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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.06.2002
Aktenzeichen: 7 AZR 201/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag |
2. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Ausscheiden des Vertretenen kann aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein. Als Sachgrund kann die Entscheidung des Arbeitgebers in Betracht kommen, den Arbeitsplatz nach dem Ausscheiden des Stelleninhabers mit einem Mitarbeiter zu besetzen, der über bestimmte Anforderungen verfügt.
3. Dem Arbeitgeber obliegt im Streitfall die Darlegung der Tatsachen zu der von ihm getroffenen Entscheidung über die anderweite Besetzung des Arbeitsplatzes.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 5. Juni 2002
In Sachen
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Steckhan, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Koch und Herbst für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 13. Oktober 2000 - 5 Sa 711/99 - wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer Beendigungsvereinbarung am 31. März 1999 geendet hat.
Die Klägerin ist seit dem 13. März 1996 beim Finanzamt K beschäftigt. Die Einstellung erfolgte zunächst für die Zeit des Erziehungsurlaubs der Steuerobersekretärin W , anschließend für die Dauer von deren Teilzeitbeschäftigung, längstens bis zum 31. Dezember 1998. Mit Schreiben vom 18. November 1997 unterrichtete die Oberfinanzdirektion Cottbus den Bezirkspersonalrat über die Absicht, die Klägerin als Aushilfsangestellte "befristet für die Zeit der Erkrankung der Verwaltungsangestellten Frau K einzustellen und in VergGr. V b BAT-O einzugruppieren". Der Bezirkspersonalrat stimmte der Maßnahme am 26. November 1997 zu. Am 1. Dezember 1997 schlossen die Parteien unter Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrags einen Arbeitsvertrag, dessen § 1 wie folgt lautet:
"Die Einstellung im Finanzamt K erfolgt ab dem 1. Dezember 1997 als vollbeschäftigte Angestellte auf bestimmte Zeit als Aushilfsangestellte für die Zeit, in der Frau K wegen Erkrankung ausfällt bzw. bis zu deren Ausscheiden aus dem Dienst."
In der Folgezeit war die Klägerin auf dem Arbeitsplatz der Verwaltungsangestellten K als Leiterin der Buchführung beschäftigt. Die Verwaltungsangestellte K verstarb am 29. Dezember 1998. Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 1999 mit, der sachliche Grund für die Befristung liege nicht mehr vor, so daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf einer Auslauffrist am 31. März 1999 ende. Dagegen hat sich die Klägerin mit der vorliegenden, am 22. Januar 1999 beim Arbeitsgericht Neuruppin eingegangenen Klage gewandt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beendigungstatbestand des Ausscheidens der Verwaltungsangestellten K sei nicht wirksam vereinbart worden, weil das beklagte Land den Bezirkspersonalrat darüber nicht unterrichtet habe. Außerdem habe für die Beendigungsvereinbarung kein sachlicher Grund bestanden.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31. März 1999 geendet hat, sondern unbefristet fortbesteht.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe vereinbarungsgemäß wegen des Ausscheidens der Verwaltungsangestellten K geendet. Da es sich bei der Beendigungsvereinbarung nicht um eine Befristung, sondern um eine auflösende Bedingung handle, sei die Zustimmung des Bezirkspersonalrats dazu nicht erforderlich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage, der es zunächst durch Versäumnisurteil stattgegeben hatte, auf den Einspruch des beklagten Landes abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit der Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht am 31. März 1999 geendet. Die für den Fall des Ausscheidens der Verwaltungsangestellten K getroffene Beendigungsvereinbarung ist unwirksam, weil das beklagte Land einen sie rechtfertigenden sachlichen Grund nicht hinreichend dargelegt hat. Ob der Beendigungsvereinbarung auch personalvertretungsrechtliche Gründe entgegenstehen, bedarf daher keiner Entscheidung.
1. Die Beendigungsvereinbarung der Parteien bedarf der Rechtfertigung nach den Grundsätzen der allgemeinen arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Denn durch die Vereinbarung vom 1. Dezember 1997 wird der zugunsten der Klägerin bestehende Kündigungsschutz umgangen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Beendigungsvereinbarung um eine Zweckbefristung oder um eine auflösende Bedingung handelt. Denn sowohl die Vereinbarung einer Befristung als auch die einer auflösenden Bedingung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grundes.
2. Der Tod der vertretenen Angestellten erfüllt den Beendigungstatbestand des Ausscheidens aus dem Dienst. Diesen rechtfertigt der Sachgrund der Vertretung nicht, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat.
a) Der sachliche Grund für die Befristung besteht in den Fällen der Vertretung darin, daß der Arbeitgeber seinen Arbeitskräftebedarf bereits durch den Arbeitsvertrag mit dem erkrankten oder auf Grund sonstiger Umstände an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer abgedeckt hat und deshalb an der Arbeitskraft des Vertreters von vornherein nur ein vorübergehender, zeitlich durch die Rückkehr des Vertretenen begrenzter Bedarf besteht (BAG 23. Januar 2002 - 7 AZR 440/00 - DB 2002, 1274, zu I der Gründe mit vielen Nachweisen). Deshalb ist die Vertretung als sachlicher Grund für eine Befristung oder auflösende Bedingung anzuerkennen, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Vertretungskraft mit der Rückkehr des Vertretenen auf seinen Arbeitsplatz rechnen muß. Dies ist - sofern nicht besondere Umstände vorliegen - bei der Erkrankung eines Arbeitnehmers grundsätzlich der Fall. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich von dem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Aufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (BAG 22. November 1995 - 7 AZR 252/95 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 178 = EzA BGB § 620 Nr. 138, zu II 1 der Gründe; 11. November 1998 - 7 AZR 328/97 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 204 = EzA BGB § 620 Nr. 155, zu 1 der Gründe; 6. Dezember 2000 - 7 AZR 262/99 - BAGE 96, 320 = EzA BGB § 620 Nr. 172, zu B II 2 a der Gründe; 21. Februar 2001 - 7 AZR 200/00 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 226 = EzA BGB § 620 Nr. 174, zu II 1 der Gründe mit vielen Nachweisen aus der Senatsrechtsprechung).
