gehandelt. Für die Dauer der Abordnung des Klägers nach B sei dieser Ort Dienstort im Sinne des BRKG aF gewesen.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Da der Kläger seinen Klageanspruch bei gleichbleibendem Streitgegenstand in der Revision auch hilfsweise auf die TGV gestützt hat und hierzu tatrichterliche Feststellungen fehlen, war das Urteil des Landesarbeitsgerichts dennoch aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

II. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch darauf, dass ihm die Auslagen, die durch die Fahrten mit seinem Privat-Pkw zwischen seiner Wohnung in H und dem Gymnasium "A" in B entstanden sind, nach den reisekostenrechtlichen Bestimmungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 BAT-O iVm. § 88 BG-LSA und §§ 6, 2 BRKG aF erstattet werden.

1. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BAT-O sind auf die Ansprüche des Angestellten auf Erstattung der Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung) und aus Anlass der Abordnung (Trennungsgeld, Trennungsentschädigung) die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Gemäß § 88 BG-LSA, der auf die Bestimmungen für die Bundesbeamten verweist, richtet sich der Anspruch auf Fahrtkostenerstattung nach § 6 BRKG aF. Dieser setzt voraus, dass es sich bei den Fahrten um Dienstreisen iSv. § 2 Abs. 2 BRKG aF handelt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Fahrten des Klägers von seinem Wohnort in H zu dem Gymnasium "A" in B nicht als Dienstreisen angesehen, weil H auf Grund der Verfügung des beklagten Landes vom 27. Juli 2004 für die Dauer vom 1. August 2004 bis zum 31. Juli 2005 (Schuljahr 2004/2005) nicht Dienstort des Klägers im reisekostenrechtlichen Sinne gewesen ist.

2. Für die Anwendung des § 2 Abs. 2 BRKG aF kommt es nicht darauf an, ob die Behörde im konkreten Fall den Ort der Dienstleistung eines Beamten zu dessen Dienstort erklärt hat. Behördlichen Verfügungen kommt insoweit nur deklaratorische Bedeutung zu. Der Begriff des "Dienstortes" iSv. § 2 Abs. 2 BRKG aF ist nach den für die Gesetzesauslegung allgemein geltenden Kriterien zu bestimmen (BVerwG 23. Oktober 1985 - 6 C 3.84 - ZBR 1986, 141). Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Gesetzesbestimmung ist der Dienstort die politische Gemeinde, in der die Behörde oder Dienststelle ihren Sitz hat, der der Beschäftigte als Inhaber einer Planstelle oder auf Grund einer Abordnung zugewiesen ist. Befinden sich Teile oder Nebenstellen der Behörde oder Dienststelle in einer anderen Gemeinde, so ist als Dienstort des Beschäftigten der Ort anzusehen, in dem er - längere Zeit hindurch - ständig oder überwiegend Dienst leisten muss. Der Bedienstete hat in diesem Fall reisekostenrechtlich nur einen Dienstort (vgl. Senat 1. Dezember 1994 - 6 AZR 354/94 - zu I 2 der Gründe; BVerwG 23. Oktober 1985 aaO; 21. Juni 1989 - 6 C 4.87 - BVerwGE 82, 148; VGH Baden-Württemberg 27. Juni 1988 - 4 S 1172/88 - ZBR 1989, 86).

Der Beschäftigte hat, auch wenn er seine Dienstgeschäfte in mehreren Gemeinden verrichten muss, nicht mehrere Dienstorte. Entscheidend ist der Ort der überwiegenden Dienstleistung, soweit es um die Beurteilung eines längeren Zeitraums geht. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass auch eine Abordnung, also nur die vorübergehende Zuweisung einer Tätigkeit in einer anderen Dienststelle (§ 27 BG-LSA) grundsätzlich einen Wechsel des Dienstortes herbeiführt. Dies wird durch die Systematik des BRKG aF bestätigt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass bei einer Abordnung dem Bediensteten grundsätzlich keine Reisekosten erstattet werden, sondern Trennungsgeld gewährt wird.

