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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.08.2004
Aktenzeichen: 8 AZR 361/03
Rechtsgebiete: ETV, BGB


Vorschriften:

ETV § 2 Ziff. 2 Satz 3
ETV § 3 Ziff. 1
ETV § 3 Ziff. 1 VergGr. 3/05
ETV § 3 Ziff. 1 VergGr. 3/06
BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

8 AZR 361/03

Verkündet am 19. August 2004

In Sachen

hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wittek, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Scholz und Hennecke für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. März 2003 - 16 Sa 1553/02 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung und Vergütung der Klägerin.

Die Klägerin ist ausgebildete Industriekauffrau und seit 1. November 1998 bei der Beklagten als "zweite Verwaltungskraft" beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Entgelttarifvertrag für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in Bayern (im Folgenden: ETV) Anwendung.

Die Beklagte ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur Wahrnehmung der Aufgaben der Stiftung "Hilfswerk B"; sie betreibt in L (Bayern) ein Feriendorf mit 108 einfach ausgestatteten Ferienhäusern, die an Familien vermietet werden. Bei Vollbelegung sind ca. 400 Personen im Feriendorf als Gäste anwesend. Die Buchungen erfolgen über die Geschäftsstelle der Beklagten in B. Eine Gastronomieeinrichtung wird von der Beklagten im Feriendorf nicht unterhalten. Einzelübernachtungen gibt es nicht. Die Verpflegung, auch das Frühstück, ist von den Bewohnern selbst zu besorgen. Der Zahlungsverkehr für die Häusermiete wird über das Buchungsbüro in B abgewickelt. Beschäftigt werden von der Beklagten neben der Klägerin und einer "ersten Verwaltungskraft" im Feriendorf ein Dorfleiter, ein Hausmeister, eine Wäschereikraft, ein Dorfarbeiter, eine Leiterin der Hauswirtschaft, eine Kinderpflegerin und eine Mitarbeiterin im Kindergarten, ferner eine Auszubildende zur Bürokauffrau. Darüber hinaus werden je nach Bedarf geringfügig Beschäftigte eingesetzt. Arbeitsort der Klägerin ist ein Büro mit einer Gesamtfläche von ca. 12 m2. Dieses ist zum Empfangsbereich offen und mit einem Tresen versehen. Dort kann die Klägerin, ebenso wie die erste Verwaltungskraft von Gästen angesprochen werden.

Nach den Arbeitsverträgen vom 15./22. Oktober 1998 und vom 4. September/2. Oktober 2000 ist die Klägerin als "zweite Verwaltungskraft im Büro des Ba" beschäftigt. In einer Stellenbeschreibung - Stand 1/99 - wird die Funktion der Klägerin als "2. Büro-Mitarbeiterin" mit der stichwortartigen Aufgabenbeschreibung "Allg. Schriftverkehr - Abwicklg. An- v. Abreise - Kurtaxenabrechnung - Gästeverkehr - Abrechnung - Infos f. Gäste erstellen (Schaukästen)" bezeichnet. Als unmittelbare Vorgesetzte wird Frau N, die "erste Verwaltungskraft" genannt.

Unter "Tätigkeitsmerkmale" werden in der Stellenbeschreibung die Tätigkeiten genannt:

"1. Posteingang, -verteilung

2. Postausgang, Porto-Datei

3. Ablage

4. Termine

5. Korrespondenz

6. Info-Material-Schaukästen

7. Gästeankunft (Unterlagen, Einchecken)

8. Gästeabreise (Unterl., Abrechnung)

9. Gästeechos ggf. weiterleiten

10. Kurtaxenabrechnung

11. Auffüllen Büro-/Prospektmaterial"

Die Klägerin wurde von der Beklagten bis Oktober 2001 unter Einreihung in der Tarifgruppe 3/03 des § 3 Ziff. 1 ETV als "sonstiges kaufmännisches Personal" vergütet. Ab November 2001 wurde sie nach dreijähriger Tätigkeit in der VergGr. 3/04 eingruppiert und bezahlt.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2001 und 11. Dezember 2001 verlangte die Klägerin erfolglos die Differenz zwischen der erhaltenen und der Vergütung nach VergGr. 3/05 bzw. 3/06 ETV. Mit ihrer Klage fordert sie nunmehr die Zahlung dieser Differenz für den Zeitraum Juni 2001 bis Juli 2002.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei nach der Tarifgruppe 3/05 bzw. 3/06 zu bezahlen, da sie als "Empfangsdame" beschäftigt werde, so dass sie die entsprechenden Vergütungsdifferenzen (für Juni bis Oktober 2001 1.491,30 DM brutto, für November und Dezember 2001 1.258,52 DM brutto, für Januar bis Mai 2002 1.608,65 Euro brutto und für Juni und Juli 2002 643,46 Euro brutto) verlangen könne.

