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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.09.2009
Aktenzeichen: 6 AZR 369/08
Rechtsgebiete: InsO, ZPO
Vorschriften:
InsO § 89 | |
InsO § 114 Abs. 3 | |
InsO § 291 | |
InsO § 294 | |
InsO § 304 Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 850d |
2. Wird dem Schuldner des Verbraucherinsolvenzverfahrens Restschuldbefreiung nach § 291 InsO in Aussicht gestellt, kann auch in der Wohlverhaltensphase die Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung nicht betrieben werden. Dem steht das Vollstreckungsverbot des § 294 InsO entgegen.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 17. September 2009
In Sachen
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Fischermeier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Spelge sowie die ehrenamtlichen Richter Spiekermann und Sieberts für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 16. April 2008 - 3 Sa 551/07 - aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 27. Juni 2007 - 5 Ca 1447/06 - wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Unterhaltsansprüche nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Unterhaltsschuldners.
Die am 10. April 1991 geborene Klägerin ist die Tochter des Insolvenzschuldners, der Arbeitnehmer der Beklagten ist. Der Schuldner verpflichtete sich in einem vor dem Amtsgericht Bayreuth am 9. Januar 2006 geschlossenen Vergleich, der Klägerin ab dem 1. Dezember 2005 Unterhalt von monatlich 316,00 Euro sowie rückständigen Unterhalt aus der Zeit von Juli 2005 bis einschließlich November 2005 von insgesamt 1.500,00 Euro zu zahlen. Die nach dem zweiten Absatz der Ziff. 2 dieses Vergleichs zur Reduzierung des Unterhaltsrückstands auf 1.000,00 Euro erforderliche Zahlung erbrachte er ebenso wenig wie laufende Zahlungen auf die Unterhaltsansprüche der Klägerin bis einschließlich März 2006.
Mit dem der Beklagten am 28. März 2006 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 23. März 2006 ließ die Klägerin die Ansprüche des Schuldners gegen die Beklagte nach § 850d ZPO pfänden. Der Selbstbehalt des Schuldners wurde auf 690,00 Euro festgesetzt. In der Folgezeit überwies die Beklagte bis September 2006 neben dem laufenden monatlichen Unterhalt insgesamt 1.337,36 Euro auf die Unterhaltsrückstände des Schuldners an die Klägerin.
Am 7. September 2006 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Auf Antrag der Klägerin ist der Restanspruch aus der Unterhaltsvereinbarung von der Treuhänderin am 28. Juni 2007 zur Insolvenztabelle festgestellt worden. Zwischenzeitlich befindet sich der Schuldner in der Wohlverhaltensphase. Das Amtsgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 17. September 2007 die Restschuldbefreiung angekündigt. Nach Rechtskraft dieses Beschlusses hat es mit Beschluss vom 12. Oktober 2007 das Insolvenzverfahren aufgehoben. Im Insolvenzverfahren ist keine Zahlung auf die Unterhaltsrückstände erfolgt.
Seit Oktober 2006 überweist die Beklagte nur noch den laufenden Unterhalt an die Klägerin. Auf die noch offenen Unterhaltsrückstände sowie die Kosten der Zwangsvollstreckung von insgesamt 1.652,54 Euro nahm sie keine Zahlungen mehr vor.
Mit der am 24. November 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die in den Vorinstanzen von ihrer Mutter gesetzlich vertretene Klägerin die Zahlung der Unterhaltsrückstände durch die Beklagte. Die Klägerin hat dem Schuldner und dessen Treuhänderin den Streit verkündet, ohne dass diese dem Rechtsstreit beigetreten sind.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, § 89 Abs. 1 InsO erfasse nur während der Dauer des Insolvenzverfahrens bewirkte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Für bereits vor Verfahrenseröffnung erwirkte Lohnpfändungen gelte die Rechtsfolgenverweisung in § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 InsO auf § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO. Die Zwangsvollstreckung aus Unterhaltsansprüchen sei deshalb weiterhin zulässig und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bleibe wirksam, soweit davon der Teil der Bezüge erfasst sei, der für andere Gläubiger nicht pfändbar sei.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.652,54 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags geltend gemacht, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die Vollstreckung wegen aller vor Insolvenzeröffnung begründeten Unterhaltsansprüche unzulässig geworden. Bei einer Auslegung der Insolvenzordnung im Sinne der Klägerin bestehe die Gefahr, dass Unterhaltsgläubiger doppelt befriedigt würden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin konnte während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht mehr wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 23. März 2006 in die nach § 850d ZPO erweitert pfändbaren Bezüge des Schuldners betreiben. Auch während der gegenwärtig noch andauernden Wohlverhaltensphase ist die Zwangsvollstreckung wegen dieser Forderungen ausgeschlossen. Die Klage ist daher abzuweisen.
