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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.08.1998
Aktenzeichen: 6 AZR 787/96
Rechtsgebiete: BAT, BhV 1985
Vorschriften:
BAT § 40 | |
BhV vom 19. April 1985 § 6 Abs. 1 Nr. 7 | |
BhV vom 19. April 1985 § 9 | |
BhV vom 19. April 1985 § 17 Abs. 9 |
Unter die durch § 40 Satz 2 BAT in der Fassung des 66. Änderungstarifvertrags zum BAT vom 24. April 1991 von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenen Aufwendungen bei dauernder Anstaltsunterbringung (§ 9 BhV in der am 1. April 1991 geltenden Fassung) fallen nur die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, nicht aber die Pflegekosten.
Aktenzeichen: 6 AZR 787/96 Bundesarbeitsgericht 6. Senat Urteil vom 06. August 1998 - 6 AZR 787/96 -
I. Arbeitsgericht Hannover - 10 Ca 242/94 - Urteil vom 12. Dezember 1995
II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen - 16a Sa 285/96 - Urteil vom 12. September 1996
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Nein Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Beihilfe - Kosten dauernder Anstaltsunterbringung
Gesetz: BAT § 40; Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (BhV) vom 19. April 1985 § 6 Abs. 1 Nr. 7, § 9, § 17 Abs. 9
16a Sa 285/96 Niedersachsen
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 6. August 1998
Backes, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. August 1998 durch den Vizepräsidenten Dr. Peifer, den Richter Dr. Armbrüster und die Richterin Gräfl sowie die ehrenamtlichen Richter Bruse und Dr. Pühler für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 12. September 1996 - 16a Sa 285/96 - aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Beihilfeansprüche der Klägerin zu Pflegekosten für die dauernde Unterbringung ihres Ehemannes in einem Pflegeheim.
Die Klägerin ist Angestellte im niedersächsischen Landesamt für Straßenbau. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Vorschriften des BAT. Der Ehemann der Klägerin befindet sich seit dem 29. April 1992 wegen ärztlich festgestellter dauernder Pflegebedürftigkeit im Seniorenheim Sonnenblick. Der Pflegekostenanteil - bestehend aus der Differenz zwischen dem Gesamtpflegesatz und den Kosten für die Altenheimunterbringung - belief sich im Zeitraum vom 29. April 1992 bis 31. März 1995 auf DM 24.756,67. Die Zahlung dieses Betrages begehrt die Klägerin mit der vorliegenden Klage.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Pflegekosten seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (im folgenden: BhV) in der bis 31. März 1995 geltenden Fassung beihilfefähig. Dies habe den Ausführungshinweisen des Bundesministers des Innern (BMI) zu § 9 BhV und des niedersächsischen Finanzministers wie auch der Abrechnungspraxis des niedersächsischen Landesverwaltungsamtes im Rahmen der Beamtenversorgung entsprochen. Die Beihilfefähigkeit der Pflegekosten richte sich nicht nach § 9 BhV. Diese Bestimmung beziehe sich nur auf die sog. "Hotelkosten", d. h. auf die Kosten für Unterbringung und Verpflegung. Nur diese, nicht aber die Pflegekosten seien somit nach § 40 Satz 2 BAT von der Beihilfefähigkeit ausgenommen.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin DM 24.756,67 nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 1995 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, im streitgegenständlichen Zeitraum seien sämtliche Kosten für die dauernde Unterbringung in einem Pflegeheim nach § 9 BhV beihilfefähig gewesen und daher von der Ausschlußregelung des § 40 Satz 2 BAT erfaßt. § 6 BhV beziehe sich nur auf Krankenhausbehandlung und häusliche Pflege. § 9 BhV baue auf diesen Leistungen auf, um Beamten zusätzlich auch in Fällen dauernder Pflegebedürftigkeit Beihilfe