Der Tätigkeitsbereich, in dem sie Gästekontakt habe, fülle zeitlich 70 % ihrer Gesamttätigkeit aus. Dazu gehöre der Empfang der Gäste, die Einweisung in den Ablauf des Aufenthalts und die Übergabe der im Empfangsbereich befindlichen Haus- bzw. Zimmerschlüssel an die Gäste, Informationen über Erholungsmöglichkeiten im Dorf und im Umfeld, Beratung der Gäste über Ausflugsziele und Verkehrsverbindungen usw., bei Großgruppen ab sechs bis sieben Familien die Durchführung abendlicher Informationsveranstaltungen im Haupthaus der Beklagten im Saalbereich, die Übergabe von Informationsmaterial an die Gäste, insbesondere von An- und Abreiseunterlagen und allgemeiner Service, wie die Beantwortung von Fragen, die Erledigung und Weiterleitung etwaiger Beschwerden, die Verteilung der eingehenden Post und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Alles das seien Tätigkeiten, die den Merkmalen einer Empfangsdame, jedenfalls einer Hotelkassiererin oder Hotelsekretärin entsprächen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.658,07 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei keine "Empfangsdame" im Sinne des Tarifvertrages, vielmehr zähle ihre Tätigkeit zu der des sonstigen kaufmännischen Personals; im Zusammenhang mit Gästekontakten sei die Klägerin nichts anderes als eine "Hostess". Eine Empfangsdame im Sinne des Tarifvertrages übe die Funktion einer Abteilungsleiterin im Hotelempfang aus. Ihre Tätigkeit erfordere eine Berufsausbildung im Hotelfach oder im Reisegewerbe und beinhalte Aufgaben mit selbständigem Entscheidungsspielraum. Der reine Gästekontakt sei insoweit nicht entscheidend, da nicht nur alle nach dem Tarifvertrag vergüteten Mitarbeiter im Hotelbereich Gästekontakt hätten, sondern auch im Feriendorf der Beklagten alle Mitarbeiter den Gästen mit Rat und Tat zur Seite ständen. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass die Klägerin zeitlich überwiegend mit Gästekonten befasst sei. In einem Feriendorf mit einfachem Standard, das als Erholungsheim einer Jugendherberge näher stände als einem Hotel, sei eine Empfangsdame, die über Sprachkenntnisse verfügen müsse, nicht erforderlich. Ebenso wenig könne die Klägerin als Hotelkassiererin oder Hotelsekretärin angesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht für den geltend gemachten Zeitraum vom 1. Juni 2001 bis 31. Juli 2002 keine Vergütung nach der VergGr. 3/05 bzw. 3/06 ETV zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne keine höhere als die erhaltene Vergütung verlangen. Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit entspreche nicht der in § 3 Ziff. 1 VergGr. 3/05 bzw. 3/06 ETV genannten Tätigkeit als "Empfangsdame".

In der Fachsprache des Hotel- und Gaststättengewerbes werde mit "Empfang" ein organisatorischer Teilbereich insbesondere des Beherbergungswesens bezeichnet. Der Erwerb von Fertigkeiten und Kenntnissen, der bei einer Tätigkeit im "Empfang" typischerweise erforderlich sei, gehöre berufsrechtlich zu einem Teilbereich der Berufsausbildung im Gastgewerbe. Nach den berufsrechtlichen Bestimmungen zähle zu den Fertigkeiten und Kenntnissen im Teilbereich "Empfang" das Bearbeiten von Reservierungsplänen und das Festlegen von Zimmerbelegungen, der aufgabenorientierte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechniken, das Führen der Korrespondenz, das Ausführen von Gästeaufträgen, das Buchen erbrachter Leistungen, das Erstellen und Abrechnen von Gastrechnungen, das Führen und Abrechnen der Hotelkasse, das Abrechnen mit Reisebüros und Veranstaltern, das Erteilen einfacher Auskünfte in einer Fremdsprache, das Umrechnen von Währungen. Berufskundlich werde dem Empfang die Durchführung und Überwachung aller Aufgaben im Zusammenhang mit Reservierung, Ankunft und Abreise der Gäste, einschließlich die Betreuung der Gäste während des Aufenthalts zugeordnet (vgl. Blätter zur Berufskunde 0-7600, Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe, S. 22). Die Einzelaufgaben seien dabei die Durchführung der Zimmerreservierungen, das Abwickeln sämtlicher kaufmännischer Arbeiten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Gäste im Hotel wie das Anbieten der Zimmer mit Preisauskunft, das Festlegen des Zimmerpreises nach Aufenthaltsdauer und Nutzung entsprechend den Preislisten, das rechnungsgemäße Erfassen sämtlicher Leistungen, die die Gäste während ihres Hotelaufenthalts in Anspruch nehmen, das Betreuen der Gäste während des Hotelaufenthalts und das Erstellen von Hotelrechnungen (vgl. Blätter zur Berufskunde aaO S. 22, 23; Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen (gabi), Ausgabe 1995/96, herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit Nr. 911c).

