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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.01.1999
Aktenzeichen: 7 AZR 715/97
Rechtsgebiete: Beschäftigungsförderungsgesetz, KSchG
Vorschriften:
Beschäftigungsförderungsgesetz in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 § 1 Abs. 5 | |
KSchG § 7 |
1. Die Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG ist nicht nur bei Befristungen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz, sondern auch bei Befristungen nach anderen Vorschriften und Grundsätzen zu beachten.
2. Arbeitnehmer, die die Wirksamkeit der Befristung in einem Arbeitsvertrag nach dem 1. Oktober 1996 gerichtlich überprüfen lassen wollen, müssen die Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG einhalten.
3. Die Klagefrist begann für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Oktober 1996 aufgrund einer Befristung enden sollte, am 1. Oktober 1996. Die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 BeschFG in Verbindung mit § 7 KSchG trat mit Ablauf des 21. Oktober 1996 ein.
Aktenzeichen: 7 AZR 715/97 Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 20. Januar 1999 - 7 AZR 715/97 -
I. Arbeitsgericht Berlin Urteil vom 24. März 1997 - 91 Ca 43538/96 -
II. Landesarbeitsgericht Berlin Urteil vom 22. Oktober 1997 - 8 Sa 92/97 -
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Entscheidungsstichworte: Klagefrist nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz
Gesetz: Beschäftigungsförderungsgesetz in der Fassung des Arbeits- rechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. Septem- ber 1996 § 1 Abs. 5; KSchG § 7
7 AZR 715/97 8 Sa 92/97 Berlin
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 20. Januar 1999
Siegel, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dörner, die Richterin Schmidt und den Richter Dr. Fischermeier sowie die ehrenamtlichen Richter Nottelmann und Metzinger für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 22. Oktober 1997 - 8 Sa 92/97 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags.
Die Klägerin war seit dem 14. November 1994 in zwei befristeten Arbeitsverhältnissen, zuletzt für die Zeit vom 13. August 1995 bis zum 3. August 1996, als Lehrerin beim beklagten Land beschäftigt. Mit Schreiben vom 12. Juni 1996 teilte das Landesschulamt der Klägerin wie mehreren hundert gleichfalls befristet beschäftigten Lehrern und Lehrerinnen mit, eine Anschlußbeschäftigung könne nur mit einem Teil der Lehrkräfte vereinbart werden. Darüber werde erst nach schulaufsichtlicher Bedarfsprüfung entschieden, so daß zunächst alle Lehrkräfte mit befristeten Verträgen ausscheiden müßten. Das Arbeitsverhältnis ende daher wie vereinbart mit Ablauf des 3. August 1996. Die Klägerin hat sich danach mehrfach um eine Weiterbeschäftigung beworben. Mit Schreiben vom 8. Oktober 1996 teilte ihr das Landesschulamt mit, sie solle sich bis zum Beginn des Schuljahres 1997 gedulden.
Mit der am 8. November 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres letzten Arbeitsvertrags geltend gemacht.
Sie hat beantragt,
1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 3. August 1996 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 10. August 1995 fortbesteht,
2. das beklagte Land zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, die vereinbarte Befristung sei gem. § 7 KSchG i.V.m. § 1 Abs. 5 BeschFG wirksam, weil die Klägerin ihre Klage nicht rechtzeitig erhoben habe. Außerdem habe die Klägerin ihr Klagerecht verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat zwar nicht ihr Recht verwirkt, die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung gilt jedoch gem. § 7 KSchG i.V.m. § 1 Abs. 5 BeschFG als wirksam, weil die Klägerin ihre Klage nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 1 Abs. 5 BeschFG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) erhoben hat.