zu den Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu gewähren. Ein eigenständiger Anspruch auf Erstattung der Pflegekosten werde dadurch nicht geschaffen. Die Hinweise des BMI und des niedersächsischen Finanzministers zu § 9 BhV bezögen sich nicht pauschal auf "Pflegekosten", sondern auf die in den Beihilfevorschriften enthaltenen Anspruchsgrundlagen. Die Klägerin habe aber keinen Beihilfeanspruch gemäß § 6 BhV, so daß für das Klagebegehren keine Anspruchsgrundlage bestehe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die gesamten Aufwendungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit seien § 9 BhV in der bis 31. März 1995 geltenden Fassung zuzuordnen. Dies sei zwar dem Wortlaut der Vorschriften der §§ 6 und 9 BhV nicht eindeutig zu entnehmen. Ausdrücklich seien die Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung in den Beihilfevorschriften überhaupt nicht erwähnt. § 6 Abs. 1 Nr. 6 BhV erfasse Krankenhausleistungen, § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV die häusliche Pflege, § 9 BhV beziehe sich, wie sich aus seiner Überschrift ergebe, auf die Aufwendungen bei dauernder Anstaltsunterbringung. Inhaltlich verweise § 9 Abs. 1 auf § 6 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 verweise wiederum auf § 9 BhV. Allerdings spreche die Entstehungsgeschichte der Vorschriften dafür, sämtliche Aufwendungen bei einem dauernden Heimaufenthalt wegen Pflegebedürftigkeit der Regelung in § 9 BhV zuzuordnen. Ursprünglich seien solche Aufwendungen auch für Beamte nicht beihilfefähig gewesen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1965 (- VIII C 63.63 - BVerwGE 22, 160), wonach die Fürsorgepflicht des Dienstherrn es gebietet, Beamten Beihilfe auch für derartige Aufwendungen zu gewähren, sei Anlaß gewesen, in die damaligen Beihilfevorschriften eine Nr. 4 a einzufügen, die im wesentlichen dem späteren § 9 BhV entsprochen habe. Diese historische Entwicklung zeige, daß der Gesamtaufwand im Falle dauernder Pflegebedürftigkeit unter § 9 BhV falle. Zwar enthalte § 9 BhV in erster Linie nur eine ausdrückliche Regelung der reinen "Hotelkosten" und erwähne "andere beihilfefähige Aufwendungen" nur beiläufig. Die Ursache dieser unscharfen Abgrenzung zwischen §§ 6 und 9 BhV liege darin, daß beide Vorschriften die Folge von Krankheit regelten. Die Entwicklung, die Kosten der Pflege und der medizinischen Behandlung deutlicher voneinander abzugrenzen, sei erst wenige Jahre alt und habe letztlich zur Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung geführt. Da jedoch nach dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip eine auch die Pflegekosten umfassende Leistung des Dienstherrn zwingend geboten gewesen sei, habe es einer exakten Abgrenzung der verschiedenen Leistungstatbestände nicht bedurft. Dieses Ergebnis werde bestätigt durch die Neufassung der Beihilfevorschriften zum 1. April 1995. Nunmehr sei klargestellt, daß die Aufwendungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit ausschließlich nach § 9 beihilfefähig seien. In dieser Klarstellung sei eine nahtlose Fortentwicklung der Beihilfevorschriften seit 1965 zu sehen. Der geltend gemachte Anspruch sei deshalb gemäß § 40 Satz 2 BAT nicht beihilfefähig. Es könne daher offenbleiben, ob die Beihilfe von der Klägerin rechtzeitig beantragt wurde.
II. Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen. Die aus Anlaß einer dauernden Anstaltsunterbringung wegen Pflegebedürftigkeit entstehenden Pflegekosten fallen nicht unter § 9 BhV in der bis 31. März 1995 geltenden Fassung, so daß der Ausschlußtatbestand des § 40 Satz 2 BAT nicht greift.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß sich die Behilfeansprüche der Klägerin nach den BhV richten.