Daraus erschließe sich das von den Tarifvertragsparteien des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes in Bayern vorausgesetzte Tätigkeitsfeld einer/eines Empfangsdame/-herren. Da es sich bei einer solchen Person um diejenige Person handele, die die Gäste "empfängt", habe sie sämtliche Tätigkeiten auszuführen, die im Empfangsbereich üblicherweise auszuführen seien.

Dieses Merkmal erfülle die Tätigkeit der Klägerin nicht. Denn ihr Aufgabengebiet im Zusammenhang mit der Gästebetreuung sei wesentlich schmaler als das einer Empfangsdame. Zwar sei die Klägerin Anlaufstelle für ankommende Gäste und damit im allgemeinen Wortsinn für den "Empfang" zuständig, da sie die notwendigen Unterlagen bei der Gästeankunft und Abreise anlege, Gäste berate, Post verteile und den vor Ort erfolgenden Zahlungsverkehr (Porti, Kurtaxe) abwickele. In ihrem Aufgabengebiet fehlten jedoch Tätigkeiten, die dem Kernbereich des Tätigkeitsfeldes einer Empfangsdame zuzuordnen seien. Mit der Reservierung habe sie nämlich nichts zu tun, weil diese zentral über B erfolge und Einzelübernachtungen praktisch nicht vorkämen. Aus diesem Grunde sei sie auch mit der Bearbeitung von Reservierungsplänen und Zimmerbelegungen sowie Tätigkeiten wie der Abrechnung mit Reisebüros und Veranstaltern nicht befasst. Damit fehle es an einem wesentlichen Teil der einer Empfangsdame üblicherweise zugewiesenen Aufgaben.

Hinzu komme, dass die Empfangsdame in der von den Tarifvertragsparteien bei ihrer Vergütungsgruppenordnung zugrunde gelegten Hierarchie unmittelbar dem Abteilungsleiter untergeordnet und dem Direktionsassistenten, dem Verkaufsrepräsentanten sowie dem Gruppenkoordinator und dem Personalreferenten gleichgestellt sei. Das zeige, dass es sich bei der Tätigkeit der Empfangsdame nach dem Willen der Tarifvertragsparteien um eine spezifische, das gesamte im Empfang üblicherweise anfallende Spektrum abdeckende Tätigkeit handeln solle. Denn sonst wäre die Gleichstellung mit den zuvor genannten Arbeitnehmergruppen widersinnig. Das belege zugleich, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, es gäbe Tätigkeiten einer Empfangsdame nur in einem Hotelbetrieb mit einer gewissen Größe und einer Ausdifferenzierung der verschiedenen Funktionen und Teilbereiche, auch in organisatorischer Hinsicht. Eine solche organisatorische Abgrenzung fehle bei der Beklagten. Vielmehr würden bei ihr lediglich Teiltätigkeiten des Empfangs von der Klägerin, genauso wie von der ersten Verwaltungskraft, miterledigt.

Da die Beklagte ein Feriendorf für Familien und kein Hotel betreibe, könne die Klägerin auch nicht als mit einer Empfangsdame "vergleichbar" angesehen und vergütet werden. Aus diesen Gründen sei die Klägerin auch nicht als mit einer "Hotelkassiererin" oder "Hotelsekretärin" vergleichbar entsprechend zu vergüten.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte tarifliche Höhergruppierung.

