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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 8 AZR 199/04
Rechtsgebiete: BGB, Richtlinie 2001/23/EG, InsO, ZPO
Vorschriften:
BGB § 613a | |
BGB § 242 | |
Richtlinie 2001/23/EG | |
InsO § 1 Satz 1 | |
InsO a.F. § 113 | |
InsO a.F. § 125 | |
InsO a.F. § 126 | |
InsO a.F. § 127 | |
InsO a.F. § 128 | |
ZPO § 894 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 28. Oktober 2004
In Sachen
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wittek, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Vesper und die ehrenamtliche Richterin Iskra
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 2. April 2004 - 3 Sa 1870/03 - aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 4. September 2003 - 4 Ca 310/02 - wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten.
Der Kläger war seit 21. März 1973 als technischer Angestellter bei der H S GmbH beschäftigt, zuletzt in dem Bereich der Qualitätssicherung. Die H S GmbH benannte sich im Herbst 2001 in G R GmbH (GRT-GmbH) um. Am 15. November 2001 wurde die Beklagte gegründet; Alleingesellschafterin war die GRT-GmbH. Mit Beschluss vom 15. Januar 2002 wurde über das Vermögen der GRT-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte allen Arbeitnehmern der GRT-GmbH zum 30. April 2002, so auch dem Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2002. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers ist mittlerweile rechtskräftig abgewiesen. Die Beklagte führte ab 1. Mai 2002 die von der GRT-GmbH ausgeführten Arbeiten in denselben Räumlichkeiten mit denselben Betriebsmitteln weiter. Sie beschäftigte 84 von ca. 140 Mitarbeitern der GRT-GmbH weiter, nicht aber den Kläger. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2002 bot die Beklagte dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag als Sachbearbeiter im Bereich Vertrieb und Fertigungssteuerung an. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab.
Der Kläger hat geltend gemacht, es liege ein vollständiger Betriebsübergang von der GRT-GmbH auf die Beklagte vor. Sein Arbeitsverhältnis sei deshalb von der GRT-GmbH auf die Beklagte gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen. Er müsse daher von der Beklagten weiterbeschäftigt, zumindest wiedereingestellt werden. Sein Arbeitsplatz in der Qualitätssicherung bestehe nach wie vor und sei mit dem Mitarbeiter K besetzt worden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass er sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu den Bedingungen seines Arbeitsvertrags mit der G R GmbH i.L. befinde,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen seines Arbeitsvertrags mit der G R GmbH i.L. wieder einzustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie trägt vor, es läge allenfalls ein Teilbetriebsübergang vor, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei diesem Betriebsteil aber nicht zuzuordnen. Ein Wiedereinstellungsanspruch bestehe wegen des Insolvenzverfahrens ohnehin nicht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Nachdem das klageabweisende Urteil im Kündigungsschutzprozess rechtskräftig geworden ist, wendet sich der Kläger im streitgegenständlichen Verfahren nur noch gegen die Abweisung des hilfsweise geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruchs. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, das Angebot des Klägers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den Bedingungen seines Arbeitsvertrags mit der G R GmbH in Insolvenz anzunehmen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung des Wiedereinstellungsantrags weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des hilfsweise gestellten Wiedereinstellungsantrags.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
1. Die Klage sei zulässig. Der auf Verurteilung der Beklagten zur Wiedereinstellung gerichtete Klageantrag sei dahin auszulegen, dass die Beklagte zur Annahme eines in der Klage enthaltenen Angebots des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags verurteilt werden soll.
