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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 7 ABR 44/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 38 Abs. 2
BetrVG § 27 Abs. 1
BetrVG § 19 Abs. 2
Die Frist zur Anfechtung der Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder beginnt in entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG mit der Feststellung des Wahlergebnisses durch den Betriebsrat.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

7 ABR 44/04

Verkündet am 20. April 2005

In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten

hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 20. April 2005 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und den Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Gerschermann und Güner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu 1) gegen den Be-schluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. Juni 2004 - 5 TaBV 74/03 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 9. Oktober 2002 erfolgten Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder.

Die zu 6) beteiligte Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb in E 650 Arbeitnehmer. Die Antragsteller zu 1) bis 3) sind Mitglieder des zu 5) beteiligten, aus 11 Mitgliedern bestehenden Betriebsrats. In der Sitzung vom 5. Juni 2002 beschloss der Betriebsrat die Wahl zweier freizustellender Betriebsratsmitglieder. Zur Wahl standen die Liste "N /S " und die von der IG Bauen-Agrar-Umwelt getragene Liste "A /Sk ". Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurden die Betriebratsvorsitzende Neuhaus und das Betriebsratsmitglied A gewählt. In einer weiteren Betriebsratssitzung am 19. Juni 2002 befasste sich der Betriebsrat wegen der langfristigen Erkrankung der Betriebsratsvorsitzenden N erneut mit den Freistellungen. Der Betriebsrat beschloss mit sechs zu fünf Stimmen die "Aussetzung der Freistellung des Kollegen A auf unbestimmte Zeit". Mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 schied das Betriebratsmitglied A wegen des Eintritts in den Vorruhestand aus dem Betriebsrat aus. In der Betriebsratssitzung vom 9. Oktober 2002 behandelte der Betriebsrat ua. das Thema "Neuwahl zweite Freistellung/Betriebsvereinbarung Freistellung Betriebsratsmitglieder". Zu dieser Sitzung hatte die Betriebsratsvorsitzende mit Schreiben ohne Datum unter Mitteilung der Tagesordnung (ua.: "Neuwahl Freistellung, Betriebsvereinbarung Freistellung") eingeladen. Anwesend waren zehn der elf geladenen Betriebsratsmitglieder. Das geladene Ersatzmitglied G war nicht erschienen. Im Protokoll dieser Sitzung heißt es ua.:

"Über das Thema zweite Freistellung wurde in Anwesenheit vom IG Bau Vertreter, M , diskutiert.

...

Es wurde dann mit 9 ja Stimmen und einer nein Stimme Neuwahl der Freistellung vereinbart.

Der Beschluss zur Aussetzung der zweiten Freistellung wurde aufgehoben.

Sk nimmt an der Wahl unter Protest teil.

Wahlvorschlag Liste N:

N S T

Wahlvorschlag Liste IG Bau:

Sk P S

Es wurde geheime Wahl beschlossen. Das Ergebnis:

9 Stimmen Liste N

1 Stimme Liste IG Bau"

Mit der am 3. Januar 2003 eingegangenen Antragsschrift haben die Antragsteller die Feststellung begehrt, dass der Beschluss des Betriebsrats vom 9. Oktober 2002 über die Freistellung der Betriebsratsmitglieder N und S unwirksam und der Antragsteller zu 1) weiterhin als Betriebsratsmitglied freigestellt sei.

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, der Antragsteller zu 1) sei als nachfolgender Bewerber der ursprünglichen, am 5. Juni 2002 zur Wahl gestellten Vorschlagsliste der IG Bauen-Agrar-Umwelt anstelle des ausgeschiedenen Betriebsratsmitglieds A in die Freistellung nachgerückt. Die am 9. Oktober 2002 erfolgte Neuwahl sei daher nichtig, zumindest jedoch anfechtbar. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist sei gewahrt. Bei einer betriebsratsinternen Wahl beginne die Anfechtungsfrist einheitlich erst dann, wenn das letzte anfechtungsberechtigte Betriebsratsmitglied Kenntnis von dem Wahlergebnis erlangt habe. Bis zur Einreichung der Antragsschrift am 3. Januar 2003 sei vier Betriebsratsmitgliedern das Ergebnis der Abstimmung vom 9. Oktober 2002 nicht bekannt gewesen.