1. Der für die Eingruppierung der Klägerin maßgebliche Entgelttarifvertrag 2001 für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in Bayern enthält ua. folgende Regelungen:

"§ 2

Entlohnungsgrundsätze

1. ...

2. Ausschlaggebend für die tarifliche Eingruppierung ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit. Dies gilt insbesondere für die Berufspositionen, bei denen nach 3jähriger Betriebszugehörigkeit eine Höherstufung vorgesehen ist. Nicht aufgeführte Tätigkeitsbezeichnungen sind vergleichbaren Tarifpositionen zuzuordnen.

...

§ 3

Löhne und Gehälter für das festbesoldete Personal

1. Verwaltungs- und Empfangspersonal

Das Verwaltungs- und Empfangspersonal hat ab 1. Mai 2001 Anspruch auf die nachstehenden Monatsbruttogehälter:

||DM|€ 3 11|Direktoren, Geschäftsführer|freie Vereinbarung|freie Vereinbarung 3 09| Empfangschef mit Empfangsherren, Hauptabteilungsleiter mit Abteilungsleitern, Hauptbuchhalter mit Buchhaltern|4.233,00|2.164,30 3 10|nach 3jähriger Betriebszugehörigkeit|4.642,00|2.373,42 3 07|Abteilungsleiter, Verkaufsleiter, Personalleiter, Veranstaltungsleiter, Reservierungsleiter|3.652,00|1.867,24 3 08|nach 3jähriger Betriebszugehörigkeit|4.001,00|2.045,68 3 05|Empfangsdame/-herr, Direktionsassistent(in), Hotelkassierer, Verkaufsrepräsentant, Gruppenkoordinator Reservierung, Personalreferent, Veranstaltungsrepräsentant|3.349,00|1.712,32 3 06|nach 3jähriger Betriebszugehörigkeit|3.680,00|1.881,55 3 04| Hotelsekretär(in), Buchhalter(in), Journalführer(in), Sachbearbeiter im F + B-, im EDV- und Personalbereich, Verkaufssekretär, Veranstaltungssekretär, Personalsekretär, Reservierungssekretär bis zu 3 Jahren einschlägiger Praxis|3.045,00|1.556,88 3 05|über 3 Jahre einschlägiger Praxis|3.349,00|1.712,32 3 03|Kontorist(in), Bonkontrolleuse, Stenotypist(in), Hostess, sonstiges kaufmännisches Personal bis zu 3 Jahren einschlägiger Praxis|2.751,00|1.406,56 3 04|über 3 Jahre einschlägiger Praxis|3.045,00|1.556,88" 2. Die Klägerin übt nicht die Tätigkeit einer "Empfangsdame" iSd. VergGr. 3/05 ETV aus. Dies hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler zutreffend erkannt.

a) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff "Empfangsdame" nicht näher definiert. Das Tatbestandsmerkmal der Tätigkeit als "Empfangsdame" bedarf daher der Auslegung. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung eines Gesetzes geltenden Grundsätzen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften, § 133 BGB. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 21. August 2003 - 8 AZR 430/02 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 185 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 127 mwN).

b) Auszugehen ist zunächst vom allgemeinen Sprachgebrauch. Nach Wahrig, Deutsches Wörterbuch, ist eine Empfangsdame ein weiblicher Empfangschef. Der Empfangschef wird bei Wahrig als "Angestellter in großen Geschäften, Hotels usw. zur Begrüßung und Weiterleitung der Kunden u. Gäste" bezeichnet. Bereits danach bestehen Zweifel, ob die Klägerin die Tätigkeit als weiblicher Empfangschef ausübt. Sie erledigt nämlich die Tätigkeiten im Empfangsbereich neben den Bürotätigkeiten, für die sie als "zweite Verwaltungskraft" eingestellt wurde. Im Übrigen ist sie der "ersten Verwaltungskraft" unterstellt, die ebenso wie die Klägerin mit Büroarbeiten und Tätigkeiten im Empfang beauftragt ist. Die Beklagte betreibt kein größeres Hotel, sondern ein Feriendorf. Sie unterhält keinen organisatorisch abgegrenzten "Empfang", sondern organisiert die notwendigen Empfangstätigkeiten als untergeordnete Nebentätigkeiten, zu denen die beiden Verwaltungskräfte neben den Büroarbeiten verpflichtet sind.

