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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 24.01.2001
Aktenzeichen: 7 ABR 2/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

7 ABR 2/00

Verkündet am 24. Januar 2001

In dem Beschlußverfahren

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 24. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Steckhan und Linsenmaier, die ehrenamtlichen Richter Bea und Nottelmann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Oktober 1999 - 11 TaBV 10/99 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Betriebsvertretung berechtigt ist, ihren Vorsitzenden zu einem einwöchigen Seminar über Arbeitssicherheit/Arbeitsschutz zu entsenden.

Beteiligte zu 1) und Antragstellerin des Verfahrens ist die bei der US-Dienststelle gebildete Betriebsvertretung. Für die Dienststelle und Arbeitgeberin ist kraft generell erteilten Auftrags des Hauptquartiers der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland - USAREUR - vom 9. Juni 1964 als Beteiligte zu 2) die Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Der Beteiligte zu 3) gehört der 11-köpfigen Betriebsvertretung seit 1983 an und ist seit 1985 fast durchgehend deren Vorsitzender. Er ist von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt.

Im Juni 1998 entsandte die Betriebsvertretung zwei ihrer Mitglieder auf ein einwöchiges Seminar zum Thema Arbeitssicherheit/Arbeitsschutz. Am 7. Juli 1998 beschloß sie, auch ihren Vorsitzenden sowie dessen ebenfalls zur Betriebsvertretung gehörende Ehefrau auf ein vom 19. Oktober 1998 bis 23. Oktober 1998 in Berlin stattfindendes, von der Gewerkschaft ÖTV durchgeführtes Seminar entsprechenden Inhalts zu entsenden. Am 28. Juli 1998 errichtete die Betriebsvertretung einen Ausschuß für Arbeitssicherheit. In diesen berief sie neben den beiden Betriebsvertretungsmitgliedern, die an dem Seminar Arbeitssicherheit/Arbeitsschutz teilgenommen hatten, die Ehefrau des Vorsitzenden der Betriebsvertretung. Die Dienststelle erklärte sich lediglich mit der Teilnahme eines weiteren Betriebsvertretungsmitglieds an dem Seminar in Berlin einverstanden. Daraufhin nahm die Ehefrau des Vorsitzenden der Betriebsvertretung hieran teil.

Mit dem am 18. November 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Betriebsvertretung geltend gemacht, sie habe einen Anspruch auf Entsendung ihres Vorsitzenden zu einem einwöchigen Seminar über Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Die Schulung sei insbesondere auch deshalb erforderlich, weil die Betriebsvertretung die zum 5. Juni 1998 erfolgte Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut zum Anlaß genommen habe, sich verstärkt mit Fragen der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes zu befassen. Der Vorsitzende der Betriebsvertretung könne nicht darauf verwiesen werden, sich bei sachkundigen Kollegen Rat einzuholen.

Die Betriebsvertretung hat beantragt,

festzustellen, daß der Beteiligte zu 3) von seiner Dienststelle für die Teilnahme an einem einwöchigen Seminar über Arbeitssicherheit/Arbeitsschutz gemäß § 46 Abs. 6 BPersVG - Alliierte - freizustellen ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei auf die Erstellung eines Gutachtens gerichtet. Im übrigen sei die Teilnahme des Vorsitzenden der Betriebsvertretung an dem Seminar nicht erforderlich, da bereits drei Mitglieder der Betriebsvertretung an einem entsprechenden Seminar teilgenommen hätten. Außerdem habe sich der Vorsitzende der Betriebsvertretung durch seine praktische Tätigkeit bereits ausreichende Kenntnisse angeeignet.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag als unzulässig, das Landesarbeitsgericht als unbegründet abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Betriebsvertretung ihren Feststellungsantrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Der Vorsitzende der Betriebsvertretung hat keinen Antrag gestellt.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Recht abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag allerdings unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

I.1. Ein Antrag muß im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechend anwendbar. Der Streitgegenstand muß daher so genau bezeichnet werden, daß die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 10/97 - nv., zu B 1 der Gründe mwN; 11. Dezember 1991 - 7 ABR 16/91 - AP BetrVG 1972 § 90 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 90 Nr.2, zu B I 1 der Gründe mwN). Ausreichend ist allerdings, wenn der Antrag in einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Weise ausgelegt werden kann. Das Gericht ist daher gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrags vorzunehmen, wenn hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Dabei darf es sich jedoch nicht über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 10/97 - nv., zu B 1 der Gründe mwN).

2. Entsprechend anwendbar ist im Beschlußverfahren außerdem § 256 Abs. 1 ZPO. Ein Feststellungsantrag ist daher nur zulässig, wenn er auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung hat. Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO können auch einzelne Ansprüche sein, nicht dagegen nur bloße Elemente oder Vorfragen eines Anspruchs (BAG 30. März 1994 - 7 ABR 45/93 - BAGE 76, 214 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 42, zu B III der Gründe mwN; 24. Januar 1996 - 7 ABR 28/95 - nv., zu B 1 der Gründe; 8. Mai 1990 - 1 ABR 9/89 - nv., zu B I 1 der Gründe mwN).

II. Hiernach genügt der vorliegend gestellte Antrag dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht. Er läßt sich sinnvoll auch nicht in einer Weise auslegen, die eine Sachentscheidung ermöglichen würde.