b) Der Sachgrund der Vertretung rechtfertigt jedoch nicht die Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertreter beim Ausscheiden des Vertretenen aus dem Dienst. Allein durch dessen Ausscheiden wird der Bedarf des Arbeitgebers an der Verrichtung der früher vom Vertretenen und jetzt vom Vertreter auszuübenden Tätigkeit nicht zeitlich begrenzt (BAG 24. September 1997 - 7 AZR 669/96 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 192, zu II 4 der Gründe).
3. Der Beendigungstatbestand des Ausscheidens des Vertretenen kann aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein, zB wenn der Arbeitgeber den Vertreter auf Grund konkreter bei Vertragsschluß vorliegender Anhaltspunkte zwar als zeitweilige Aushilfe, nicht aber als Dauerbesetzung des Arbeitsplatzes für geeignet hält und er deshalb den Arbeitsplatz im Falle des Ausscheidens des eigentlichen Inhabers anderweitig mit einem qualifizierten Mitarbeiter besetzen will (BAG 24. September 1997 - 7 AZR 669/96 - aaO, zu II 4 der Gründe). Tatsachen für einen derartigen Sachgrund hat das beklagte Land nicht hinreichend dargelegt.
a) Das beklagte Land hat vielmehr ein rechtliches Hindernis an der dauerhaften Beschäftigung der Klägerin in ihrer Tätigkeit eingewandt. Sie erfülle nicht die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nach § 4 Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz (StBAG, BGBl. 1996 I S 1578) oder der Verordnung über die Bewährungsanforderungen für die Einstellung von Bewerbern aus dem Beitrittsgebiet in ein Beamtenverhältnis (Bewährungsanforderungsverordnung) vom 20. August 1991 (GBl. Brandenburg S 378). Ein solches Hindernis bestand jedoch nicht. Die Tatsache, daß die Klägerin nicht über die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine Einstellung in den gehobenen Dienst der Finanzverwaltung verfügt, hindert zwar ihre Ernennung zur Beamtin, steht jedoch ihrer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis nicht entgegen. Aus den Bestimmungen des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und der Bewährungsanforderungsverordnung ergibt sich nicht, daß als Leiter der Buchführung eines Finanzamtes auch im Angestelltenverhältnis nur Mitarbeiter beschäftigt werden dürfen, die die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine Einstellung als Beamte des gehobenen Dienstes erfüllen. Wäre dies der Fall, hätte die Klägerin auch nicht vorübergehend mit dieser Tätigkeit beschäftigt werden dürfen. Das beklagte Land hat damit vermeintliche Normen erfüllen wollen, nicht aber entschieden, die Stelle des Leiters der Buchführung nach dem Ausscheiden der Verwaltungsangestellten K nur noch mit einem Beamten zu besetzen.
b) Das beklagte Land hat auch nicht vorgetragen, bei Vertragsschluß am 1. Dezember 1997 eine Organisationsentscheidung dahingehend getroffen zu haben, die Stelle des Leiters der Buchführung eines Finanzamtes auch im Angestelltenverhältnis künftig nur noch mit Mitarbeitern besetzen zu wollen, die über die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Einstellung als Beamte des gehobenen Dienstes verfügen. Seinem Vorbringen läßt sich nicht entnehmen, wann welcher Entscheidungsträger welche konkrete Entscheidung über die Qualifikation von Leitern der Buchführung von Finanzämtern getroffen haben soll. Die vom beklagten Land insoweit erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe die ihm nach § 139 ZPO obliegende Aufklärungspflicht verletzt, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Das beklagte Land macht lediglich geltend, es sei vom Landesarbeitsgericht nicht durch Nachfragen zu weiterem Sachvortrag zu den maßgeblichen Entscheidungen und Prognosen veranlaßt worden. Hätte das Landesarbeitsgericht entsprechende Fragen gestellt, hätten die erheblichen Sachverhalte vorgetragen werden können. Dies reicht zur Begründung der Aufklärungsrüge jedoch nicht aus. Dazu muß vielmehr im einzelnen angegeben werden, was die Partei bei entsprechender Befragung durch das Gericht geantwortet hätte. Der unterbliebene Sachvortrag muß vollständig nachgeholt und über die Aufklärungsrüge schlüssig gemacht werden (vgl. etwa BGH 8. Oktober 1987 - VII ZR 45/87 - NJW-RR 1988, 208).
4. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beendigungsvereinbarung wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG Brandenburg unwirksam ist (vgl. dazu BAG 27. September 2000 - 7 AZR 412/99 - AP LPVG Brandenburg § 61 Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 21, zu B I 1 und 2 der Gründe).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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