I. Die Klägerin ist im Laufe des Revisionsverfahrens volljährig geworden. Gemäß § 241 ZPO ist der Rechtsstreit gleichwohl ohne Unterbrechung fortgesetzt worden und in der Lage, in der er sich bei Eintritt der Volljährigkeit befand, auf die Klägerin übergegangen (OLG Zweibrücken 23. Mai 2000 - 5 UF 106/99 - OLGR Zweibrücken 2001, 133; Zöller/Greger ZPO 27. Aufl. § 241 Rn. 5). Die von der Mutter der Klägerin erteilte Prozessvollmacht ist wirksam geblieben (OLG Karlsruhe 1. März 2004 - 16 WF 221/03 - FamRZ 2005, 49; Zöller/Greger aaO.).
II. Die Klage ist zulässig, weil die Klägerin für sich eine Ausnahme von den in der Insolvenz geltenden Vollstreckungsverboten in Anspruch nimmt (vgl. für die Abgrenzung von zulässigen und unzulässigen Leistungsklagen gegen den Insolvenzverwalter Senat 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 14, BAGE 124, 150 in Abgrenzung zu BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1).
III. Aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 23. März 2006 kann nach der Insolvenzeröffnung die Zwangsvollstreckung in die nach § 850d ZPO erweitert pfändbaren Bezüge des Schuldners wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung nicht mehr betrieben werden (§ 89 Abs. 1 InsO). Die Klägerin konnte deshalb während des laufenden Insolvenzverfahrens nur noch wegen ihrer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Unterhaltsforderungen in die erweitert pfändbaren Bezüge des Schuldners vollstrecken. Als Insolvenzgläubigerin unterlag sie ungeachtet ihres Vorrechts aus § 850d ZPO mit den Unterhaltsrückständen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung allen insolvenzrechtlichen Beschränkungen der Einzelvollstreckung.
1. Es ist der Klägerin allerdings nicht bereits aufgrund der Anerkennung der streitigen Unterhaltsrückstände zur Insolvenztabelle verwehrt, weiter aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu vollstrecken. Durch den Auszug aus der Tabelle, aus dem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (§ 201 Abs. 2 InsO), wird zwar der frühere Titel "aufgezehrt", wenn der Feststellung nicht widersprochen oder der erhobene Widerspruch beseitigt worden ist (BGH 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04 - Rn. 9, NJW 2006, 2922). Dies kann jedoch nur der Schuldner selbst einwenden, nicht aber die Beklagte als Drittschuldnerin. Es kann daher dahinstehen, ob die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Ursprungstitel nach § 767 ZPO oder nach § 766 ZPO geltend gemacht werden müsste (zum Streitstand Depré in HK-InsO 5. Aufl. § 201 Rn. 7; Uhlenbruck InsO 12. Aufl. § 201 Rn. 9; MünchKommInsO/Bitter 2. Aufl. § 45 Rn. 45; vgl. auch BGH 1. Dezember 2005 - IX ZR 95/04 - Rn. 10, NZI 2006, 173). Solange der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht aufgehoben worden ist, könnte die Klägerin weiterhin aus ihm vollstrecken.
2. Aus § 114 Abs. 3 InsO, der gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO auch in der Verbraucherinsolvenz Anwendung findet, ergibt sich, in welchem Umfang Lohnpfändungen auch künftiger Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch wirksam sind. Nur insoweit ist eine erreichte Sicherung abweichend von § 91 Abs. 1 InsO privilegiert (BGH 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07 - Rn. 16, NZI 2008, 563). Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkte Pfändungspfandrechte werden grundsätzlich gemäß § 114 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO spätestens mit Ablauf des auf die Eröffnung folgenden Kalendermonats unwirksam (BGH 12. Oktober 2006 - IX ZR 109/05 - Rn. 6, NZI 2007, 39). Abweichend davon bestimmt § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO, dass vor Insolvenzeröffnung erwirkte Vollstreckungsmaßnahmen von Unterhalts- und Deliktsgläubigern in den erweitert pfändbaren Teil der Bezüge wirksam bleiben. Ein vor Insolvenzeröffnung zugestellter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss behält danach seine Wirkung, soweit er nach Insolvenzeröffnung entstandene Unterhaltsforderungen erfasst. § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 InsO ist - anders als die Klägerin meint - keine bloße Rechtsfolgenverweisung, sondern soll den Gleichklang zwischen vor und nach Insolvenzeröffnung erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen herstellen. Unterhaltsgläubiger, die bereits vor Insolvenzeröffnung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt haben, werden hinsichtlich der Unterhaltsrückstände nicht privilegiert. Rückständige Unterhaltsansprüche können ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann nicht mehr im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vor Eröffnung der Insolvenz zugestellt worden ist (vgl. Keller NZI 2007, 143, 145 f., 149).
