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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 05.06.2002
Aktenzeichen: 7 ABR 17/01
Rechtsgebiete: BetrVG 1972
Vorschriften:
BetrVG 1972 § 47 Abs. 1 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS
Verkündet am 5. Juni 2002
In dem Beschlußverfahren
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 5. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Steckhan, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und die ehrenamtlichen Richter Dr. Koch und Herbst beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2001 - 4 TaBV 67/00 - werden zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der bei der K AG, vormals Ka AG, errichtete Gesamtbetriebsrat (Beteiligter zu 2) bei der zu 3) beteiligten jetzigen Arbeitgeberin, der Karstadt Warenhaus AG, fortbesteht.
Die Arbeitgeberin betreibt ca. 220 Warenhäuser. In nahezu allen Warenhäusern sind Betriebsräte gewählt worden. Die Arbeitgeberin wurde Betriebsinhaberin auf Grund der nachstehenden Vorgänge:
Die Ka AG übernahm am 31. August 1999 das gesamte Vermögen der H GmbH im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme gemäß § 2 Nr. 1 UmwG. Am 15. Oktober 1999 übernahm sie in gleicher Weise das gesamte Vermögen der S KG. Am selben Tag änderte die Ka AG ihre Firma in K AG. Diese übertrug mit Wirkung zum 1. Januar 2000 sämtliche Ka Warenhäuser mit allen Aktiva und Passiva, jedoch mit Ausnahme der Immobilien, im Wege der Einzelübertragung auf die Arbeitgeberin, die K W AG, die vor dem 1. Januar 2000 keine Arbeitnehmer beschäftigte. Nicht übertragen wurden die den H Warenhäusern zuzuordnenden Vermögenswerte. Die H Warenhäuser wurden an die Arbeitgeberin verpachtet. Ebenfalls von der Übertragung ausgenommen war der Unternehmensbereich "Informationswirtschaft". Dabei handelte es sich um einen Teil der Hauptverwaltung der K AG. Dieser Unternehmensbereich, in dem ca. 400 von insgesamt 60.000 Arbeitnehmern beschäftigt waren, wurde zum 1. Januar 2000 auf die bis dahin arbeitnehmerlose I GmbH, eine 100%ige Tochtergesellschaft der K AG, übertragen. Im unmittelbaren Anschluß begründete die Itellium GmbH mit der Arbeitgeberin mit deren Hauptverwaltung einen Gemeinschaftsbetrieb. Die K AG ist seit dem 1. Januar 2000 eine arbeitnehmerlose Holding-Gesellschaft.
Bei der K AG war auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 14. September 1981 ein verkleinerter, aus 28 Mitgliedern bestehender Gesamtbetriebsrat gebildet worden. Nach dieser Betriebsvereinbarung waren sämtliche Betriebe der Ka AG zu einer Entsendeeinheit zusammengefaßt, deren Betriebsräte gemeinsam Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsandten.
In einer Betriebsvereinbarung vom 9. Dezember 1999 vereinbarten der Gesamtbetriebsrat und der Vorstand der K AG die Weitergeltung kollektiver Regelungen aus bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen bei der K W AG und den Fortbestand des verkleinerten Gesamtbetriebsrats der K AG mit Wirkung vom 1. Januar 2000 als Gesamtbetriebsrat der K W AG.
Der Antragsteller, der bei der K W AG Filiale Wiesbaden gebildete Betriebsrat, hat die Auffassung vertreten, die K AG, vormals K AG, sei durch die erfolgten Umstrukturierungen zum 1. Januar 2000 ein Unternehmen ohne Arbeitnehmer und damit ohne Betriebsräte geworden, so daß die Errichtungsvoraussetzungen des für dieses Unternehmen gebildeten Gesamtbetriebsrats entfallen seien. Der Gesamtbetriebsrat sei daher untergegangen. Bei der Beteiligten zu 3) müsse ein neuer Gesamtbetriebsrat errichtet werden.
Der Antragsteller hat beantragt
festzustellen, daß der Gesamtbetriebsrat der K AG, vormals Ka AG, der sich jetzt Gesamtbetriebsrat der K W AG nennt, untergegangen ist und für die Firma Ka W AG ein neuer Gesamtbetriebsrat zu errichten ist.
