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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 6 AZR 286/06
Rechtsgebiete: TzBfG, BGB, SGB III, ZPO


Vorschriften:

TzBfG § 14
BGB § 13
BGB § 148
BGB § 157
BGB § 305c Abs. 1
BGB § 310 Abs. 3 Nr. 2
SGB III § 175
ZPO § 286
1. Wird nach Zugang einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung vor Ablauf der Klagefrist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Verzögerung von 12 Monaten vereinbart, so handelt es sich dabei in der Regel nicht um eine nachträgliche Befristung des Arbeitsverhältnisses, sondern um einen Aufhebungsvertrag, wenn nach der Vereinbarung keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung bestehen soll ("Kurzarbeit Null") und zugleich Abwicklungsmodalitäten wie Abfindung, Zeugniserteilung und Rückgabe von Firmeneigentum geregelt werden.

2. Ist die Beendigungsvereinbarung in einem vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Vertrag enthalten, kann es sich je nach den Umständen um eine ungewöhnliche Bestimmung handeln, die gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsinhalt wird.


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

6 AZR 286/06

Verkündet am 15. Februar 2007

In Sachen

hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Armbrüster und Dr. Wolter sowie die ehrenamtlichen Richter Kapitza und Knauß für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 18. Oktober 2005 - 6 Sa 30/05 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die am 24. April 1975 geborene Klägerin war seit dem 20. März 1995 als Software-Entwicklerin bei der Beklagten in dem Betrieb H in München beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 3.354,59 Euro.

Ende des Jahres 2002 führte die Beklagte in dem Betrieb H einen umfangreichen Personalabbau durch. Zur Durchführung dieser Maßnahme schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat die Betriebsvereinbarung "Kapazitätsanpassung ICN München H 2002 und Neuausrichtung des ICN-Carrier-Geschäfts" vom 23. Oktober 2002 sowie die Betriebsvereinbarung "Materielle Rahmenbedingungen für die Kapazitätsanpassung ICN Mch H 2002 und die Neuausrichtung des ICN-Carrier-Geschäfts" vom selben Tage. In der Betriebsvereinbarung "Materielle Rahmenbedingungen" sind unter Nr. 4 Abfindungsleistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt. Nr. 5 enthält Bedingungen für den Wechsel von Arbeitnehmern in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) iSv. § 175 SGB III.

Mit Schreiben vom 11. November 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Arbeitsplatz werde auf Grund der Rationalisierungsmaßnahmen entfallen. Die Beklagte bot der Klägerin an, zum 1. Januar 2003 in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit überzutreten. Alternativ dazu bot sie ihr an, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Abschließend teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie müsse mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen, wenn sie sich bis zum 13. Dezember 2002 für keine der angebotenen Alternativen entscheide.

Nachdem die Klägerin den 13. Dezember 2002 verstreichen ließ, ohne sich für eine der Alternativen zu entscheiden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. Januar 2003.

Nach Erhalt der Kündigung trat die Klägerin an die Beklagte heran und bat um Aufnahme in die betriebsorganisatorische eigenständige Einheit. Nach verschiedenen Gesprächen wurde der Klägerin von der Beklagten ein Vertrag übergeben, der mit "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" überschrieben ist. Die Klägerin nahm den Vertrag mit nach Hause und gab ihn einige Tage später unterzeichnet zurück. In dieser Vereinbarung heißt es:

"I. Die Siemens AG ...

und

II. Frau ...

vereinbaren im Zusammenhang mit dem Übertritt des Mitarbeiters in die beE "ICN Mch H" die nachfolgende

Ergänzung zum Arbeitsvertrag:

Präambel

Durch diese Vereinbarung wird das Ausscheiden des Mitarbeiters aus der Siemens AG und der Übertritt in eine beE geregelt.

Grundlage für diesen Vertrag sind die zwischen der Siemens AG und dem Betriebsrat München H abgeschlossene Betriebsvereinbarung "Kapazitätsanpassung ICN ..." (Interessenausgleich) sowie die zugehörige Betriebsvereinbarung "Materielle Rahmenbedingungen ..." (Sozialplan), beide datierend vom 23.10.2002.

...

1. Übertritt in die beE

Mit Wirkung zum 01.02.2003 tritt der Mitarbeiter in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit "Siemens ICN München H" (im Folgenden: beE) ein.