1. Der Zulässigkeit des auf die Feststellung der Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Freistellung des Betriebsvertretungsvorsitzenden gerichteten Antrags steht allerdings nicht bereits der Umstand entgegen, daß der Vorsitzende der Betriebsvertretung ohnehin von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt ist und daher einer weiteren Freistellung nicht bedarf. Der Antrag läßt sich insoweit nämlich dahin auslegen, daß die Betriebsvertretung ihre Berechtigung festgestellt wissen will, ihren Vorsitzenden zu einem einwöchigen Seminar über Arbeitssicherheit/Arbeitsschutz zu entsenden.

2. Der so verstandene Antrag ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, denn er enthält keine näheren Angaben insbesondere zum Zeitpunkt des Seminars, aber auch zu dessen Schulungsträger, Kosten und detailliertem Inhalt. Würde über diesen Antrag in der Sache entschieden, so stünde der objektive Umfang der Bindungswirkung der Entscheidung nicht hinreichend fest. So bliebe ua. unklar, ob die Betriebsvertretung berechtigt wäre, einen jedenfalls noch erforderlichen erneuten Beschluß über die Entsendung ihres Vorsitzenden unabhängig von dem Zeitpunkt des in Betracht kommenden Seminars zu fassen, und in welchem Umfang sie bei diesem Beschluß von der Prüfung der Erforderlichkeit entbunden wäre.

3. Eine Auslegung dahin, daß die Betriebsvertretung berechtigt sei, ganz generell und unabhängig von Zeitpunkt, Schulungsträger, Kosten und genauem Inhalt des Seminars ihren Vorsitzenden zu einem einwöchigen Seminar über Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz zu entsenden, entspricht erkennbar nicht dem wohlverstandenen Willen der Antragstellerin. Ein derartiger Globalantrag müßte insgesamt schon deshalb abgewiesen werden, da er Fallgestaltungen umfassen würde, in denen er unbegründet ist (vgl. hierzu etwa BAG 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - BAGE 76, 364 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23, zu C 1 der Gründe; 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 40 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 67, zu B III 1 b der Gründe; 20. Oktober 1999 - 7 ABR 37/98 - nv., zu B I 2 a der Gründe). Eine derartige Fallgestaltung wäre beispielsweise bei einem unmittelbar vor dem Ende der Amtsperiode liegenden Seminartermin gegeben, könnte doch dann bereits wegen des Zeitpunkts eine Schulung nicht mehr als erforderlich erachtet werden (vgl. etwa BAG 7. Juni 1989 - 7 ABR 26/88 - BAGE 62, 74 = AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67, zu B I 2 der Gründe; BVerwG 25. Juni 1992 - 6 P 29/90 - NVwZ- RR 1993, 153, zu II der Gründe).

4. Der Antrag läßt sich sinnvoll auch nicht dahin verstehen, daß mit ihm lediglich die Erforderlichkeit einer Schulung des Vorsitzenden auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Erörterung vor dem Landesarbeitsgericht festgestellt werden soll. So verstanden hätte der Antrag nämlich nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern lediglich ein Element eines Rechtsverhältnisses zum Gegenstand (so auch zu einem entsprechenden Antrag bereits BAG 24. Januar 1996 - 7 ABR 28/95 - nv., zu B 1 der Gründe). Die Entscheidung hierüber liefe auf ein unzulässiges Gutachten hinaus.

5. Der Antrag kann schließlich sachdienlich auch nicht vergangenheitsbezogen dahin ausgelegt werden, die Betriebsvertretung sei am 7. Juli 1998 berechtigt gewesen, einen Beschluß über die Entsendung ihres Vorsitzenden zu dem vom 19. Oktober 1998 bis 23. Oktober 1998 stattfindenden Seminar zu fassen. Ein solcher Antrag wäre zwar hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Betriebsvertretung hat aber keinen vergangenheitsbezogenen Antrag gestellt. Vielmehr ist der Antrag ausdrücklich auf eine gegenwärtige Feststellung gerichtet. So hat ihn das Landesarbeitsgericht verstanden und dementsprechend bei seiner Entscheidung auch Umstände berücksichtigt, die erst nach dem Entsendungsbeschluß vom 7. Juli 1998 lagen. Die Betriebsvertretung macht auch nicht geltend, das Landesarbeitsgericht habe insoweit ihren Antrag falsch ausgelegt. Im übrigen bestünde vorliegend an einer vergangenheitsbezogenen Feststellung kein berechtigtes Interesse der Betriebsvertretung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Nachdem der Vorsitzende der Betriebsvertretung an dem Seminar vom 19. Oktober 1998 bis 23. Oktober 1998 nicht teilgenommen hat, ist nicht erkennbar, welche Rechtsfolgen für Gegenwart und Zukunft eine Feststellung über den Entsendebeschluß vom 7. Juli 1998 noch haben könnte (vgl. zu diesem Erfordernis BAG 20. April 1999 - ABR 13/98 - BAGE 91, 235 = AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 43, zu B I 1 c aa der Gründe; 20. Oktober 1999 - 7 ABR 37/98 - nv., zu B II 1 b der Gründe).

Ende der Entscheidung

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