2. Der Wiedereinstellungsanspruch sei insoweit begründet. Die Voraussetzungen für den Fortsetzungsanspruch des Klägers seien erfüllt:
Der Insolvenzverwalter der GRT-GmbH habe das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Januar 2002 wirksam zum 30. April 2002 wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung gekündigt. Dies stehe nach rechtskräftiger Abweisung der Kündigungsschutzklage fest. Noch vor Ablauf der Kündigungsfrist zum 30. April 2002 sei die Tatsachengrundlage für die am 28. Januar 2002 gerechtfertigt gewesene Prognose entfallen, es werde zu einer Betriebseinstellung kommen. Tatsächlich habe die Beklagte ab 1. Mai 2002 die Tätigkeiten der GRT-GmbH mit 84 von ca. 140 Arbeitnehmern fortgeführt und damit den Betrieb der insolventen GRT-GmbH vollständig gem. § 613a BGB übernommen. Die Beklagte habe den Betrieb ohne zeitliche Unterbrechung mit denselben sachlichen, personellen und immateriellen Betriebsmitteln im Wesentlichen unverändert fortgeführt. Die Übernahme von lediglich ca. 60 % der bisherigen Belegschaft spreche bei einem Produktionsbetrieb der vorliegenden Art nicht gegen einen Betriebsübergang oder nur für einen Teilbetriebsübergang. Trotz Personalreduzierung sei die bisherige Betriebsorganisation im Wesentlichen erhalten geblieben. Der Kläger habe den Fortsetzungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht. Der Beklagten sei die Wiedereinstellung des Klägers zumutbar.
Der Fortsetzungsanspruch des Klägers scheitere nicht daran, dass die Betriebsveräußerung in der Insolvenz erfolgt sei. Zwar finde nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG die Betriebsübergangsrichtlinie keine Anwendung im Insolvenzverfahren, wenn die Mitgliedsstaaten nichts anderes bestimmten. Eine solche andere Bestimmung enthalte jedoch § 613a BGB im deutschen Recht, der nach ständiger Rechtsprechung auch im Fall der Insolvenz anzuwenden sei. Es bestehe kein sachlich gerechtfertigter Grund, den bei einer Betriebsveräußerung außerhalb des Insolvenzverfahrens anerkannten Fortsetzungsanspruch im Fall der Insolvenz nicht anzuerkennen. Den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens sei durch die Regelungen der Insolvenzordnung hinreichend Rechnung getragen. So sei der Fortsetzungsanspruch in der Insolvenz zeitlich begrenzt. Seine Voraussetzungen müssten in der Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO entstanden sein. Auch bestehe kein Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch, wenn der Veräußerer auf Grund eines Sanierungskonzepts Arbeitnehmern kündige, um seinen Betrieb besser veräußern zu können.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Im Insolvenzverfahren besteht kein Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn ein Betriebsübergang nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses stattfindet.
1. Die seitens des Klägers erhobene Klage ist zulässig. Der noch anhängige Hilfsantrag des Klägers auf Annahme des Angebots zum Abschluss eines zu den Bedingungen des mit der G R GmbH geschlossenen Arbeitsvertrags stellt einen zulässigen Leistungsantrag dar. Er ist auf Abgabe einer Willenserklärung der Beklagten gerichtet, die mit Rechtskraft eines dem Klageantrag stattgebenden Urteils gem. § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO als abgegeben gilt (BAG 6. August 1997 - 7 AZR 557/96 - BAGE 86, 194 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2; Senat 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - DB 2004, 2107, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1 der Gründe).
2. Der Wiedereinstellungsanspruch ist aber nicht begründet.
a) Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung/Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Erwerber kommt grundsätzlich in Betracht, wenn es trotz einer ursprünglich vorgesehenen Stilllegung des Betriebes oder eines Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit aus anderen Gründen und einer infolge dessen wirksam ausgesprochenen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen im Sinne des § 1 KSchG nachträglich zu einem Betriebsübergang und damit zur Fortführung des Betriebes oder der Entstehung einer anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer kommt (BAG 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - BAGE 85, 194 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1; 4. Dezember 1997 - 2 AZR 140/97 - BAGE 87, 221 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 3; 6. August 1997 - 7 AZR 557/96 - BAGE 86, 194 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2; 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98 - BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5; 13. November 1997 - 8 AZR 295/95 - BAGE 87, 115 = AP BGB § 613a Nr. 169 = EzA BGB § 613a Nr. 154; 12. November 1998 - 8 AZR 265/97 - BAGE 90, 153 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 5 = EzA BGB § 613a Nr. 171; 10. Dezember 1998 - 8 AZR 324/97 - BAGE 90, 260 = AP BGB § 613a Nr. 185 = EzA BGB § 613a Nr. 175; 16. Mai 2002 - 8 AZR 320/01 - AP InsO § 113 Nr. 9; 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - DB 2004, 2107, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Die Anerkennung eines Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruchs des wirksam gekündigten Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebserwerber bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz des bisherigen Betriebsinhabers ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum allerdings umstritten.