a) Unterhaltsrückstände aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Insolvenzforderungen (BGH 23. Februar 2005 - XII ZR 114/03 - zu III 3 d der Gründe, BGHZ 162, 234; MünchKommInsO/Schumann 2. Aufl. § 40 Rn. 15). Sie sind daher nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätzen und nicht durch Einzelvollstreckung zu befriedigen. Dagegen sind Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Verfahrenseröffnung gemäß § 40 InsO nur dann Insolvenzforderungen, wenn der Schuldner als Erbe haftet. In allen anderen Fällen sind die Unterhaltsberechtigten mit diesen Forderungen Neugläubiger, die am Insolvenzverfahren nicht beteiligt sind. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich an der Regelung des § 3 Abs. 2 KO festgehalten. Allerdings konnten nach der Konkursordnung die Unterhaltsgläubiger wegen ihrer laufenden Unterhaltsansprüche auf den Neuerwerb des Schuldners, insbesondere sein Arbeitseinkommen, zugreifen (RT-Drucks. 9/100, Begründung zu § 2 des Gesetzes betreffend Änderungen der Konkursordnung vom 26. Januar 1898). Diese Möglichkeit besteht durch die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse nach § 35 InsO nicht mehr (BGH 27. September 2007- IX ZB 16/06 - Rn. 10, NZI 2008, 50). Insoweit hat sich im Vergleich zum früheren Recht die Rechtsstellung der Unterhaltsgläubiger hinsichtlich der Befriedigung ihres laufenden Unterhalts verschlechtert.
Soweit sie Neugläubiger sind, haben die Unterhaltsgläubiger jedoch während des laufenden Insolvenzverfahrens Zugriff auf das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners, dh. auf die Differenz zwischen der Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO und dem dem Schuldner zu belassenden Existenzminimum nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO. Wegen der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Unterhaltsansprüche kann bereits während des Insolvenzverfahrens in diesen nicht zur Insolvenzmasse gehörenden, erweitert pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens vollstreckt werden. Für erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ergibt sich dies aus § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO, für die bereits vor Eröffnung des Verfahrens erwirkten aus § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 InsO unter Verweis auf § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO. Dieser zusätzliche Vollstreckungszugriff ist den Gläubigern rückständiger Unterhaltsansprüche, die als Insolvenzgläubiger ohnehin an der gemeinschaftlichen Befriedigung im Insolvenzverfahren beteiligt sind, dagegen nicht eröffnet (BGH 27. September 2007 - IX ZB 16/06 - Rn. 10 f., NZI 2008, 50; 20. Dezember 2007 - IX ZB 280/04 - Rn. 7, FamRZ 2008, 684; BT-Drucks. 12/2443 S. 124, 137 f., 150 f.; MünchKommInsO/Breuer 2. Aufl. § 89 Rn. 7, 36). Sie sind auf die Befriedigung aus der Insolvenzmasse verwiesen.
Die Privilegierungen des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO und § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 InsO erfassen nach der Rechtsprechung des BGH also nur Neugläubiger von laufenden Unterhaltsansprüchen, nicht aber Unterhaltsgläubiger, die wie die Klägerin mit rückständigen Unterhaltsansprüchen als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren teilnehmen (BGH st. Rspr. seit 27. September 2007 - IX ZB 16/06 - NZI 2008, 50; zuletzt 20. Dezember 2007 - IX ZB 280/04 - Rn. 4, FamRZ 2008, 684). Entgegen der Auffassung der Klägerin kann § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 InsO nicht die Wertentscheidung entnommen werden, das Vollstreckungsprivileg des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO über die Neugläubiger hinaus sämtlichen Unterhalts- und Deliktsgläubigern zugute kommen zu lassen (BGH 27. September 2007 - IX ZB 16/06 - Rn. 11, aaO.).
