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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.08.1998
Aktenzeichen: 7 AZR 349/97
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag |
Ein sachlicher Grund für die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses liegt nicht allein darin, daß der neue befristete Arbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Arbeitsbedingungen vorsieht und der Arbeitnehmer zwischen diesem neuen Arbeitsvertrag und der Fortsetzung seines bisherigen unbefristeten Arbeitsverhältnisses frei wählen konnte.
Aktenzeichen: 7 AZR 349/97 Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 26. August 1998 - 7 AZR 349/97 -
I. Arbeitsgericht Berlin - 90 Ca 20651/96 - Urteil vom 11. Oktober 1996
II. Landesarbeitsgericht Berlin - 17 Sa 147/96 - Urteil vom 07. April 1997
------------------------------------------------------------------ Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
Gesetz: BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag
7 AZR 349/97 ------------ 17 Sa 147/96 Berlin
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 26. August 1998
Siegel, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. August 1998 durch den Richter Professor Dr. Steckhan als Vorsitzenden, die Richterin Schmidt und den Richter Dr. Mikosch sowie die ehrenamtlichen Richter Haeusgen und Güner für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 7. April 1997 - 17 Sa 147/96 - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte ist ein von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin getragenes Forschungsinstitut und betreibt sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung. Sie beschäftigte den Kläger im Anschluß an zwei befristete Arbeitsverhältnisse seit dem 1. Juni 1990 auf der Grundlage eines unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 28. Mai 1990 als Wissenschaftler. Mit Schreiben vom 17. Juni 1991 erhielt der Kläger einen Ruf der Universität Wien auf einen Lehrstuhl als ordentlicher Universitätsprofessor der Betriebswirtschaftslehre. Die Beklagte führte daraufhin mit ihm Bleibeverhandlungen und konzipierte zur Abwehr des dem Kläger erteilten Rufs in ihrem Forschungsschwerpunkt IV ("Marktprozeß und Unternehmensentwicklung") eine sog. Forschungsprofessur mit dem Themenkreis "Technologischer Wandel und Industrieumstrukturierung" und stellte dem Kläger eine auf fünf Jahre befristete Tätigkeit als Forschungsprofessor in Aussicht. Nachdem der Wissenschaftliche Rat und das Kuratorium der Beklagten ihre Zustimmung zur befristeten Berufung des Klägers als Forschungsprofessor erteilt hatten, schlossen die Parteien nach Zustimmung der Zuwendungsgeber am 16. April 1992 einen für die Zeit vom 1. März 1992 bis zum 28. Februar 1997 befristeten Arbeitsvertrag, nach dem der Kläger als Forschungsprofessor im Forschungsschwerpunkt IV tätig sein und eine Vergütung in Höhe einer C 4-Besoldung erhalten sollte. Am 24. Juli 1992 vereinbarten die Parteien, daß der Arbeitsvertrag vom 28. Mai 1990 außer Kraft gesetzt werde.
Mit seiner am 11. Dezember 1995 eingereichten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht, da ein sachlicher Grund für die Befristung nicht vorliege. Die von ihm zu verrichtende Forschungsarbeit sei auf Dauer angelegt gewesen. Er sei an einer unbefristeten Tätigkeit als Forschungsprofessor interessiert gewesen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Befristung des Arbeitsverhältnisses für wirksam gehalten. Dies ergebe sich bereits aus der für den Kläger bestehenden Wahlmöglichkeit, den Ruf der Universität Wien anzunehmen, bei der Beklagten weiterhin unbefristet als Wissenschaftler oder befristet als Forschungsprofessor zu arbeiten. Die Befristung sei im Hinblick auf die zu verrichtende Forschungsarbeit sachlich gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte habe die Forschungsarbeit des Forschungsschwerpunktes IV nicht langfristig durch die Ausrichtung der Forschungsprofessur festlegen wollen, zumal ein zweiter Abteilungsdirektor habe berufen werden sollen. Der Kläger habe zudem bislang nicht interdisziplinär gearbeitet, so daß die von ihr angestrebte Verknüpfung der zu behandelnden Fragen der konzeptionellen und theoretischen Entwicklungen der Wirtschaftswissenschaften mit wirtschaftssoziologischen und rechtswissenschaftlichen Fragestellungen von ihm nicht zu erwarten gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen eines sachlichen Grundes mit unzureichender und damit rechtsfehlerhafter Begründung bejaht. Es wird daher erneut zu prüfen haben, ob ein sachlicher Grund vorlag.
I. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zu Recht als zulässig angesehen. Der Senat folgt der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, daß die Berufungsbegründung hinreichend erkennen ließ, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Kläger das Urteil des Arbeitsgerichts für unrichtig hielt. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich insbesondere, daß der Kläger die das Ersturteil tragende Rechtsansicht angriff, im Entscheidungsfalle habe die Befristung keines sachlichen Grundes bedurft.
II. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß auch im Entscheidungsfalle für die Befristung ein sachlicher Grund erforderlich war. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24. Januar 1996 - 7 AZR 496/95 - BAGE 82, 101 = AP Nr. 179 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Urteil vom 14. Oktober 1997 - 7 AZR 599/96 -, n.v.; zur Veröffentlichung bestimmte Urteile vom 28. Januar 1998 - 7 AZR 656/96 - und vom 8. Juli 1998 - 7 AZR 245/97 -) bedarf grundsätzlich auch die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsvertrages eines sachlichen Grundes. Denn durch jede Vereinbarung eines automatisch, d.h. ohne Kündigungserklärung eintretenden Beendigungstatbestandes wird das Eingreifen der für die Kündigung geltenden Rechtsvorschriften ausgeschlossen. Damit stellt sich stets die Frage, ob hierin eine funktionswidrige Verwendung des Rechtsinstituts des befristeten Arbeitsvertrages und damit eine objektive Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzrechts liegt. Diese Frage ist durch die Prüfung des Vorliegens eines sachlichen Grundes zu beantworten.
III. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, für die Befristung des letzten Arbeitsvertrages habe ein sachlicher Grund vorgelegen, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Bei dem Begriff des sachlichen Grundes zur Rechtfertigung einer Befristung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts zum Vorliegen eines Sachgrundes kann revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob Rechtsbegriffe verkannt, Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände des Einzelfalles übersehen worden sind (vgl. BAG Urteil vom 24. April 1996 - 7 AZR 719/95 - BAGE 83, 60 = AP Nr. 180 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 3 a der Gründe, m.w.N.).
2. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen eines sachlichen Grundes im wesentlichen mit der Begründung bejaht, der Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages sei das Ergebnis von Bleibeverhandlungen gewesen. Die Änderung der bisherigen arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien sei nicht von der Beklagten veranlaßt worden, die vom Kläger mit der Möglichkeit seines Weggangs konfrontiert worden sei. Der Kläger habe frei und eigenverantwortlich zwischen mehreren Möglichkeiten wählen können. Die Aufnahme der Tätigkeit als Forschungsprofessor habe im ganz überwiegenden Interesse des Klägers gelegen. Ein betriebliches Bedürfnis für eine Tätigkeit des Klägers als Forschungsprofessor habe nicht bestanden; in dem Forschungsschwerpunkt IV sei die Stelle eines Forschungsprofessors weder befristet noch unbefristet zu besetzen gewesen, sondern ausschließlich eingerichtet worden, um den Kläger weiterhin an die Beklagte zu binden.
3. Mit dieser Begründung läßt sich ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht bejahen.
a) Die freie Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers, ein für ihn günstiges Vertragsänderungsangebot seines Arbeitgebers anzunehmen oder abzulehnen, besteht bei jeder "Beförderung" eines Arbeitnehmers und ist für sich gesehen kein Sachgrund dafür, das geänderte Arbeitsverhältnis auch zu befristen. Daran ändert sich nichts dadurch, daß der Arbeitnehmer auch von einem Dritten ein ihn interessierendes Vertragsangebot erhalten hat und der Arbeitgeber nun seinerseits durch sein Angebot das Überwechseln des Arbeitnehmers zu dem Dritten zu verhindern sucht. Denn dabei handelt es sich lediglich um eines von zahlreichen denkbaren Motiven des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen anzubieten.
b) Für das Vorliegen eines Sachgrundes unergiebig ist auch der Gesichtspunkt, die Tätigkeit als Forschungsprofessor habe im ganz überwiegenden Interesse des Klägers gelegen und ein betriebliches Bedürfnis der Beklagten habe hierfür nicht bestanden. Das Landesarbeitsgericht verwechselt hier das Interesse des Klägers an einer Tätigkeit als Forschungsprofessor mit seinem Interesse an einer Befristung. Zwar kann der ernsthafte Wunsch des Arbeitnehmers an einer Befristung des Arbeitsverhältnisses einen sachlichen Grund darstellen. Das wäre insbesondere der Fall gewesen, wenn die Beklagte dem Kläger die Forschungsprofessur alternativ unbefristet oder befristet angeboten und der Kläger die Befristung gewählt hätte. Diese Wahlmöglichkeit bestand für den Kläger jedoch nicht. Auch wenn die Befristung der Forschungsprofessur aus der Sicht der Beklagten einen untrennbaren Bestandteil ihres Vertragsangebots bildete, läßt das nicht auf einen Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Befristung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses schließen.
c) Das Landesarbeitsgericht hätte deshalb das Vorliegen eines sachlichen Grundes nur auf der Grundlage eines betrieblichen Interesses der Beklagten an der Befristung prüfen dürfen. Dazu hätte es den Vortrag der Beklagten zu Planungen im Forschungsschwerpunkt IV und zur Eignung des Klägers nachgehen und prüfen müssen, ob die Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Prognose erstellen durfte, die Einrichtung der Forschungsprofessur für den Kläger sei nicht auf Dauer, sondern nur für eine begrenzte Zeit mit den dem Institut obliegenden Forschungsaufgaben bzw. der Notwendigkeit, diese an wechselnde Verhältnisse anzupassen, zu vereinbaren.
IV. Diese Würdigung wird das Landesarbeitsgericht im anschließenden Berufungsverfahren, in dem neuer Sachvortrag wieder uneingeschränkt zulässig ist, nachzuholen haben. Das Landesarbeitsgericht wird dabei insbesondere der von der Beklagten behaupteten zeitlichen Begrenztheit des Aufgabengebiets des Klägers und dessen unter Umständen fehlenden Eignung zu ihrer dauerhaften Wahrnehmung, auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der Freiheit von Wissenschaft und Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG), nachzugehen haben.
Ende der Entscheidung
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