Gemäß § 40 Satz 1 BAT werden für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie von Unterstützungen die bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen angewendet. Aufwendungen im Sinne des § 9 der Beihilfevorschriften (Bund) sind nach § 40 Satz 2 BAT in der ab 1. April 1991 geltenden Fassung des 66. Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991 nicht beihilfefähig. Gemäß § 1 des Beihilfetarifvertrages vom 26. Mai 1964 für die Angestellten, Lehrlinge und Anlernlinge des Landes Niedersachsen erhalten diese in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Beihilfe in sinngemäßer Anwendung der für die Beamten des Landes Niedersachsen jeweils geltenden Beihilfevorschriften. Dies sind gemäß § 87 Abs. 3 NBG die für die Beamten des Bundes geltenden Vorschriften, somit die BhV. Der Beihilfetarifvertrag wurde zwar zum 30. September 1970 gekündigt. Da das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat, seit wann die Klägerin beim beklagten Land beschäftigt ist, kann nicht beurteilt werden, ob der Tarifvertrag kraft Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Dies mag jedoch dahinstehen, denn das beklagte Land zahlt Beihilfe nicht nur an Angestellte, deren Arbeitsverhältnisse von der Nachwirkung des Tarifvertrages erfaßt werden, sondern auch an die übrigen Angestellten. Der Beihilfetarifvertrag ist deshalb eine bei dem beklagten Land "geltende Bestimmung" im Sinne des § 40 Satz 1 BAT. Für diesen Begriff ist nicht die Rechtsqualität der Vorschriften, auf die verwiesen wird, entscheidend, sondern allein ihre rechtliche Geltung, die auch durch eine tatsächliche Anwendung begründet werden kann, die, wie hier, über den Gleichbehandlungsgrundsatz Ansprüche entstehen läßt (Senatsurteil vom 5. November 1992 - 6 AZR 311/91 - BAGE 71, 320 = AP Nr. 7 zu § 40 BAT, m.w.N.).
Das beklagte Land stellt die Beihilfeberechtigung der Klägerin als solche auch nicht in Abrede.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fallen die geltend gemachten Pflegekosten jedoch nicht unter § 9, sondern unter § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV in der bis 31. März 1995 geltenden Fassung. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen.
a) Die in Betracht kommenden Regelungen der Beihilfevorschriften lauten in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung vom 10. Dezember 1991 wie folgt:
"§ 6
Beihilfefähige Aufwendungen bei Krankheit
(1) Aus Anlaß einer Krankheit sind beihilfefähig die Aufwendungen für
...
7. eine nach ärztlicher Bescheinigung notwendige häusliche Pflege bis zur Höhe der Kosten für eine vollbeschäftigte Berufspflegekraft. Bei einer Pflege durch Ehegatten, Kinder, Eltern, Großeltern, Enkelkinder, Schwiegersöhne, Schwiegertöchter, Schwäger, Schwägerinnen, Schwiegereltern und Geschwister des Beihilfeberechtigten oder des berücksichtigungsfähigen Angehörigen sind die folgenden Aufwendungen beihilfefähig:
a) Fahrtkosten (Nummer 9),
b) eine für die Pflege gewährte Vergütung bis zur Höhe des Ausfalles an Arbeitseinkommen, wenn wegen der Ausübung der Pflege eine mindestens halbtägige Erwerbstätigkeit aufgegeben wird; eine an Ehegatten und Eltern des Pflegebedürftigen gewährte Vergütung ist nicht beihilfefähig.
Im übrigen wird für die ständige häusliche Pflege durch eine der in Satz 2 genannten Personen eine Beihilfe von 400,--DM gewährt, wenn beim Pflegebedürftigen nach dem Zeugnis eines Amts- oder Vertrauensarztes die Voraussetzungen für eine dauernde Unterbringung nach § 9 vorliegen und diese durch eine häusliche Pflege vermieden wird, der notwendige Einsatz einer Berufs- oder Ersatzpflegekraft entfällt und keine oder keine höhere Beihilfe nach Satz 2 Buchstabe b zusteht. Satz 3 gilt nicht, wenn aus demselben Anlaß aufgrund gesetzlicher Ansprüche häusliche Pflegehilfe oder an deren Stelle eine Geldleistung zusteht,
...
