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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 23.02.2000
Aktenzeichen: 7 AZR 906/98
Rechtsgebiete: GG, BeschFG, KSchG, SGG, BAT
Vorschriften:
GG Art. 12 Abs. 1 | |
BeschFG § 1 Abs. 5 | |
KSchG § 4 | |
SGG § 84 | |
BAT § 59 Abs. 1 |
1. Die Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG findet keine Anwendung bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung.
2. Das Arbeitsverhältnis eines Angestellten endet nicht nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT mit Ablauf des Monats, in dem ihm ein Bescheid eines Rentenversicherungsträgers über die Feststellung einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente zugeht, wenn der Angestellte den Rentenantrag bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist des § 84 SGG auf die Gewährung einer Zeitrente nach § 102 SGB VI beschränkt.
Hinweise des Senats:
Fortführung der Senatsrechtsprechung zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses infolge einer Rentengewährung nach § 59 Abs. 1 BAT (BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP BAT § 59 Nr. 8)
Aktenzeichen: 7 AZR 906/98 Bundesarbeitsgericht 7. Senat Urteil vom 23. Februar 2000 - 7 AZR 906/98 -
I. Arbeitsgericht Münster - 2 Ca 1262/97 - Urteil vom 14. August 1997
II. Landesarbeitsgericht Hamm - 5 Sa 2140/97 - Urteil vom 24. Juli 1998
7 AZR 906/98 5 Sa 2140/97
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 23. Februar 2000
Schiege Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin,
pp.
beklagtes, berufungsklagendes und revisionsbeklagtes Land,
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier, die ehrenamtlichen Richter Prof. Dr. Knapp und Herbst für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Juli 1998 - 5 Sa 2140/97 - aufgehoben.
2. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 14. August 1997 - 2 Ca 1262/97 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der erste Satz des Tenors folgende Fassung erhält:
Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 30. Juni 1996 beendet worden ist.
3. Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nach § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Land seit Juli 1987 als Regierungsangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte der Klägerin durch Bescheid vom 31. August 1993 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31. Dezember 1993. Die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 30. Juni 1996. Nachdem die Klägerin einen Antrag auf Weiterzahlung der Rente gestellt hatte, erhielt sie durch den im Juni 1996 zugestellten Rentenbescheid vom 24. Mai 1996 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer. Dagegen erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch mit dem Ziel, eine Zeitrente zu erhalten. Davon setzte sie das beklagte Land am 18. Juni 1996 in Kenntnis.
Mit Bescheid vom 20. November 1996 half die BfA dem Widerspruch der Klägerin ab und gewährte wegen begründeter Aussicht auf Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit bis zum 30. Juni 1998. Anschließend unterrichtete die Klägerin das beklagte Land über den Abhilfebescheid, das sich jedoch zuletzt noch im Schreiben vom 9. Mai 1997 auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1996 berief.
Mit ihrer Klage vom 22. Mai 1997 hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis habe nicht gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT geendet, nachdem der Dauerrentenbescheid auf ihren Widerspruch abgeändert worden sei und ihr eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit gewährt werde.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 30. Juni 1996 beendet worden ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung zum 20. Juni 1996 beendet worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils erster Instanz, dessen Tenor infolge eines offenkundigen Schreibversehens zur Klarstellung neu zu fassen war. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT mit Ablauf des 30. Juni 1996 geendet hat.
1. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 30. Juni 1996 ist nicht bereits deswegen wirksam, weil die Klägerin erst am 22. Mai 1997 Klage erhoben hat. Die Klägerin war nicht gehalten, die dreiwöchige Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG einzuhalten. Diese Klagefrist gilt nicht für auflösend bedingte Arbeitsverhältnisse.
a) Die Tarifvorschrift des § 59 Abs. 1 BAT, nach der ua das Arbeitsverhältnis aufgrund der Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit endet, regelt eine auflösende Bedingung (BAG st. Rspr. 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - AP BAT § 59 Nr. 6 zu I 1 der Gründe mwN).
b) Die Klagefrist des § 1 Abs.5 BeschFG findet keine Anwendung bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Folge des Eintritts einer auflösenden Bedingung.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift regelt § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 eine Klagefrist nur für Befristungen (ErfK/Müller-Glöge, § 1 BeschFG 1996 Rn. 69; Wisskirchen DB 1998, 722, 725). Auch die Gesetzesbegründung stellt ausschließlich darauf ab, daß eine dreiwöchige Klagefrist nicht nur bei Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG, sondern künftig auch für Befristungsabreden gelten soll (BT-Drucks. 13/4612 S 17). Der Gesetzgeber hat damit von der Einführung einer einheitlichen Klagefrist für alle Beendigungstatbestände abgesehen. Das verdeutlicht auch das Fehlen von Regelungen zum Beginn der Klagefrist bei sonstigen Beendigungstatbeständen außerhalb von Befristungsvereinbarungen und Kündigungen (aA KR-Lipke § 1 BeschFG 1996 Rn. 171; Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 4. Aufl. § 1 BeschFG 1996 Rn. 56).
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der Zustellung des Rentenbescheids vom 24. Mai 1996 über die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 30. Juni 1996 geendet. Die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 BAT für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Rentengewährung sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat ihren Rentenantrag innerhalb der Widerspruchsfrist und damit vor Eintritt der Bestandskraft des Rentenbescheids eingeschränkt. Der daraufhin ergangene Abhilfebescheid über die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente bewirkt lediglich das Ruhen des Arbeitsverhältnisses (§ 59 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 BAT).
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP BAT § 59 Nr. 8) endet das Arbeitsverhältnis eines Angestellten nach § 59 Abs. 1 BAT nicht mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers über die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zugestellt wird, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 SGG seinen Rentenantrag zurücknimmt. Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist seinen Rentenantrag beschränkt und anstelle einer Dauerrente eine solche auf Zeit begehrt.
b) Das folgt aus einer verfassungskonformen Auslegung der Tarifnorm. Danach haben die Tarifparteien die in § 59 Abs. 1 BAT geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Ausspruch einer Kündigung von dem dauerhaften Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig gemacht. Das rechtfertigt nach den Grundsätzen des Befristungsrechts die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf den gesetzlichen Kündigungsschutz nur deswegen, weil durch den Bezug dauerhafter Rentenleistungen dem aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bestandsschutz und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers Rechnung getragen wird (BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP BAT § 59 Nr. 8 zu 2 c der Gründe). Die Anknüpfung des Beendigungstatbestands an eine nur auf Antrag zu gewährende Rentenleistung wahrt darüber hinaus auch das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht des Arbeitnehmers, in eigener Verantwortung über die Fortführung der von ihm gewählten Tätigkeit zu entscheiden (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - AP GG Art. 12 Nr. 70 zu C III 1 der Gründe). Die dem Arbeitnehmer durch § 59 Abs. 1 BAT eingeräumte sozialrechtliche Dispositionsbefugnis bewirkt deshalb arbeitsrechtlich den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, soweit der Arbeitnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 SGG seinen Rentenantrag beschränkt und anstelle einer Dauerrente nur noch eine Rente auf Zeit begehrt. Die Interessen des Arbeitgebers werden dadurch nicht unangemessen beschränkt. Er wird nicht gezwungen, auf Dauer einen erwerbsunfähigen Arbeitnehmer zu beschäftigen oder dessen Arbeitsplatz freizuhalten. Ihm bleibt die Möglichkeit nach § 59 Abs. 1 Satz 6 BAT wegen schuldhafter Verzögerung eines Rentenantrags im Wege amtsärztlicher Untersuchung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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