Der Mitarbeiter erklärt sich damit einverstanden, dass in dieser beE Strukturkurzarbeit Null im Sinne von §§ 175 ff. SGB III anfällt; eine darüber hinausgehende irgendwie geartete Beschäftigung des Mitarbeiters findet nicht statt.

2. Pflichten des Mitarbeiters in der beE

Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, an den innerhalb der beE angebotenen Fortbildungs-, Umschulungs- und Arbeitsvermittlungsmaßnahmen sowie sonstigen angebotenen Veranstaltungen teilzunehmen. Er verpflichtet sich weiterhin, die von der beE angebotenen Unterstützungen (Outplacement, Beratung, usw.) mit dem Ziel einer Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt aktiv in Anspruch zu nehmen.

Der Mitarbeiter verpflichtet sich weiterhin, von der beE und/oder dem Arbeitsamt angebotene Möglichkeiten zur Bewerbung auf freie Stellen (außerhalb oder auch innerhalb des Siemens-Konzerns) aktiv zu nutzen. Darüber hinaus wird sich der Mitarbeiter von sich aus um eine Vermittlung auf eine freie Stelle im ersten Arbeitsmarkt ... aktiv bemühen.

Auf Anorderung wird der Mitarbeiter der beE und/oder dem Arbeitsamt Nachweise über diese Bemühungen vermitteln.

3. Bezüge des Mitarbeiters in der beE

3.1 ...

3.2 Der Mitarbeiter erhält in der beE - unter Anrechnung von eventuellen Zahlungen des Arbeitsamtes - monatlich 85 % von den bisherigen monatlichen regelmäßigen Nettobezügen garantiert.

...

6. Garantierte Verweildauer in der beE/Kündigung

6.1 Siemens garantiert dem Mitarbeiter eine Verweildauer in der beE bis zum 29.02.2004 (entspricht 13 Monaten, gerechnet ab dem 01.02.2003).

6.2 Der Arbeitnehmer hat das Recht, das Arbeitsverhältnis in der beE jederzeit zu einem Zeitpunkt seiner Wahl zu beenden.

6.3 Unabhängig vom Übertritt in die beE sind sich Siemens und der Mitarbeiter einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis wegen dringender betrieblicher Gründe im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 29.02.2004 endet.

6.4 Verbindliche Auskunft über die steuer- und sozialrechtlichen Konsequenzen dieser Vereinbarung kann nur das zuständige Finanzamt bzw. der zuständige Sozialversicherungsträger erteilen. Auf die Möglichkeit des Eintritts einer Sperrfrist und deren Folgen sowie ein mögliches Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wurde der Mitarbeiter hingewiesen.

6.5 Der Mitarbeiter erhält ein Zeugnis, dass sich auf die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, auf Führung und Leistung erstreckt.

6.6 Der Mitarbeiter wird vor seinem Ausscheiden den Firmenausweis und sonstiges in seinem Besitz befindliches Firmeneigentum zurückgeben.

6.7 Mit dieser Regelung sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung erfüllt.

7. Sozialplanleistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält der Mitarbeiter die im Sozialplan bestimmten Leistungen, insbesondere die in Ziff. 4.2.1 bestimmte Abfindung sowie ggf. die in Ziff. 4.2.2 bestimmte Abfindungserhöhung, diese jedoch berechnet auf die Verweildauer bis zum 29.02.2004 (Ziff. 6.1 dieses Vertrages)."

Diese "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" wurde durch die Beklagte unter dem Datum des 21. Januar 2003 und von der Klägerin unter dem Datum des 30. Januar 2003 unterzeichnet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die in Ziff. 6.3 geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 29. Februar 2004 sei nicht Vertragsinhalt geworden. Hierbei handele es sich um eine überraschende Klausel. Die Arbeitnehmer, die sich vor dem 13. Dezember 2002 für einen Übertritt in die beE entschieden hätten, seien ohne Beendigungsvereinbarung in die beE übergetreten. Sie habe deshalb mit einer solchen Regelung nicht rechnen müssen. Im Übrigen sei die Klausel unwirksam, weil sie zu einer unzulässigen nachträglichen Befristung ihres unbefristeten Arbeitsverhältnisses führe.