§ 9
Beihilfefähige Aufwendungen bei dauernder Anstaltsunterbringung
(1) Aus Anlaß einer wegen Pflegebedürftigkeit notwendigen dauernden Unterbringung körperlich oder geistig Kranker in Kranken-, Heil- oder Pflegeanstalten sowie Pflegeheimen sind neben anderen beihilfefähigen Aufwendungen abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 6 die Kosten für Unterkunft und Verpflegung bis zum niedrigsten Satz in den für die Unterbringung in Betracht kommenden öffentlichen oder freien gemeinnützigen Anstalten oder Pflegeheimen am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung insoweit beihilfefähig, als sie monatlich folgende Beträge übersteigen
..."
b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffenderweise ausgeführt hat, erwähnen beide Vorschriften die Pflegekosten, die bei dauernder Anstaltsunterbringung entstehen, nicht. § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV nennt nur die Kosten der häuslichen Pflege, § 9 BhV bezeichnet ausdrücklich die Kosten für Unterkunft und Verpflegung als diejenigen, die "neben anderen beihilfefähigen Aufwendungen" unter bestimmten, in der Vorschrift genannten Voraussetzungen und in begrenzter Höhe beihilfefähig sind. Daraus ist zu entnehmen, daß § 9 BhV nur die Anspruchsgrundlage für die Beihilfe zu den Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung bildet, nicht aber für andere Aufwendungen. Für diese ist § 9 BhV nicht rechtsbegründend, vielmehr setzt die Vorschrift, wie sich aus dem Einschub "neben anderen beihilfefähigen Aufwendungen" ergibt, voraus, daß im Falle dauernder Anstaltsunterbringung wegen Pflegebedürftigkeit - außer den Kosten für Unterkunft und Verpflegung - weitere Aufwendungen entstehen, die nach anderen Anspruchsgrundlagen außerhalb des § 9 beihilfefähig sind.
Daraus, daß die Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung in den Beihilfevorschriften ausdrücklich an keiner Stelle erwähnt wurden, kann jedoch nicht geschlossen werden, daß die Beihilfefähigkeit dieser Kosten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht geregelt war. Dieser Annahme steht entgegen, daß der Dienstherr seinen Beamten aufgrund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (§ 79 BBG) Beihilfe auch zu solchen Leistungen zu gewähren hat (BVerwG Urteil vom 7. Oktober 1965 - VIII C 63.63 - BVerwGE 22, 160) und die Beihilfevorschriften als Konkretisierung der Fürsorgepflicht grundsätzlich eine abschließende Regelung enthalten (BVerwG Urteil vom 21. Januar 1982 - 2 C 46.81 - BVerwGE 64, 333, 343; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, Stand August 1998, § 79 Rz 11 c). Davon ist auch der Bundesminister des Innern ausgegangen, der die BhV erlassen hat. Dies ergibt sich aus den Hinweisen, die er dazu erlassen hat. Ihnen ist zu entnehmen, daß die Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach § 9 BhV, sondern nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV beihilfefähig waren.
Bei der Auslegung der Beihilfevorschriften kommt den Hinweisen des BMI maßgebliche Bedeutung zu. Die Verweisung im Beihilfetarifvertrag auf die für die Beamten des Landes Niedersachsen und damit gemäß § 87 Abs. 3 NBG auf die für Bundesbeamte geltenden Beihilfevorschriften erfaßt auch die Hinweise des Bundesministers des Innern, denn die Gewährung von Beihilfe an Angestellte soll nach denselben Verwaltungsvorschriften erfolgen, die auch für die Beihilfe der Beamten gelten. Daher sind auch die die Beihilfevorschriften ergänzenden Erläuterungen, Verfügungen und Verwaltungsanordnungen zu berücksichtigen (st. Rspr. vgl. Senatsurteile vom 9. Oktober 1991 - 6 AZR 340/89 - n.v.; vom 2. April 1992 - 6 AZR 493/90 - AP Nr. 6 zu § 40 BAT; vom 1. Dezember 1994 - 6 AZR 507/94 - n.v.).
Der Hinweis Nr. 1 zu § 9 Abs. 1 BhV in der Fassung vom 10. Dezember 1991 verweist hinsichtlich des Begriffs der Pflegebedürftigkeit auf § 6 Abs. 1 Nr. 7, Hinweis Nr. 4 zu § 9 Abs. 1 in der Fassung vom 10. Dezember 1991 lautet wie folgt:
"Für die Berechnung der beihilfefähigen Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung bleiben die nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 beihilfefähigen Pflegekosten unberücksichtigt. Werden die Kosten für Unterkunft und Verpflegung von der Pflegeeinrichtung bei der Berechnung des Pflegesatzes nicht besonders nachgewiesen, so sind hierfür 80 v. H. des Pflegesatzes anzusetzen."