aa) Nach einer Auffassung im Schrifttum ist die Anerkennung eines Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruchs des Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebserwerber bei einem Betriebsübergang nach wirksam erfolgter Kündigung durch den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des alten Betriebsinhabers gänzlich auszuschließen, unabhängig davon, ob sich der Betriebsübergang während des Laufes der Kündigungsfrist oder erst später verwirkliche (Hanau ZIP 1998, 1817, 1820; derselbe Anm. ZIP 1999, 324; Uhlenbruck FS Schwerdtner S. 641 f.; Hanau/Berscheid in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung S. 1541, 1579 Rn. 74; Hess AR-Blattei SD 915.8 Rn. 152; Haarmeyer/Wutzke/Förster Handbuch zur Insolvenzordnung Kap. 5 Rn. 289).
Einer weiteren Meinung in der Literatur zufolge kann man einen Wiedereinstellungsanspruch bei einer Veräußerung im Insolvenzverfahren nicht generell ausschließen (Raab RdA 2000, 147, 160). Zutreffend sei zwar, dass nach der Richtlinie 98/50/EG vom 29. Juni 1998 die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet seien, bei einer Veräußerung im Insolvenzverfahren einen Bestandsschutz vorzusehen. Die europäische Regelung stehe der Anerkennung eines derartigen Anspruchs jedoch nicht entgegen, sondern lasse einen weitergehenden Bestandsschutz auf nationaler Ebene ausdrücklich zu. Das Insolvenzrecht stehe dem nicht entgegen (Raab aaO S. 159 f.; ähnlich Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger KSchR § 613a BGB Rn. 161).
Die überwiegende Ansicht im Schrifttum vertritt die Auffassung, dass einem wirksam gekündigten Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruch gegenüber dem Betriebserwerber bei einem Betriebsübergang vor Ablauf der Kündigungsfrist auch im Insolvenzverfahren zustehe, das Bestehen eines Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruchs im Insolvenzverfahren jedoch nicht anzuerkennen sei, wenn der Betrieb erst nach Ablauf der Kündigungsfrist auf den Betriebserwerber übergehe (Annuß ZInsO 2001, 49, 59; KR-Pfeiffer § 613a BGB Rn. 195 f.; Moll KTS 2002, 635, 648 f.; MünchKommInsO-Löwisch/Caspers Bd. 2 § 128 Rn. 26; Schubert ZIP 2002, 554, 558). Der Wiedereinstellungsanspruch habe eine Korrelatfunktion zu dem Prognoseprinzip bei betriebsbedingten Kündigungen (Annuß aaO). Aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen ergebe sich insoweit keine Besonderheit; die Anwendbarkeit des § 613a BGB in der Insolvenz sei vielmehr durch den Verweis in § 128 InsO anerkannt (Schubert aaO).
bb) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte ist das Bestehen eines Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruchs des Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebserwerber bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz nach Ablauf der Kündigungsfrist auch im Geltungsbereich der Insolvenzordnung teilweise abgelehnt worden (Hessisches LAG 25. Januar 2001 - 11 Sa 908/99 - ZInsO 2002, 48; 8. Februar 2001 - 11 Sa 925/99 -; LAG Hamburg 20. März 2002 - 5 Sa 3/02 - ZIP 2003, 772), teilweise ist die Anerkennung eines Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruchs im Rahmen des Insolvenzverfahrens überhaupt - unabhängig von dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges (vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist) - abgelehnt worden (LAG Hamm 27. März 2003 - 4 Sa 189/02 - NZA-RR 2003, 652; vgl. auch 4. April 2000 - 4 Sa 1220/99 - ZInsO 2000, 292; 4. Juni 2002 - 4 Sa 593/02 - AR-Blattei ES 915 Nr. 23: mindestens jedoch begrenzt durch die "Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO").