I. Die Klage ist zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Voraussetzungen einer Prozeßverwirkung, wie sie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat, nicht gegeben sind. Bei dieser Würdigung läßt der Senat dahingestellt, ob die Verwirkung der Befugnis, einen anderen vor Gericht zivilrechtlich zu belangen, denselben Voraussetzungen unterliegt wie die materiell-rechtliche Verwirkung eines Anspruchs nach § 242 BGB (kritisch dazu RGRK/Dörner, § 620 BGB Rz 164 bis 167). Denn das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu Recht angenommen, das Vertrauen des beklagten Landes überwiege das Interesse der Klägerin an einer sachlichen Prüfung nicht in der Weise, daß ihm die Einlassung auf die im November 1996 erhobene Klage nicht zuzumuten sei. Die Ausführungen des beklagten Landes in der Revisionsinstanz rechtfertigen keine anderweite Beurteilung. Sie setzen sich insbesondere nicht mit dem entscheidenden Umstand auseinander, daß das beklagte Land wegen einer Vielzahl von Klagen zur Wirksamkeit der befristeten Arbeitsverhältnisse von Lehrern im Schuljahr 1995/1996 mit dem Streitstoff bestens vertraut war und auch bei einer Klageerhebung im ersten Halbjahr des nächsten Schuljahres nicht vor dem Problem stand, den Sachverhalt nicht mehr ordnungsgemäß aufarbeiten zu können.
II. Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend erkannt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der vereinbarten Befristung am 3. August 1996 geendet hat. Die von den Parteien im Arbeitsvertrag vom 10. August 1995 vereinbarte Befristung gilt gem. § 7 KSchG i.V.m. § 1 Abs. 5 BeschFG als wirksam.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG auch bei Arbeitsverträgen einzuhalten, die nicht nach den Bestimmungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes befristet sind. Diese im Schrifttum einhellig vertretene Auffassung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Zwar ist der Wortlaut nicht eindeutig. Jedoch sprechen die Systematik, der Sinn und Zweck der Vorschriften sowie die Gesetzesbegründung für eine Anwendbarkeit der Klagefrist auf alle Befristungsarten.
a) Der Gesetzgeber hat die Klagefrist nicht nach den Absätzen 1 bis 3, die die Besonderheiten der Befristungen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz regeln, in das Gesetz eingeführt, sondern nach Absatz 4, der auf sonstige Befristungsmöglichkeiten außerhalb des Gesetzes hinweist. Das spricht ebenso für die Anwendung der Norm auf Befristungen außerhalb des Beschäftigungsförderungsgesetzes wie die Fassung des § 1 Abs. 6 BeschFG. Danach gilt die Klagefrist in § 1 Abs. 5 BeschFG - anders als die zeitlich bis zum Ablauf des Jahres 2000 geltenden Befristungsregelungen in § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 BeschFG - unbegrenzt. Fände die Klagefrist nur auf die Befristungen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz Anwendung, so wäre bei diesem Verständnis der Norm die auf Dauer angelegte Klagefrist ab dem Jahre 2001 ohne Anwendungsbereich.
b) Auch Sinn und Zweck sprechen für eine Geltung der Klagefrist für Befristungen außerhalb der Regelung des Beschäftigungsförderungsgesetzes. Mit der Einführung einer einheitlichen Klagefrist für alle Klagen, mit denen die Unwirksamkeit einer Befristung geltend gemacht wird, ist dem Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit umfassend Rechnung getragen.
c) Letztlich sprechen für diese Auslegung die Gesetzesmaterialien. Die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf stellt darauf ab, daß bei Klagen gegen die Unwirksamkeit eine Befristungsabrede unabhängig davon, auf welcher Grundlage die Befristung beruht, die Dreiwochenfrist einzuhalten ist, wie sie für Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG vorgeschrieben ist (BT-Drucks. 13/4612, S. 13, 17).
2. Die Vorschrift des § 1 Abs. 5 BeschFG findet auch auf die Verträge Anwendung, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober 1996 abgeschlossen worden sind und die nach der jeweiligen, dem Vertrag zugrunde liegenden Befristungsvereinbarung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes beendet sein sollten und bei denen der Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Befristung nach dem 1. Oktober 1996 überprüfen läßt. Das ergibt die Auslegung der Vorschriften in Art. 4 des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 über die Änderung des Beschäftigungsförderungsgesetzes von 1985 und in Art. 13 Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz über dessen Inkrafttreten. Danach ist die Bestimmung über die Klagefrist in § 1 Abs. 5 BeschFG ohne Einschränkung seit dem 1. Oktober 1996 in Kraft. Eine anders lautende Übergangsregelung für sog. Altverträge fehlt. Danach müssen Arbeitsvertragsparteien und Gerichte für Arbeitssachen seit dem 1. Oktober 1996 die Einhaltung der Klagefrist beachten. Das gilt auch deswegen, weil der Gesetzgeber zu den geänderten Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes, des Bundesurlaubsgesetzes und des Entgeltfortzahlungsgesetzes in den Art. 1 Nr. 2 c, Art. 2 Nr. 3 und Art. 3 Nr. 6 Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz Überleitungsvorschriften geschaffen hat. Bestätigt wird die Auslegung durch die Tatsache, daß der Gesetzgeber in der Vergangenheit zum Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mehrfach für Altfälle besondere Vorschriften geschaffen hat (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 KSchG 1951, § 57 f HRG, Art. 12 des 2. Gleichberechtigungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406) für die Klagefristen des § 61 b ArbGG und die Ausschlußfrist des § 611 a Abs. 4 BGB).