Die Antragsteller zu 1) bis 4) haben - soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse - beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss des Betriebsrats vom 9. Oktober 2002 über die Freistellung der Betriebsratsmitglieder N und S unwirksam ist und der Antragsteller zu 1) weiterhin freigestellt als Betriebsratsmitglied ist.

Der Betriebsrat hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat den erstinstanzlichen Beschluss abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller zu 1) die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts ist zwar entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht unzulässig. Der Antrag ist aber unbegründet, da die Freistellungswahl vom 9. Oktober 2002 wirksam ist.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Betriebsratsmitglieder N und S zu Unrecht nicht am vorliegenden Verfahren beteiligt. Das hat der Senat in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt.

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist - neben dem Antragsteller - Beteiligter in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, wer durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (BAG 11. November 1998 - 4 ABR 40/97 - BAGE 90, 135 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 16, zu B II 1 der Gründe). Die Beteiligtenbefugnis ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Die zu Unrecht unterbliebene Beteiligung eines Verfahrensbeteiligten kann auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz dadurch behoben werden, dass die betreffende Person künftig am Verfahren beteiligt wird. Die rechtsfehlerhafte Nichtbeteiligung von Beteiligten ist als Verfahrensfehler ohne eine darauf gerichtete Rüge für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht von Bedeutung (BAG 15. Januar 2002 - 1 ABR 10/01 - BAGE 100, 157 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 19, zu B I der Gründe).

2. Hiernach sind die Betriebsratsmitglieder N und S Beteiligte des vorliegenden Verfahrens, weil ihre betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung als freigestellte Betriebsratsmitglieder von der zu erwartenden Entscheidung unmittelbar betroffen ist. Die unterbliebene Beteiligung war vom Senat in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachzuholen. Da der Verfahrensfehler von keinem der Beteiligten gerügt wurde, ist er für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens unbeachtlich.

II. Der Rechtsbeschwerde war nicht deshalb stattzugeben, weil die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts wegen nicht ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats zur Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten mit der Durchführung des Beschlussverfahrens und der Einlegung der Beschwerde unzulässig gewesen wäre. Das ist nicht der Fall.

1. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats wurde am 10. März 2003 mit der Durchführung des vorliegenden Beschlussverfahrens beauftragt. Die Vollmacht wurde für den Betriebsrat von dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden S anstelle der verhinderten Betriebsratsvorsitzenden N unterzeichnet. Die Beauftragung ist durch einen wirksamen Beschluss des Betriebsrats gedeckt. Dieser beschloss in der Sitzung vom 12. März 2003 die Vertretung durch seinen Verfahrensbevollmächtigten in dem von den Antragstellern eingeleiteten Beschlussverfahren. Der Beschluss ist entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 1) nicht deshalb unwirksam, weil die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht als Tagesordnungspunkt in der Ladung vom 5. März 2003 zu der Betriebsratssitzung erwähnt war. Die Tagesordnung wurde in der Sitzung vom 12. März 2003 in Anwesenheit der 11 geladenen Mitglieder um den Tagesordnungspunkt "Beschlussverfahren Sk ua. ./. Betriebsrat R " ergänzt. Da keines der vollzähligversammelten Betriebsratsmitglieder der Behandlung dieses Tagesordnungspunkts widersprach, ist der Ladungsmangel geheilt (vgl. BAG 29. April 1992 - 7 ABR 74/91 - BAGE 70, 178 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 15 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 13, zu B I der Gründe). Dabei spielt es keine Rolle, dass in der Betriebsratssitzung ein ordentliches Betriebsratsmitglied durch ein Ersatzmitglied vertreten war. Das Ersatzmitglied tritt auch im Falle der vorübergehenden Verhinderung eines ordentlichen Mitglieds für die Dauer der Verhinderung als vollwertiges Mitglied mit allen Rechten und Pflichten in den Betriebsrat ein.

2. Die somit wirksam erteilte Vollmacht ermächtigte den Verfahrensbevollmächtigten nach § 81 ZPO zu allen das Verfahren betreffenden Prozesshandlungen. Dazu gehören alle Handlungen, die dem Betreiben des Verfahrens dienen, einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln. Die Zulässigkeit der Beschwerde hing daher nicht von einer erneuten Beschlussfassung des Betriebsrats über deren Einlegung ab (BAG 11. März 1992 - 7 ABR 50/91 - BAGE 70, 53 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 12, zu B I der Gründe).