Mit ihrer am 16. Februar 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin beantragt

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristungsvereinbarung vom 21. Januar 2003 zum Ablauf des 29. Februar 2004 endet;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 29. Februar 2004 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Softwareentwicklerin weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat geltend gemacht, bei der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" handele es sich um einen wirksamen Aufhebungsvertrag.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Ob das Arbeitsverhältnis nach Ziff. 6.3 der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" vom 21./30. Januar 2003 zum 29. Februar 2004 geendet hat, lässt sich nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht entscheiden. Es fehlt insbesondere an einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO.

I. Die Beendigungsvereinbarung in Ziff. 6.3 der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" enthält entgegen der Ansicht der Klägerin und der Vorinstanzen keine nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Die Vereinbarung zielt nicht auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und unterliegt deshalb nicht einer Befristungskontrolle gem. § 14 TzBfG.

1. Bei der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" und insbesondere der Klausel in Ziff. 6.3 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Vereinbarung ist von der Beklagten vorformuliert und nach ihrer sprachlichen Fassung für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt. Nach Aussage der vom Landesarbeitsgericht vernommenen Zeugin O ist die Vereinbarung in drei oder vier Fällen zur Anwendung gekommen.

Im Übrigen ist hier auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB einschlägig, weil die Klägerin beim Abschluss des Vertrages Verbraucherin iSv. § 13 BGB war und auf Grund der Vorformulierung durch die Beklagte auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - AP BGB § 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BVerfG 23. November 2006 - 1 BvR 1909/06 - NZA 2007, 85).

2. Das Revisionsgericht hat die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen selbständig nach den Grundsätzen der Auslegung von Normen vorzunehmen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 -AP ArbZG § 6 Nr. 8 = EzA ArbZG § 6 Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 b der Gründe; BGH 21. September 2005 - VIII ZR 284/04 - NJW 2005, 3567, zu II 1 a aa der Gründe mwN). Die Überprüfung der Auslegung von Seiten des Berufungsgerichts ist nicht eingeschränkt (BAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 a der Gründe).

a) Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus einem Dauerarbeitsverhältnis. Er ist seinem Regelungsgehalt nach auf eine alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet. Das bringen die Parteien in der Regel durch die Wahl einer zeitnahen Beendigung, die sich häufig an der jeweiligen Kündigungsfrist orientiert, und weitere Vereinbarungen über Rechte und Pflichten aus Anlass der vorzeitigen Vertragsbeendigung zum Ausdruck. Ein solcher auf die alsbaldige Beendigung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichteter Aufhebungsvertrag ist nicht Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Dagegen bedarf ein Aufhebungsvertrag, dessen Regelungsgehalt nicht auf die Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichtet ist, zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes. Für das Eingreifen der Befristungskontrolle ist nicht die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung entscheidend, sondern der Regelungsgehalt der getroffenen Vereinbarung. Besteht dieser in der befristeten Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses, kann eine funktionswidrige Verwendung der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, vorliegen. Das gilt vor allem dann, wenn der von den Parteien gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet und es an weiteren Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt, wie sie im Aufhebungsvertrag regelmäßig getroffen werden. Dazu gehören insbesondere Freistellungen, Urlaubsregelungen, ggf. auch Abfindungen uä. (BAG 12. Januar 2000 - 7 AZR 48/99 - BAGE 93, 162, 164 ff., zu 2 und 3 der Gründe; ErfK/Müller-Glöge 7. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 20).

b) Der Regelungsgehalt der Vereinbarung vom 21./30. Januar 2003 zielt insgesamt auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die entgegenstehende Auffassung der Vorinstanzen stellt allein auf die Dauer des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses ab und berücksichtigt nicht die Umstände, die zum Abschluss der Vereinbarung geführt haben, sowie die weiteren Regelungsgegenstände.