b) Für die Vollstreckung von rückständigen Unterhaltsforderungen im laufenden Insolvenzverfahren ist, anders als die Klägerin meint, nicht danach zu differenzieren, ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vor oder nach Eröffnung der Insolvenz zugestellt worden ist. Auf solche oft zufälligen Vorsprünge einzelner Insolvenzgläubiger soll es nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht ankommen (BT-Drucks. 12/2443 S. 150 f.). Vielmehr ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Gründen der Gleichbehandlung aller Gläubiger eine Einzelvollstreckung wegen Unterhaltsforderungen, die Insolvenzforderungen sind, grundsätzlich untersagt (vgl. BGH 27. September 2007 - IX ZB 16/06 - Rn. 13, NZI 2008, 50). Die Klägerin berücksichtigt nicht, dass auch ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der sich ua. auf künftige Entgeltforderungen bezieht, hinsichtlich dieser künftigen Forderungen jeweils erst mit Entstehen des Anspruchs auf Vergütung der geleisteten Dienste Wirksamkeit entfaltet. Eine Forderungspfändung ist zwar grundsätzlich mit der Zustellung des Beschlusses als bewirkt anzusehen (§ 829 Abs. 3 ZPO). Soweit sich die Pfändung auf eine künftige Entgeltforderung bezieht, wird das Pfandrecht für diese künftige Forderung jedoch erst mit deren Entstehung, dh. nach Erbringung der Dienstleistung, begründet (BGH 22. Januar 2004 - IX ZR 39/03 - BGHZ 157, 350; 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07 - Rn. 13, NZA 2009, 110). Bis dahin geht die Pfändung ins Leere. Deshalb besteht kein Grund für die von der Klägerin erstrebte Privilegierung der Unterhaltsrückstände als Insolvenzforderungen allein wegen des Umstands, dass die Pfändung bereits vor Insolvenzeröffnung erwirkt worden ist.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung widerspricht auch dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger, der die Verdrängung der Einzelvollstreckung durch die Gesamtvollstreckung zur Folge hat. Mit ihren Ansprüchen auf rückständigen Unterhalt aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung ist die Klägerin Insolvenzgläubigerin und auf die gemeinschaftliche Befriedigung im Insolvenzverfahren verwiesen.
IV. Auch in der aktuell noch andauernden Wohlverhaltensphase kann die Klägerin wegen des rückständigen Unterhalts nicht aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 23. März 2006 vollstrecken. Das ergibt sich aus § 294 InsO.
Das Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 InsO verhindert, dass sich in der Wohlverhaltensphase die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger untereinander verschieben. Auch soll der Neuerwerb des Schuldners, soweit er nicht nach § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetreten oder an diesen nach § 295 InsO herauszugeben ist, dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen sein. Der erweitert pfändbare Teil des Arbeitseinkommens wird von der Abtretung an den Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren nicht erfasst, weil § 850d ZPO in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, aus dem sich der Umfang der Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO ergibt, nicht aufgeführt ist (FK-InsO/Ahrens 5. Aufl. § 287 Rn. 59). § 294 InsO dient damit ähnlichen Zwecken wie das Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO (BGH 21. Juli 2005 - IX ZR 115/04 - zu II 2 b cc der Gründe, BGHZ 163, 391). Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger soll in der Wohlverhaltensphase nur durch den Treuhänder erfolgen. Ebenso wie im Insolvenzverfahren ist deshalb in der Wohlverhaltensphase die Einzelvollstreckung ausgeschlossen (Landfermann in HK-InsO 5. Aufl. § 294 Rn. 1 f.).
Die Klägerin kann lediglich mit den nach Insolvenzeröffnung entstandenen Unterhaltsforderungen als Neugläubigerin die Individualvollstreckung betreiben. Auch während der Wohlverhaltensphase kann sie insoweit ungeachtet der Abtretung an den Treuhänder auf die erweitert pfändbaren Bezüge des Streitverkündeten zugreifen (Landfermann in HK-InsO 5. Aufl. § 294 Rn. 11).
V. Es kann dahinstehen, ob die noch offenen Kosten für die Erwirkung und Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von 225,90 Euro Teil des Unterhaltsrückstands oder eine eigenständige Forderung sind. In jedem Fall handelt es sich bei diesen Kosten um eine Insolvenzforderung, wegen der die Klägerin weder während des Insolvenzverfahrens noch während der Wohlverhaltensphase die Zwangsvollstreckung betreiben kann.
VI. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Ende der Entscheidung
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