Diesem Antrag haben sich die zu 4), 14), 16), 23), 44), 60), 61), 74), 80), 86), 92), 111), 137), 156), 176), 185), 186), 187), 204), 206) und 211) beteiligten Betriebsräte angeschlossen.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin haben die Auffassung vertreten, der Verlust sämtlicher Arbeitnehmer bei der K AG, vormals Ka AG, habe nicht zum Untergang des Gesamtbetriebsrats geführt. Dieser bestehe vielmehr als Gesamtbetriebsrat bei der neuen Arbeitgeberin fort, da die Betriebsstrukturen der K AG bei der Ka W AG im wesentlichen erhalten geblieben seien.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers und der Beteiligten zu 16), 61), 80), 185), 186), 187) und 211) hat das Landesarbeitsgericht den erstinstanzlichen Beschluß abgeändert und dem Antrag stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde erstreben der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Antragsteller und die zu 14), 16), 23), 61), 80), 185), 186), 187) und 211) beteiligten Betriebsräte beantragen, die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerden sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu Recht stattgegeben. Das Amt des bei der K AG, vormals K AG, errichteten Gesamtbetriebsrats hat am 31. Dezember 1999 geendet. Er besteht nicht als Gesamtbetriebsrat bei der Arbeitgeberin fort.
I. Das Amt des Beteiligten zu 2) als bei der K AG, vormals Ka AG, gebildeten Gesamtbetriebsrat hat am 31. Dezember 1999 geendet.
1. Nach § 47 Abs. 1 BetrVG ist ein Gesamtbetriebsrat zu errichten, wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen. Die Bildung des Gesamtbetriebsrats ist, sofern diese Voraussetzungen vorliegen, zwingend. Der Gesamtbetriebsrat ist eine Dauereinrichtung. Er hat - anders als der Betriebsrat - keine Amtszeit (BAG 15. Dezember 1961 - 1 ABR 6/60 - BAGE 12, 128, 133). Er bleibt über die Wahlperiode der einzelnen Betriebsräte hinaus bestehen. Das Amt des Gesamtbetriebsrats als Gremium endet jedoch, wenn die Voraussetzungen für seine Errichtung nicht mehr vorliegen. Dies ist zB der Fall, wenn in dem Unternehmen nicht mehr mehrere Betriebsräte bestehen (vgl. etwa Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt BetrVG 21. Aufl. § 47 Rn. 26; Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker GK-BetrVG 6. Aufl. § 47 Rn. 43; Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 8. Aufl. § 47 Rn. 8; Richardi BetrVG 8. Aufl. § 47 Rn. 27; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 47 Rn. 66). So verhält es sich hier.
2. Der zu 2) beteiligte Gesamtbetriebsrat wurde bei der Ka AG, später K AG, errichtet. Dieses Unternehmen verfügt seit dem 1. Januar 2000 nicht mehr über Arbeitnehmer, sondern besteht als arbeitnehmerlose Holding fort. Deshalb existieren dort seitdem keine Betriebsräte mehr. Damit sind die Voraussetzungen für die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats in diesem Unternehmen nach § 47 Abs. 1 BetrVG entfallen. Dies führte zur Beendigung des Amts des Gesamtbetriebsrats bei der K AG.
II. Der Beteiligte zu 2) besteht auch nicht als Gesamtbetriebsrat bei der neuen Arbeitgeberin, der K W AG, fort.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der herrschenden Meinung im Schrifttum läßt ein Betriebsinhaberwechsel die Rechtsstellung des für den Betrieb gewählten Betriebsrats jedenfalls so lange unberührt, wie die Identität des Betriebs beim neuen Arbeitgeber fortbesteht (28. September 1988 - 1 ABR 37/87 - BAGE 59, 371 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 55, zu B I 2 der Gründe; 5. Februar 1991 - 1 ABR 32/90 - BAGE 67, 168 = AP BGB § 613 a Nr. 89, zu B IV 2 c bb der Gründe; 11. Oktober 1995 - 7 ABR 17/95 - AP BetrVG 1972 § 21 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 16, zu B 2 der Gründe; ErfK/Eisenmann § 21 BetrVG Rn. 11; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt aaO § 21 Rn. 34 mwN). Demzufolge sind die Betriebsräte in den Betrieben der K AG in ihrer Rechtsstellung durch den Wechsel des Arbeitgebers unberührt geblieben, in denen die Betriebsidentität erhalten geblieben ist.