III. Der Antrag ist unbegründet. Die am 9. Oktober 2002 durchgeführte Freistellungswahl ist wirksam, da sie nicht innerhalb der entsprechend anzuwendenden zweiwöchigen Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten wurde und die Wahl auch nicht nichtig ist.

1. Der Antragsteller zu 1) macht mit dem Antrag trotz seines auf Feststellung gerichteten Wortlauts nicht nur die Nichtigkeit der Freistellungswahl vom 9. Oktober 2002 geltend. Er begehrt vielmehr zugleich eine gerichtliche Gestaltungsentscheidung dahingehend, die Wahl für unwirksam zu erklären. Aus der zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Antragsbegründung ergibt sich, dass die Gültigkeit der Wahl unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt geprüft werden soll. Der Antrag ist somit dahingehend zu verstehen, dass mit ihm sowohl die Nichtigkeit als auch die Anfechtung der Freistellungswahl geltend gemacht wird.

2. Die Anfechtung der Freistellungswahl ist nicht zulässig, da sie nicht innerhalb der entsprechend anzuwendenden Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erfolgt ist.

a) Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder kann in entsprechender Anwendung von § 19 BetrVG durch ein einzelnes oder mehrere Betriebsratsmitglieder angefochten werden (st. Rspr., vgl. etwa BAG 15. Januar 1992 - 7 ABR 24/91 - BAGE 69, 228 = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 37; 11. März 1992 - 7 ABR 50/91 - BAGE 70, 53 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 12, zu B II 1 der Gründe). Für die Betriebsratswahl bestimmt § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, dass die Anfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig ist. Diese Vorschrift ist auf betriebsratsinterne Wahlen entsprechend anzuwenden. Da bei betriebsratsinternen Wahlen eine förmliche Bekanntgabe des Wahlergebnisses, wie sie für die Betriebsratswahl in § 18 WO vorgesehen ist, im Allgemeinen nicht stattfindet, beginnt die Anfechtungsfrist grundsätzlich mit dem Abschluss der Wahl, dh. mit der Feststellung des Wahlergebnisses durch den Betriebsrat. Entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 1) kommt es für den Fristbeginn nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem sämtliche Betriebsratsmitglieder von dem Wahlergebnis tatsächlich Kenntnis erlangt haben. Auf die Kenntniserlangung aller Wahlberechtigten von dem Wahlergebnis stellt § 19 BetrVG auch für die Anfechtung einer Betriebsratswahl nicht ab, sondern auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch den Wahlvorstand. Zu diesem Zeitpunkt haben die Anfechtungsberechtigten die Möglichkeit, von dem Ausgang der Wahl zuverlässig Kenntnis zu nehmen. Dem entspricht bei betriebsratsinternen Wahlen der Zeitpunkt der Feststellung des Wahlergebnisses durch den Betriebsrat. Zu diesem Zeitpunkt erhalten die anfechtungsberechtigten Betriebsratsmitglieder in der Regel Kenntnis von dem Ausgang der Wahl. Denn die Wahl findet in einer Betriebsratssitzung statt, an der die Betriebsratsmitglieder teilzunehmen haben. Ein späterer Zeitpunkt kann für den Beginn der Anfechtungsfrist allenfalls dann maßgebend sein, wenn ein anfechtungsberechtigtes Betriebsratsmitglied verhindert war, an der Betriebsratssitzung teilzunehmen und es deshalb zunächst keine Kenntnis von der Wahl und dem Wahlergebnis erlangt hat. Nur in diesem Ausnahmefall beginnt für das betreffende Betriebsratsmitglied die Anfechtungsfrist erst mit der Kenntniserlangung von der Wahl und dem Wahlergebnis. Dies kann zwar dazu führen, dass für die einzelnen Betriebsratsmitglieder die Wahlanfechtungsfrist zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnt und endet. Entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 1) besteht jedoch kein Bedürfnis an einem einheitlichen Beginn der Anfechtungsfrist zu dem Zeitpunkt, an dem alle anfechtungsberechtigten Betriebsratsmitglieder von dem Wahlergebnis Kenntnis erlangt haben. Das Anfechtungsrecht steht jedem einzelnen Betriebsratsmitglied als subjektive Rechtsposition zu. Mit dem Ablauf der Anfechtungsfrist erlischt das Anfechtungsrecht des einzelnen Anfechtungsberechtigten. Etwaige Mängel einer betriebsratsinternen Wahl können zwar nur dann endgültig geheilt werden, wenn keiner der Anfechtungsberechtigten die Wahl fristgerecht angefochten hat. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Anfechtungsfrist für alle Anfechtungsberechtigten notwendigerweise zu einem einheitlichen Zeitpunkt beginnen muss. Die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestimmte Frist für die Anfechtung der Wahl dient der Rechtssicherheit. Dadurch soll gewährleistet werden, dass möglichst rasch nach Abschluss der Wahl Klarheit darüber geschaffen wird, ob die Wahl angefochten wird oder nicht. Dieses Bedürfnis besteht nicht nur bei Betriebsratswahlen, sondern auch bei betriebsratsinternen Wahlen. Entsprechend diesem Zweck ist für den Beginn der Anfechtungsfrist grundsätzlich auf die Feststellung des Wahlergebnisses als den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Anfechtungsberechtigten in der Regel von dem Wahlergebnis Kenntnis erlangen. Käme es auf die tatsächliche Kenntniserlangung auch derjenigen Betriebsratsmitglieder an, die wegen Verhinderung an der Wahl nicht teilgenommen haben, würde die Anfechtungsfrist für die anderen Betriebsratsmitglieder verlängert, und zwar auch dann, wenn die verhinderten Betriebsratsmitglieder die Wahl nicht anfechten wollen. Dies widerspräche dem Zweck der Anfechtungsfrist.