c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die fachspezifische Bedeutung der Begriffe "Empfang" und "Empfangsdame/-herr" im Gaststätten- und Beherbergungswesen unter Zuhilfenahme der berufsrechtlichen Bestimmungen, der Ausbildungspläne und berufskundlichen Zuordnungen dargelegt. Es hat danach als Einzelaufgaben im "Empfang" angesehen: Die Durchführung der Zimmerreservierungen, das Abwickeln sämtlicher kaufmännischer Arbeiten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Gäste im Hotel wie das Anbieten der Zimmer mit Preisauskunft, das Festlegen des Zimmerpreises nach Aufenthaltsdauer und Nutzung entsprechend den Preislisten, das rechnungsmäßige Erfassen sämtlicher Leistungen, die die Gäste während ihres Hotelaufenthalts in Anspruch nehmen, das Betreuen der Gäste während des Hotelaufenthalts und das Erstellen von Hotelrechnungen. Von diesen Aufgaben erfüllt die Klägerin so wesentliche Tätigkeiten wie die Buchungen der Zimmer und die Abrechnungen für die Gäste nicht, weil diese zentral über die Geschäftsstelle in B vorgenommen werden. Die von der Beklagten abgerechneten Kurtaxen und Portokosten sind demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Die Tätigkeiten der Klägerin entsprechen daher nicht dem typischen Berufsbild einer "Empfangsdame".

d) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch den Tarifzusammenhang berücksichtigt. Die Empfangsdame der VergGr. 3/05 ETV ist in der Hierarchie der Vergütungsgruppenordnung unmittelbar dem Abteilungsleiter der VergGr. 3/07 ETV untergeordnet. Die Klägerin selbst ist nach ihrem Arbeitsvertrag als "zweite Verwaltungskraft" der "ersten Verwaltungskraft" nachgeordnet. Dies ergibt sich aus der Stellenbeschreibung - Stand 1/99 -, in der als unmittelbare Vorgesetzte die "erste Verwaltungskraft" N bezeichnet wird. Im Übrigen ist die Empfangsdame der VergGr. 3/05 ETV vergütungsgemäß dem Direktionsassistenten, dem Verkaufsrepräsentanten sowie dem Gruppenkoordinator und dem Personalreferenten gleichgestellt. Dies spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, eine Empfangsdame habe einen gleichwertigen Verantwortungsbereich wie die genannten Personen. Dies ist aber nur bei einer Empfangsdame in einem Hotelbetrieb einer gewissen Größe und einer Ausdifferenzierung der verschiedenen Funktionen und organisatorisch abgrenzbaren Teilbereichen denkbar.

e) Damit kommt es auch nicht auf die Behauptung der Klägerin an, 70 % ihrer Gesamttätigkeit habe sie Gästekontakt. Der bloße Gästekontakt begründet nicht die Aufgabenzuweisung als "Empfangsdame/-herr". So zeigt die Eingruppierung einer "Hostess" als eine "Person, die den Gästen Auskünfte erteilt" (Wahrig Deutsches Wörterbuch) in VergGr. 3/03 ETV, dass nicht alle Betreuungstätigkeiten des Personals für die Gäste als Tätigkeiten einer/s Empfangsdame/-herr anzusehen sind. Im Übrigen kann die Behauptung der Klägerin über den Anteil ihrer Gesamttätigkeit mit Gästekontakt nicht nachvollzogen werden. Die Klägerin hätte schon konkret darlegen und unter Beweis stellen müssen, dass zeitlich über 50 % ihrer Gesamttätigkeit Tätigkeiten einer Empfangsdame seien.

3. Da die Beklagte kein Hotel betreibt, hat das Landesarbeitsgericht die Klägerin zu Recht auch nicht als "Hotelkassierer" der VergGr. 3/05 ETV oder als "Hotelsekretärin" der VergGr. 3/04 ETV angesehen.

4. Die Klägerin kann auch nicht nach § 2 Ziff. 2 Satz 3 ETV in die vergleichbaren Tarifpositionen der Empfangsdamen, Hotelkassiererinnen oder Hotelsekretärinnen eingereiht werden. Die Tätigkeiten der Klägerin sind mit den Aufgaben dieser Personen weder gleichwertig noch vergleichbar. Die Klägerin ist daher lediglich als "sonstiges kaufmännisches Personal" in VergGr. 3/03 ETV und nach drei Jahren Praxis nunmehr in VergGr. 3/04 ETV eingruppiert.

III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Ende der Entscheidung

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