3. Die von der Revision geforderte Auslegung des geänderten Beschäftigungsförderungsgesetzes und der Inkrafttretensvorschrift mit dem Ergebnis, daß geltendes Recht nicht anwendbar sei, weil im Streitfall eine Klageerhebung innerhalb von drei Wochen wegen Verstreichens der Klagefrist vor Inkrafttreten des Gesetzes nicht möglich war, ist unter alleiniger Beachtung des Wortlauts der Bestimmungen denkbar. Die Revision übersieht jedoch, daß der Geltung des Gesetzes durch eine verfassungskonforme Auslegung Beachtung verschafft werden kann, die eine Rückwirkung vermeidet. Die Anwendung des Gesetzes bedeutet nämlich nicht, daß die Frist für die Klageerhebung am 3. August 1996 angelaufen ist. Vielmehr lief die seit dem 1. Oktober 1996 einzuhaltende dreiwöchige KIagefrist für alle Arbeitsverhältnisse, die bis zum 30. September 1996 einschließlich enden sollten, erst mit Beginn des 1. Oktober 1996 an. Folglich trat die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG i.V.m. § 7 KSchG mit Ablauf des 21. Oktober 1996 ein (§§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB). Denn nur der Fristbeginn mit dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes für alle auf einen Tag vor dem 1. Oktober 1996 befristeten Arbeitsverhältnisse ermöglicht, daß den die Unwirksamkeit der Befristungsvereinbarung reklamierenden Arbeitnehmern eine gleichmäßige Überlegungsfrist von drei Wochen ab Inkrafttreten des Gesetzes zusteht.
a) Das gilt zunächst für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zwischen dem 10. September 1996 und dem 30. September 1996 aufgrund einer Befristungsabrede enden sollten. Bei der Annahme einer am vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses anlaufenden Frist hätten die Arbeitnehmer nach dem Inkrafttreten des Gesetzes unterschiedliche Überlegungsfristen von einem Tag bis zu 20 Tagen. Für eine derartige Ungleichbehandlung ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Die Bestimmung wäre dann nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Diese Erkenntnis gebietet eine verfassungskonforme Auslegung, daß die Frist gleichmäßig für alle Arbeitnehmer mit Altverträgen dieser Art am 1. Oktober 1996 anlief.
b) Das gilt im Ergebnis ebenso für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 10. September 1996 enden sollte. Eine Auslegung der Art. 4 und Art. 13 Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz, wonach diese Arbeitnehmer trotz uneingeschränktem Inkrafttreten des Gesetzes keine Klagefrist einzuhalten hätten und bis zur Grenze der Verwirkung eine gerichtliche Befristungskontrolle verlangen könnten, verträgt sich ebenfalls nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet vielmehr eine Auslegung, daß alle Arbeitnehmer, die nach dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 BeschFG am 1. Oktober 1996 die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen wollen, für ihre Entscheidung eine dreiwöchige Überlegungsfrist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes haben (ebenso ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rz 182; KR-Lipke, 5. Aufl., § 1 BeschFG 1996 Rz 178; Sowka, BB 1997, 677, 679; Stahlhacke/Preis, WiB 1996, 1025, 1028). Die gegenteilige Ansicht, nach der das Gesetz Rechtswirkungen nur für solche Arbeitsverhältnisse hat, die nach Inkrafttreten des Gesetzes noch bestehen (von Hoyningen-Huene/Linck, DB 1997, 41, 46), übersieht, daß gerade die zur gerichtlichen Beurteilung anstehende Rechtsfrage den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Inkrafttreten des Gesetzes betrifft.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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