cc) Der erkennende Senat hat in den Fällen des Vollzugs eines Betriebsüberganges nach Ablauf der Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren über das Vermögen des bisherigen Betriebsinhabers in der Vergangenheit vor dem Hintergrund der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Konkursordnung das Bestehen eines Fortsetzungs-/ Wiedereinstellungsanspruchs des Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebserwerber infolge richtlinienkonformer Auslegung des § 613a BGB ausdrücklich verneint. Eine Berechtigung, einen Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers im Falle eines Konkurses des alten Betriebsinhabers anzuerkennen, bestehe nicht (10. Dezember 1998 - 8 AZR 324/97 - BAGE 90, 260 = AP BGB § 613a Nr. 185 = EzA BGB § 613a Nr. 175). Die Anerkennung eines Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruchs in den Fällen des nach Ablauf der Kündigungsfrist vollzogenen Betriebsüberganges beruhe auf der Notwendigkeit, die deutsche Zivilrechtsdogmatik und die europarechtlichen Vorgaben möglichst weitgehend zu vereinbaren. Die Wirksamkeit der Kündigungen beurteile sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens. Zum Ausgleich sei den Arbeitnehmern daher ein Anspruch auf Fortsetzung zugebilligt worden, wenn der Betriebsübergang erst nach der Beendigung der Arbeitsverhältnisse vollzogen werde. Im Konkursverfahren hingegen finde gemäß Art. 4a Abs. 1 der Richtlinie 98/50/EG vom 29. Juni 1998 (ABl. EG Nr. L 201 S. 88) diese nur Anwendung, wenn die Mitgliedsstaaten dieses vorsehen. Eine solche Regelung zum Fortsetzungsanspruch des wirksam entlassenen Arbeitnehmers habe weder der deutsche Gesetzgeber noch die Rechtsprechung geschaffen.
dd) Mit seiner Entscheidung vom 13. Mai 2004 (- 8 AZR 198/03 - DB 2004, 2107, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) hält der erkennende Senat im Ergebnis an dieser zur Konkursordnung vertretenen Auffassung auch unter Geltung der seit dem 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung fest. Findet der Betriebsübergang nach Ablauf der Kündigungsfrist anlässlich einer insolvenzbedingten Kündigung statt, ist ein Wiedereinstellungsanspruch nicht anzuerkennen. Auch unter Geltung der Insolvenzordnung ist aus europarechtlichen Gründen kein Wiedereinstellungsanspruch geboten, selbst dann nicht, wenn das Insolvenzverfahren auf die Sanierung des Unternehmens abzielt (Senat 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - aaO).