Der Hinweis Nr. 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV in der Fassung vom 10. Dezember 1991 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"3. Bis zur Höhe der Kosten einer Berufspflegekraft sind nach Maßgabe einer ärztlichen Verordnung beihilfefähig die Aufwendungen für
3.1 die Pflege in einem konzessionierten Tagespflegeheim. ...
3.2 Stellt das Tagespflegeheim einen Pauschalsatz in Rechnung und werden die Aufwendungen für die Pflege nicht besonders angegeben, sind 50 v. H. des Pauschalsatzes als Pflegekosten anzusetzen,
3.2 eine vorübergehende Pflege in einer Pflegeeinrichtung. Neben den Pflegekosten sind auch die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 - ohne Ansatz eines Selbstbehaltes - beihilfefähig,
3.3 eine vorübergehende Pflege einer in einem Altenheim nicht wegen Pflegebedürftigkeit wohnenden Person. Beihilfefähig ist ein zu den allgemeinen Unterbringungskosten erhobener Pflegezuschlag. Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 sind nicht beihilfefähig."
Der Hinweis Nr. 4 zu § 9 BhV bestimmt seinem Wortlaut nach zwar nicht ausdrücklich, daß die in der Pflegeeinrichtung anfallenden Pflegekosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV beihilfefähig sind, sondern, daß nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV beihilfefähige Pflegekosten bei der Berechnung der Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung unberücksichtigt bleiben. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV in der Fassung vom 10. Dezember 1991 sind aber ausdrücklich nur Kosten für die häusliche Pflege beihilfefähig sowie nach den hierzu ergangenen Hinweisen Nr. 3.2 und 3.3 die Aufwendungen für eine vorübergehende Pflege in einer Pflegeeinrichtung. Da Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung hierunter jedoch nicht fallen, wäre der Hinweis Nr. 4 zu § 9 BhV, soweit er die Pflegekosten bezeichnet, im Falle dauernder Anstaltsunterbringung ohne Sinn. Der Hinweis Nr. 4 zu § 9 kann daher nur so verstanden werden, daß die Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung, ebenso wie die bei häuslicher Pflege, nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV beihilfefähig sein sollten.
Dies war in den Hinweisen zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV in der früheren Fassung vom 19. September 1989 auch ausdrücklich bestimmt. § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV lautete wie folgt:
"(1) Aus Anlaß einer Krankheit sind beihilfefähig die Aufwendungen für
...
7. eine nach ärztlicher Bescheinigung notwendige häusliche Pflege. Bei einer Pflege durch nahe Angehörige (§ 5 Abs. 4 Nr. 6) sind die folgenden Aufwendungen beihilfefähig
a) Fahrtkosten (Nummer 9)
b) Eine für die Pflege gewährte Vergütung bis zur Höhe des Ausfalles an Arbeitseinkommen, wenn wegen der Ausübung der Pflege eine mindestens halbtägige Erwerbstätigkeit aufgegeben wird; eine an Ehegatten und Eltern des Pflegebedürftigen gewährte Vergütung ist nicht beihilfefähig.
Im übrigen wird für die ständige häusliche Pflege durch einen nahen Angehörigen eine Beihilfe von 400,-- DM monatlich gewährt, wenn beim Pflegebedürftigen nach dem Zeugnis eines Amts- oder Vertrauensarztes die Voraussetzungen für eine dauernde Unterbringung nach § 9 vorliegen und diese durch eine häusliche Pflege vermieden wird, der notwendige Einsatz einer Berufs- oder Ersatzpflegekraft entfällt und keine oder keine höhere Beihilfe nach Satz 2 Buchstabe b zusteht. Satz 3 gilt nicht, wenn aus demselben Anlaß aufgrund gesetzlicher Ansprüche häusliche Pflegehilfe oder an deren Stelle eine Geldleistung gewährt wird."
Der Hinweis Nr. 1 zu dieser Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV lautete auszugsweise wie folgt:
"1. ...