2. Das Bundesarbeitsgericht hatte bisher nicht zu entscheiden, ob auch der nach § 47 Abs. 1 BetrVG im Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat durch einen Betriebsinhaberwechsel jedenfalls dann in seiner Rechtsstellung nicht betroffen wird und beim neuen Arbeitgeber fortbesteht, wenn ein neuer Unternehmer alle Betriebe des alten Unternehmens übernimmt und die Betriebsidentität aller Betriebe erhalten bleibt. In einem solchen Fall könnten vergleichbare Gründe wie beim Inhaberwechsel in einem Betrieb dafür sprechen, vom Fortbestand nicht nur der einzelnen Betriebsräte, sondern auch vom Fortbestand des von den Betriebsräten errichteten Gesamtbetriebsrats auszugehen.
Der Fortbestand des Gesamtbetriebsrats kommt aber dann nicht in Betracht, wenn nicht sämtliche Betriebe eines Unternehmens auf den neuen Inhaber übertragen werden oder das übernehmende Unternehmen bereits einen oder mehrere Betriebe hat und sich die betrieblichen Strukturen im übernehmenden Unternehmen durch Integration der neuen Betriebe in das Unternehmen entsprechend ändern.
In diesem Fall entfallen die Grundlagen für die Errichtung dieses Gesamtbetriebsrats. Es muß vielmehr ein neuer Gesamtbetriebsrat von den nunmehr wenigstens teilweise neu gewählten Betriebsräten nach den gesetzlichen Vorgaben des § 47 BetrVG errichtet werden. Das gilt bereits dann, wenn die betriebsverfassungsrechtliche Identität eines Betriebs im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang verändert wird. Auf wesentliche Änderungen oder auf eine Vielzahl von betroffenen Betrieben kommt es nicht an.
3. Hiernach kommt ein Fortbestand des bei der K AG gebildeten Gesamtbetriebsrats als Gesamtbetriebsrat der K W AG nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die K AG nicht alle Betriebe unverändert auf die neue Arbeitgeberin übertragen, sondern einen Teil des bisherigen Betriebs "Hauptverwaltung" auf ein drittes Unternehmen, die I GmbH übertragen. An die Stelle des bisherigen einzigen Arbeitgebers ist damit auf der Unternehmensebene nicht nur ein anderer Arbeitgeber getreten. Vielmehr haben zwei rechtlich selbständige Unternehmen die Betriebe übernommen. In einem solchen Fall kann von der Erhaltung aller betrieblichen Strukturen des bisherigen Unternehmens nach den Betriebsinhaberwechsel nicht ausgegangen werden. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß sich die beiden neuen Arbeitgeber in dem einen sie betreffenden Bereich zu einer gemeinsamen Betriebsführung zusammengeschlossen haben und der Gemeinschaftsbetrieb "Hauptverwaltung" der I GmbH und der K W AG an die Stelle des vormaligen Betriebs der K AG getreten ist. Unabhängig davon, ob nach dem bis zum 27. Juli 2001 geltenden Betriebsverfassungsgesetz aus einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat eines Unternehmens entsandt werden konnten (zum Meinungsstand siehe Richardi/Annuß BetrVG 8. Aufl. § 47 Rn. 76; zum geltenden Recht siehe § 47 Abs. 9 BetrVG), kann von der Erhaltung aller betrieblichen Strukturen im neuen Unternehmen nicht mehr ausgegangen werden.
III. Auf die weiteren Rechtsfragen zur Wirksamkeit der Bildung des Gesamtbetriebsrats bei der Ka AG bzw. der K AG kommt es damit nicht an.
Ende der Entscheidung
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