3. Weicht der Beschäftigungsort eines Bediensteten von dem Ort seiner Planstellenbehörde ab, wird grundsätzlich der Beschäftigungsort als tatsächlicher Mittelpunkt der Aufgabenwahrnehmung reisekostenrechtlich zum neuen Dienstort (BVerwG 15. Dezember 1993 - 10 C 11.91 - BVerwGE 94, 364). Dementsprechend wird bei einer länger dauernden Abordnung eines Beschäftigten der vom Ort der Stammdienststelle sich unterscheidende Ort der Tätigkeit neuer Dienstort. Auch in der amtlichen Begründung zu § 2 BRKG in der Gesetzesfassung vom 20. März 1965 wird der Beschäftigungsort eines abgeordneten Beamten als sein Dienstort im Sinne des Reisekostengesetzes bezeichnet (BT-Drucks. IV/2533 S. 9). Diese Auslegung des Begriffs des Dienstortes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BRKG aF ergibt sich nicht nur aus dem Gesetzeszusammenhang, sondern rechtfertigt sich auch aus Sinn und Zweck des Bundesreisekostengesetzes. Ein Bedürfnis zur Abgeltung dienstlich veranlasster Mehraufwendungen durch die Reisenkostenvergütung ist dann nicht ersichtlich, wenn die "Reisen" ausschließlich zur Wahrnehmung der Tätigkeit an dem ständigen Beschäftigungsort durchgeführt werden. Derartige Aufwendungen sind grundsätzlich der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen und von den Dienstbezügen zu bestreiten. Fallen der Ort der Stammdienststelle und der ständige Beschäftigungsort des Bediensteten auseinander, führt dies, wie sich aus der gesetzlichen Abgrenzung zwischen "bisherigem" und "neuem" Dienstort ergibt, jeweils nur zu einem Dienstortwechsel, nicht zu einer Dienstorterweiterung oder -vervielfältigung (BVerwG 15. Dezember 1993 aaO).

4. Bei einer Ermittlung des Schwerpunktes im Fall einer Teilabordnung ist auf die zeitliche Aufteilung der Tätigkeit innerhalb des Abordnungszeitraums abzustellen, soweit es sich nicht nur um eine Abordnung von relativ kurzer Dauer handelt. Hierbei ist bei einem Lehrer der Abordnungszeitraum von einem ganzen Schuljahr keine Abordnung von relativ kurzer Dauer. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht auf den Kalenderjahresdurchschnitt an, wenn es darum geht, den überwiegenden Ort der Dienstleistung zu bestimmen. Es kommt auch nicht auf das Schuljahr an. Entscheidend ist allein der Zeitraum der Abordnung.

5. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner mit Revisionsrügen nicht angefochtenen Feststellungen angenommen, dass das Gymnasium "A" in B und nicht das Gymnasium in H in der streitgegenständlichen Zeit des Schuljahres 2004/2005 Dienstort des Klägers war.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers in diesem Schuljahr ist der politischen Gemeinde B zuzuordnen. Der Kläger hatte dort rund vier Fünftel seiner Unterrichtsverpflichtung zu erbringen. Das Gymnasium "A" in B war zur Erledigung der dem Kläger obliegenden Aufgaben im Sinne der Unterrichtserteilung bestimmt. Das Gymnasium "A" stellt nicht nur eine auswärtige Aufenthaltsmöglichkeit dar, sondern war auch für einen nicht unerheblichen Zeitraum als Arbeitsstelle für den Kläger und andere Bedienstete eingerichtet. Unerheblich hierbei ist, dass der Kläger das Gymnasium "A" öfter verlassen musste, um für fünf Wochenstunden in H seine Unterrichtsverpflichtungen zu erfüllen. Auch die Tatsache, dass der Kläger mit seiner Planstelle weiterhin dem Gymnasium in H zugeordnet war, steht dem nicht entgegen. Für die Bestimmung des Dienstortes ist entscheidend der ständige oder überwiegende Beschäftigungsort eines Bediensteten, dh. der tatsächliche Mittelpunkt der ganz überwiegenden Aufgabenwahrnehmung (vgl. BVerwG 15. Dezember 1993 - 10 C 11.91 - BVerwGE 94, 364; BAG 1. Dezember 1994 - 6 AZR 354/94 - ZTR 1995, 414). Der Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit des Klägers hat im Schuljahr 2004/2005 in B am Gymnasium "A" gelegen. Der Dienstort des Klägers im Sinne des Reisekostenrechts ist somit B und nicht H gewesen. Insoweit entfällt ein Anspruch des Klägers auf Reisekostenvergütung für Fahrten von H nach B.

Auch der Hinweis der Revision, das Lehrdeputat eines Lehrers erfasse weniger als 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit, ist unbehelflich. Unbestritten betrug der Umfang des Einsatzes des Klägers am Gymnasium in H lediglich ca. 20 % seines Lehrdeputats. Die Vor- und Nachbereitungsarbeiten eines Lehrers finden üblicherweise nicht am Dienstort, sondern im häuslichen Arbeitszimmer statt. Diese Zeiten können bei der Ermittlung des Dienstortes nicht berücksichtigt werden, da der Umfang der häuslichen Vor- und Nachbereitungsarbeiten einer konkreten Feststellung kaum zugänglich ist; abgesehen davon liegt insofern kein substantiierter Sachvortrag des Klägers vor.

6. Ob sich der geltend gemachte Anspruch des Klägers und in welchem Umfang aus § 22 BRKG aF iVm. § 6 TGV ergibt, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Da die Teilabordnung zu einer Verlagerung des Dienstortes geführt hat, hat der Kläger Anspruch auf Trennungsgeld nach der Trennungsgeldverordnung, sofern die dort geregelten Voraussetzungen gegeben sind. Für die Berechnung fehlen jedoch tatrichterliche Feststellungen. Deshalb war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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