b) Hiernach hat der Antragsteller zu 1) die Freistellungswahl vom 9. Oktober 2002 nicht fristgerecht angefochten. Nach dem Protokoll der Betriebsratssitzung vom 9. Oktober 2002 hat der Antragsteller zu 1) an der Wahl und damit auch an der Betriebsratssitzung teilgenommen, in der das Wahlergebnis festgestellt wurde. Für ihn begann die Anfechtungsfrist daher am 9. Oktober 2002 zu laufen und endete am 23. Oktober 2002. Da der Wahlanfechtungsantrag erst am 3. Januar 2003 beim Arbeitsgericht einging, ist die Wahlanfechtung unzulässig.

3. Die Freistellungswahl vom 9. Oktober 2002 ist entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 1) nicht nichtig.

a) Im Gegensatz zur Wahlanfechtung kann die Nichtigkeit der Wahl auch außerhalb der in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestimmten Anfechtungsfrist jederzeit von Jedermann geltend gemacht werden, der daran ein berechtigtes Interesse hat (vgl. zur Betriebsratswahl etwa BAG 19. November 2003 - 7 ABR 24/03 - BAGE 108, 375 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 54 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 2, zu B III 1 der Gründe). Ebenso wie die Betriebsratswahl ist die Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Es muss ein sowohl offensichtlicher als auch besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen (st. Rspr., vgl. zur Betriebsratswahl BAG 19. November 2003 - 7 ABR 24/03 - aaO).

b) Unter derart gravierenden Mängeln leidet die Wahl vom 9. Oktober 2002 nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

aa) Es kann dahinstehen, ob für das geladene Ersatzmitglied G , das in der Sitzung vom 9. Oktober 2002 nicht anwesend war, nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG ein weiteres Ersatzmitglied hätte geladen werden müssen. Denn die möglicherweise zu Unrecht unterbliebene Ladung eines weiteren Ersatzmitglieds stellt keinen so schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, dass nicht einmal der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt.

bb) Die am 9. Oktober 2002 erfolgte Wahl ist auch nicht deshalb nichtig, weil der Antragsteller zu 1) anstelle des ausgeschiedenen Betriebsratsmitglieds A in die Rechtsposition eines freizustellenden Betriebsratsmitglieds nachgerückt war und dessen Freistellung durch die Neuwahl endete.