(1) Soweit der Kläger geltend macht, auf Grund der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Insolvenzordnung und der sich aus § 1 Satz 1 InsO ergebenden Zielsetzung zum Erhalt eines Unternehmens müsse eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Anerkennung eines Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruchs des Arbeitnehmers bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz nach Ablauf der Kündigungsfrist führen, kann dem nicht gefolgt werden. Dies ergibt sich jedoch nicht bereits aus Art. 5 der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 (ABl. EG Nr. L 82 S. 16). Der Insolvenzvorbehalt hinsichtlich der Anwendung der Art. 3 und 4 der Richtlinie in der Insolvenz und der Regelungsvorbehalt der Mitgliedsstaaten in diesen Fällen greift nach dem Wortlaut, der Systematik im Hinblick auf die Abs. 1 und 2 des Art. 5 sowie Sinn und Zweck der Regelung und deren Entstehungsgeschichte eindeutig nur bei einer Zerschlagung des Unternehmens, nicht aber bei einer Sanierung ein. Nur bei einer Zerschlagung des Vermögens sollen die Interessen der Arbeitnehmer zu Gunsten einer einheitlichen Verwertung zurücktreten. Es kommt daher maßgeblich auf das Ziel des Insolvenzverfahrens an. Nach § 1 Satz 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Das Insolvenzverfahren stellt ein einheitliches Verfahren dar, das die wesentlichen Elemente der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Konkurs- und Vergleichsordnung zusammenfasst mit dem Ziel, einer geordneten und bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger (Haarmeyer/Wutzke/Förster Handbuch zur Insolvenzordnung Kap. 1 Rn. 6; BT-Drucks. 12/2443 S. 108). Die Unternehmenssanierung stellt dabei kein eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens dar, sondern vielmehr nur ein neben der Zerschlagung des Unternehmens gleichwertiges Mittel der Gläubigerbefriedigung (BT-Drucks. 12/2443 S. 77 f., 109). Das einheitliche Insolvenzverfahren ist vermögensorientiert; auch die Sanierung des Schuldners oder seines Unternehmens wird als Verwertung des Schuldnervermögens begriffen (BT-Drucks. 12/2443 S. 83). Das Verfahren bietet den Beteiligten einen rechtlichen Rahmen, in dem die Verhandlungen über die Fortführung oder die Stilllegung eines insolventen Unternehmens nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen stattfinden können. Mit der Eröffnung des Verfahrens ist noch keine Vorentscheidung in Richtung auf eine Liquidation des Unternehmens getroffen (BT-Drucks. 12/2443 S. 109). Daraus folgt, dass sich die Zielsetzung des jeweiligen Insolvenzverfahrens nach der Insolvenzordnung erst im Verlauf des Insolvenzverfahrens ergibt. Die Bestimmung des Zieles obliegt den Gläubigern. Beschließt die Gläubigerversammlung - wie vorliegend geschehen - die Stilllegung des Betriebes, ist das Insolvenzverfahren gerade nicht mehr auf die Fortführung des Betriebes ausgerichtet, sondern auf dessen Zerschlagung. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Kündigung der zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG ist es den Mitgliedsstaaten in diesen Fällen vorbehalten, Regelungen für den Fall eines dann noch möglichen Betriebsüberganges und den Bestandsschutz der Arbeitnehmer zu treffen. Dies ist weder durch den Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland noch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung für die Fälle eines Betriebsüberganges in der Insolvenz nach Ablauf der Kündigungsfrist geschehen.
(2) Doch auch wenn eine Sanierung beschlossen wird, zwingt die Richtlinie 2001/23/EG nicht zur Annahme eines Wiedereinstellungsanspruchs bei Vollzug des Betriebsüberganges nach Ablauf der Kündigungsfrist. Für den Fall der Sanierung gelten zwar die Art. 3 und 4 der Richtlinie. Entgegen der früheren Auffassung des Achten Senats (13. November 1997 - 8 AZR 295/95 - BAGE 87, 115 = AP BGB § 613a Nr. 169 = EzA BGB § 613a Nr. 154) lässt sich aus Art. 3 und 4 der Richtlinie kein über die Kündigungsfrist hinausgehender Wiedereinstellungsanspruch ableiten (vgl. insoweit auch die kritischen Anmerkungen zu 13. November 1997 - 8 AZR 295/95 - von Peters/ Thüsing Anm. EzA BGB § 613a Nr. 154; Kania Anm. EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1; Langenbucher Anm. SAE 1998, 145 ff.; vgl. auch Hanau Anm. ZIP 1999, 324, 325). Der Senat hat seine frühere Begründung aufgegeben (13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - DB 2004, 2107, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG gehen die Rechte und Pflichten aus einem zum Zeitpunkt des Überganges "bestehenden" Arbeitsverhältnis über. Nach Art. 4 Abs. 1 sind Kündigungen wegen des Betriebsüberganges unwirksam. Das entspricht § 613a Abs. 1 und 4 BGB. Fortsetzungs- und Wiedereinstellungsansprüche folgen aus der Richtlinie nicht. Die Betriebsübergangsrichtlinie leitet nur Ansprüche über, begründet aber keine neuen Ansprüche. Auch der Europäische Gerichtshof hat etwas anderes nicht angenommen. Er erkennt stets nur den Übergang bestehender Arbeitsverhältnisse an (vgl. zB 25. Juli 1991 - Rs C-362/89 - EuGHE I 1991, 4105 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 1: "alle zum Zeitpunkt des Übergangs eines Unternehmens ... bestehenden Arbeitsverhältnisse"; ähnlich 17. Dezember 1987 - Rs 287/86 - EuGHE 1987, 5465).