Pflegekosten sind beihilfefähig, wenn die Pflege durch den Arzt begründet ist,
...
1.2 bei dauernder Anstaltsunterbringung (vgl. Hinweise Nr. 4 und 5 zu § 9 Abs. 1)."
Der hier allein interessierende Hinweis Nr. 4 zu § 9 entsprach auch damals schon dem Hinweis Nr. 4 zu § 9 BhV in der Fassung vom 10. Dezember 1991. Gleichlautend waren auch schon die Hinweise Nr. 1.2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 4 zu § 9 BhV in der Fassung vom 19. April 1985. Bei beiden Vorgängerregelungen korrespondierte somit der Hinweis Nr. 4 zu § 9 mit dem Hinweis Nr. 1.2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV in Bezug auf die Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung. Daraus ergibt sich, daß diese Kosten § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV zuzuordnen waren. Dies gilt auch für den streitgegenständlichen Zeitraum. Zwar fehlt für die BhV in der hier maßgeblichen Fassung vom 10. Dezember 1991 ein dem Hinweis Nr. 1.2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV in den Fassungen vom 19. April 1985 und vom 19. September 1989 entsprechender Hinweis. Die Beihilfevorschriften in der Fassung vom 10. Dezember 1991 haben jedoch hinsichtlich der Kosten bei dauernder Anstaltsunterbringung keinerlei Änderung gegenüber den Vorgängerregelungen bewirkt, vielmehr sind § 9 BhV sowie der Hinweis Nr. 4 zu § 9 BhV einschließlich der Bezugnahme auf "die nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 beihilfefähigen Pflegekosten" unverändert geblieben. Dies bedeutet, daß die Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung nach wie vor nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV beihilfefähig sein sollten.
c) Dem steht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 9 BhV nicht entgegen. Aus ihr folgt nicht, daß sämtliche durch die dauernde Anstaltsunterbringung verursachten Kosten - einschließlich der Pflegekosten - im streitgegenständlichen Zeitraum unter § 9 BhV fielen. Die Bestimmung ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1965 (aaO) zurückzuführen. Sie entspricht inhaltlich im wesentlichen der auf Grund dieses Urteils durch allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 28. Februar 1967 (GMBl. 1967, 124) in die Beihilfevorschriften vom 28. Oktober 1965 eingefügten Nummer 4 a. Zwar wäre es möglich gewesen, die Beihilfefähigkeit der gesamten durch die dauernde Anstaltsunterbringung entstehenden Aufwendungen in dieser Vorschrift zu regeln, zumal das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung ausdrücklich auch die Beihilfefähigkeit der Pflegekosten anerkannt hat. Dies ist jedoch nicht geschehen, denn auch Nr. 4 a der Beihilfevorschriften in der Fassung vom 28. Februar 1967 erfaßte, ebenso wie der spätere § 9 BhV, nur die Kosten für Unterkunft und Verpflegung.
Da die Pflegekosten bei dauernder Anstaltsunterbringung somit im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 BhV und nicht nach § 9 BhV beihilfefähig waren, werden sie vom Ausschlußtatbestand des § 40 Satz 2 BAT nicht erfaßt.
d) Dies entspricht auch dem Willen der Tarifvertragsparteien, wie sich aus den Umständen beim Abschluß des 66. Änderungstarifvertrags zum BAT vom 24. April 1991 ergibt. Die Tarifvertragspartner haben dabei einvernehmlich erklärt, die Ergänzung des § 40 beziehe sich auf § 9 der Beihilfevorschriften des Bundes nach dem Stande vom 1. April 1991 (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Juli 1998, § 40 Er. 5 i). § 9 BhV in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung vom 19. September 1989 betraf nur die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Nur diese haben die Tarifvertragsparteien deshalb durch § 40 Satz 2 BAT von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen (so auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO; a.A. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Juni 1998, § 40 Rz 4 c).
2. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, da das Landesarbeitsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die Klägerin die Beihilfe rechtzeitig gemäß § 17 Abs. 9 BhV beantragt hat, bislang nicht getroffen hat. Der Rechtsstreit war deshalb zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.
Ende der Entscheidung
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