(1) Im Falle des Ausscheidens eines nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG im Wege der Verhältniswahl in die Freistellung gewählten Betriebsratsmitglieds ist zwar keine Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder durchzuführen. Vielmehr ist das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG der Vorschlagsliste zu entnehmen, der das zu ersetzende Mitglied angehört (BAG 25. April 2001 - 7 ABR 26/00 - BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2 der Gründe). Dem Betriebsrat ist es jedoch unbenommen, eines oder mehrere freigestellte Betriebsratsmitglieder von dieser Funktion abzuberufen und durch andere zu ersetzen. Der Betriebsrat kann auch alle Freigestellten gleichzeitig abberufen und sämtliche freizustellenden Betriebsratsmitglieder neu wählen. Wurde die Freistellungswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt, erfolgt die Abberufung nach § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG durch Beschluss des Betriebsrats, der in geheimer Abstimmung gefasst wird und einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen der Betriebsratsmitglieder bedarf. Wählt der Betriebsrat alle freizustellenden Betriebsratsmitglieder in geheimer Abstimmung mit der nach § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG erforderlichen Mehrheit neu, liegt darin eine Abberufung der bisher Gewählten mit der Folge, dass die neu Gewählten an deren Stelle treten (BAG 13. November 1991 - 7 ABR 18/91 - BAGE 69, 49 = AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 27 Nr. 7, zu B II 3 der Gründe).

(2) Hiernach ist zwar auf Grund des Ausscheidens des Betriebsratsmitglieds A der Antragsteller zu 1) als nachfolgendes Mitglied der Liste "A /Sk " in die Position eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nachgerückt. Die am 19. Juni 2002 erfolgte "Aussetzung" der Freistellung des Betriebsratsmitglieds A war in der Betriebsratssitzung vom 9. Oktober 2002 ausdrücklich aufgehoben worden. Der Antragsteller wurde jedoch, ebenso wie die Betriebsratsvorsitzende N , in der Betriebsratssitzung vom 9. Oktober 2002 von der Funktion eines freigestellten Betriebsrats abberufen. In der Betriebsratssitzung erfolgte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nur die Nachwahl eines ersatzweise freizustellenden Betriebsratsmitglieds für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied A , sondern die Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Darin lag zugleich die Abberufung der auf Grund der Wahl vom 5. Juni 2002 Freigestellten.

Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, am 9. Oktober 2002 sei lediglich das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied nachgewählt worden, spricht zwar, das Anlass für die Wahl das Ausscheiden des Betriebsratsmitglieds A aus dem Betriebsrat war und im Protokoll der Betriebsratssitzung vom 9. Oktober 2002 als Tagesordnungspunkt die "Neuwahl zweite Freistellung/Betriebsvereinbarung Freistellung" angegeben ist. Ausweislich des Protokolls wurde die Wahl jedoch nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt, wobei die Vorschlagsliste "N " und die Vorschlagsliste "IG Bau" konkurrierten. In der Liste "N " ist an erster Stelle die Betriebsratsvorsitzende N aufgeführt, die bereits auf Grund der Wahl vom 5. Juni 2002 freigestellt war. Hätte lediglich die isolierte Nachwahl eines ersatzweise freizustellenden Betriebsratsmitglieds anstelle des ausgeschiedenen Betriebsratsmitglieds A durchgeführt werden sollen, hätte es weder einer Verhältniswahl noch der Neuwahl der bereits freigestellten Betriebsratsvorsitzenden N bedurft. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass eine Neuwahl beider freizustellenden Betriebsratsmitglieder stattgefunden hat. Die Neuwahl enthielt zugleich die Abberufung der bisher freigestellten Betriebsratsmitglieder. Da bei der Neuwahl neun Stimmen auf die Liste N entfielen, ist die Abberufung mit der in § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG erforderlichen Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen der Mitglieder des Betriebsrats erfolgt. Die neu Gewählten sind daher an die Stelle der bisher Freigestellten getreten.

cc) Entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 1) ist die Wahl vom 9. Oktober 2002 nicht deshalb nichtig, weil in der Ladung zu der Betriebsratssitzung nicht angegeben war, dass beide freizustellenden Betriebsratsmitglieder neu gewählt werden sollten. Ein derartiger Mangel bei der Ladung ist kein so grober und offensichtlicher Gesetzesverstoß, dass er zur Nichtigkeit der Wahl führen könnte (vgl. dazu BAG 13. November 1991 - 7 ABR 18/91 - BAGE 69, 49 = AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 27 Nr. 7, zu B II 2 a bb der Gründe).



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