(3) Im Insolvenzfall widerspräche die Zubilligung eines Wiedereinstellungsanspruchs bei Vollzug des Betriebsüberganges nach Ablauf der Kündigungsfrist dem Konzept der Insolvenzordnung, die auf schnelle Abwicklung und Sanierung abzielt. Damit besteht kein Raum für eine teleologische Extension (Senat 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - DB 2004, 2107, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Insolvenzordnung beruht auf dem Konzept, dass die bei oder sogar zur Betriebsveräußerung in der Insolvenz erforderliche Personalreduktion von dem Insolvenzverwalter unter erleichterten Bedingungen vorgenommen werden kann, um die Erwerber nicht damit zu belasten. Hierzu dienen auch die Vermutung zu Gunsten der Wirksamkeit von Kündigungen und die kurze Klagefrist des § 113 InsO aF. Bei Zulassung eines Wiedereinstellungsanspruchs wird die durch § 113 Abs. 2 aF, §§ 125 - 128 InsO erstrebte Rechtssicherheit beseitigt oder gefährdet, wenn die Wirksamkeit und Unangreifbarkeit von Kündigungen durch den Insolvenzverwalter dem Erwerber gar nichts nutzten, weil er sich auch und gerade nach wirksamen Kündigungen Wiedereinstellungsansprüchen gegenübersieht (Hanau ZIP 1998, 1817, 1820; LAG Hamm 4. Juni 2002 - 4 Sa 593/02 -). Dies könnte zu einem Scheitern einer übertragenden Sanierung und damit auch zu einer Zerschlagung wirtschaftlicher Werte führen. Für die Gläubiger entfiele dann gleichzeitig die bestmögliche Verwertungsmöglichkeit. Der Ermöglichung einer sanierenden Übertragung und dem damit verbundenen Erhalt einer Mehrzahl von Arbeitsplätzen - wenn auch in der Regel nicht aller - ist der Vorzug zu geben gegenüber dem Bestandsinteresse eines einzelnen Arbeitnehmers. Soweit die Gefahr besteht, dass Betriebsübergänge im Insolvenzverfahren absichtlich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist vollzogen werden, um sich dem Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis zu entziehen, so ist die Grenze einer derartigen Handlungsweise Rechtsmissbrauch des Veräußerers und des Erwerbers gem. § 242 BGB (Senat 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - aaO).
c) Für den Streitfall kann daher der vom Kläger geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch keinen Erfolg haben. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte am 1. Mai 2002 durch die Fortführung der Arbeiten der GRT-GmbH deren Betrieb vollständig oder einen Betriebsteil gem. § 613a BGB übernommen hat. Jedenfalls wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Schuldnerin durch die Kündigung des Insolvenzverwalters vom 28. Januar 2002 zum 30. April 2002 beendet. Dies steht nach rechtskräftiger Abweisung der Kündigungsschutzklage fest. Ein etwaiger Betriebs- oder Betriebsteilübergang am 1. Mai 2002 konnte das Arbeitsverhältnis nicht mehr erfassen. Der nach Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb der Insolvenz möglicherweise erfolgte Betriebs- oder Betriebsteilübergang kann keinen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers begründen. Für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten bestehen keine Anhaltspunkte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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