aa) Der Vereinbarung ging die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Schreiben der Beklagten vom 15. Januar 2003 voran. Die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abgelaufen, so dass die Wirksamkeit der Kündigung noch offen war. Zu Recht weist die Revision darauf hin, es sei naheliegend, diese Vereinbarung als Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Das Arbeitsverhältnis sollte nicht durch die zum 28. Februar 2003 ausgesprochene Kündigung enden, sondern erst zum 29. Februar 2004. Diesen Beendigungszeitpunkt wollte die Beklagte allerdings anders als bei einem bis zum 13. Dezember 2002 erklärten Übertritt in die beE in der Vereinbarung verbindlich festlegen. Die Ergänzungsvereinbarung enthält damit alle Elemente eines Vergleichsschlusses. Beide Parteien haben nachgegeben, die Beklagte, indem sie der Klägerin den Übertritt in die beE ermöglichte, obwohl die hierfür gem. § 148 BGB gesetzte Frist verstrichen war, die Klägerin, indem sie auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtete.

bb) Der Inhalt der Vereinbarung ist auf die Beendigung und nicht auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Die Vorinstanzen haben unberücksichtigt gelassen, dass nach Ziff. 1 der Vereinbarung in der beE Strukturkurzarbeit Null iSv. §§ 175 ff. SGB III anfiel. Nach Ziff. 2 der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" war die Klägerin verpflichtet, sich arbeitssuchend zu melden und alles zu unternehmen, um alsbald eine freie Stelle im ersten Arbeitsmarkt zu finden. Eine produktive Beschäftigung der Klägerin fand nicht statt. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem angezogenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Januar 2000 zugrunde lag (BAG 12. Januar 2000 - 7 AZR 48/99 - BAGE 93, 162). Weiterhin enthält der Ergänzungsvertrag vom 21./30. Januar 2003 Regelungen, die bei einer nachträglichen Befristung des Arbeitsverhältnisses typischerweise nicht geregelt zu werden pflegen. So ist in Ziff. 6.5 die Erteilung eines Zeugnisses und in Ziff. 6.7 bereits eine Abgeltungsklausel vereinbart. In Ziff. 7 wird auf die Leistungen aus dem bestehenden Sozialplan hingewiesen.

cc) Soweit die Vorinstanzen ihre abweichende Auffassung damit begründet haben, die Dauer der in der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" vereinbarten Fortführung des Arbeitsverhältnisses um 13 Monate übersteige die Kündigungsfrist der Klägerin um ein Vielfaches, haben sie nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses allein für die rechtliche Einordnung der Vereinbarung nicht maßgebend ist. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung des Vereinbarten. Dabei kann die verlängerte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durchaus ein Element eines Aufhebungsvertrags sein, weil der Arbeitgeber damit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumt, sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis um eine neue Stelle zu bewerben. Dies gilt insbesondere dann, wenn den Arbeitnehmer für die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur eingeschränkte oder sogar - wie hier - überhaupt keine Arbeitspflichten treffen. Die "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" enthält damit keine nachträgliche Befristung eines Arbeitsverhältnisses, sondern eine wirksame Beendigungsvereinbarung zum 29. Februar 2004. Deshalb ist nicht zu prüfen, ob die Vereinbarung vom 21./30. Januar 2003 mit den im Zuge des Personalabbaus geschlossenen Betriebsvereinbarungen in Einklang steht, denn diese schließen Aufhebungsverträge nicht aus.

II. Die Beendigungsvereinbarung in Ziff. 6.3 der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" könnte allerdings als sogenannte Überraschungsklausel nicht Vertragsinhalt geworden sein.

1. Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Weder erforderlich noch genügend ist es, wenn eine Bestimmung inhaltlich unbillig ist (Ulmer/Brandner/ Hensen AGB-Recht 10. Aufl. § 305c Rn. 12). Die Erwartungen des Vertragspartners werden von allgemeinen und individuellen Begleitumständen des Vertragsabschlusses bestimmt. Hierzu gehören ua. der Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrags (BGH 11. Dezember 2003 - III ZR 118/03 - NJW-RR 2004, 780). Das Überraschungsmoment kann sich auch aus dem ungewöhnlichen äußeren Zuschnitt einer Klausel oder ihrer Unterbringung an unerwarteter Stelle ergeben (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - AP ArbZG § 6 Nr. 8 = EzA ArbZG § 6 Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

2. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Regelung in Ziff. 6.3 der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" eine überraschende Klausel darstellen.

a) Für eine überraschende Klausel spricht, dass die nachträgliche Bitte der Klägerin um Übertritt in die beE von der Beklagten nur so verstanden werden konnte, dass der Übertritt zu denselben Bedingungen gewünscht war, wie sie in den Betriebsvereinbarungen vorgesehen und den Arbeitnehmern zugebilligt worden waren, die sich rechtzeitig für den Übertritt entschieden hatten. Unstreitig kannte die Klägerin die Betriebsvereinbarungen und die frühere Vertragsgestaltung und hatte diese mit ihrem Rechtsanwalt erörtert. Vor diesem Hintergrund ist die nunmehrige Vertragsgestaltung in der Vereinbarung der Parteien vom 21./30. Januar 2003 zu würdigen.

b) Die Überschrift "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" deutet nicht auf eine einvernehmliche Vertragsaufhebung.

Satz 1 der Präambel, wonach "das Ausscheiden des Mitarbeiters aus der Siemens AG und der Übertritt in eine beE geregelt" wird, könnte zwar eine gewisse Warnfunktion haben. Diese wird aber durch Satz 2 der Präambel relativiert, wonach "Grundlage für diesen Vertrag" die Betriebsvereinbarungen vom 23. Oktober 2002 sind, weil die den Sozialplan beinhaltende Betriebsvereinbarung in Ziff. 5.1 vorsieht, dass bei einem Übertritt in die beE das Arbeitsverhältnis als unbefristetes bestehen bleibt. Satz 1 der Präambel könnte deshalb auch als bloßer Hinweis darauf verstanden werden, dass der Übertritt zur beE keinen Dauerzustand begründen sollte, sondern dass für die Klägerin ein Ausscheiden jederzeit möglich sein sollte und dass - wie in den früheren Verträgen - eine Kündigung der Beklagten zum Ablauf der Garantiezeit in Aussicht gestellt werden sollte.

Auch die Überschrift von Ziff. 6 gibt keinen deutlichen Hinweis auf eine Aufhebungsvereinbarung, zumal sie gleichlautend mit der in den früheren Verträgen formuliert ist.

Der letzte Halbsatz von Ziff. 7., wonach die Sozialplanabfindung "auf die Verweildauer bis zum 29.02.2004 (Ziff. 6.1 dieses Vertrages)" gerechnet wird, vermag das Überraschungsmoment ebenfalls nicht zu beseitigen. Diese Klausel ist drucktechnisch ebenso wenig hervorgehoben wie die Beendigungsklausel in Ziff. 6.3.

Die äußere Form des Vertrages entspricht insgesamt der Form früheren Verträge über den Übertritt von Arbeitnehmern in die beE, wie die Klägerin sie kannte.

c) Ist danach im Grundsatz von einer nach den Umständen objektiv überraschenden Klausel auszugehen, kommt es darauf an, ob das Überraschungsmoment für die Klägerin dadurch beseitigt wurde, dass sie - wie die Beklagte behauptet und die Klägerin bestritten hat - vor Vertragsschluss auf die Aufhebungsvereinbarung besonders hingewiesen worden war.

Die Zeugin O hatte hinsichtlich der Besonderheit, dass in dem der Klägerin angebotenen Übertrittsvertrag der Ausscheidenstermin bereits festgelegt war, bekundet: "Es ging also gar nicht anders, als dass ich Frau V diese Änderung auch gesagt habe. Ich lüge Mitarbeiter nicht an ... Meine Mitteilung der Änderung an Frau V muss irgendwann im Januar gewesen sein, bevor es zur Unterschrift gekommen ist .... Vom Ablauf her muss es so gewesen sein, dass ich ihr den Ausscheidenstermin genannt habe, denn es hat keinen andere Möglichkeit mehr gegeben." Laut Protokoll hat der Vorsitzende erklärt, "dass die Kammer diese Zeugin für glaubwürdig halte". Unter diesen Umständen ist die nicht weiter begründete Feststellung im Berufungsurteil, die Klägerin habe bei ihren Verhandlungen mit der Beklagten - folge man den Bekundungen der Zeugin - keinen Hinweis auf diese Besonderheit erhalten, nicht nachvollziehbar. Es fehlt, wie die Revision mit Recht gerügt hat, an einer ausreichenden und widerspruchsfreien Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO. Diese wird - eventuell nach erneuter Beweisaufnahme - vom Berufungsgericht nachzuholen sein.

Ende der Entscheidung

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