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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 8 AZR 492/03
Rechtsgebiete: ArbGG
Vorschriften:
ArbGG § 66 Abs. 1 | |
ArbGG § 9 Abs. 5 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 28. Oktober 2004
In Sachen
pp.
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Wittek und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Laux sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Vesper und die ehrenamtliche Richterin Iskra für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 5. Juni 2003 - 2 Sa 638/02 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch um Differenzvergütungsansprüche zwischen der VergGr. IIa und VergGr. III BAT-O für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. September 2002.
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Juli 2000 eine Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O zu zahlen und die monatlichen Differenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Der beklagte Freistaat hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 27. Februar 2002 hinsichtlich der Ansprüche für die Zeit ab 1. Januar 2001 stattgegeben und die weiter gehende Klage abgewiesen. Der beklagte Freistaat hat gegen dieses Urteil am 12. November 2002 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13. Januar 2003 begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem beklagten Freistaat erst am 1. April 2003 in vollständiger Form nebst Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Freistaates als unzulässig verworfen. Mit der Revision verfolgt jener sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet, denn die Berufung des beklagten Freistaates ist unzulässig.
A. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist nicht gewahrt sei. Nach § 66 Abs. 1 ArbGG beginne die Frist für die Einlegung und Begründung der Berufung spätestens fünf Monate nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils und laufe nach sechs bzw. sieben Monaten ab. Die Vorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, wonach bei fehlender Rechtsmittelbelehrung eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr gelte, sei hinsichtlich der Berufungsfrist nicht anwendbar.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Berufung des beklagten Freistaates ist unzulässig. Sie ist zwar statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG), aber weder fristgerecht eingelegt noch begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG).
Für das vorliegende Verfahren findet § 66 Abs. 1 ArbGG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001, in Kraft seit dem 1. Januar 2002, Anwendung, da das Urteil des Arbeitsgerichts auf Grund einer mündlichen Verhandlung im Jahr 2002 erging (§ 26 Ziff. 5 EGZPO). Die Frist für die Berufungseinlegung beträgt danach einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung (§ 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).
Das Arbeitsgericht hat das Urteil am 27. Februar 2002 verkündet. Der beklagte Freistaat hat erst am 12. November 2002 Berufung eingelegt, also nach Ablauf von sechs Monaten.
Die in § 66 Abs. 1 ArbGG genannte Berufungsfrist lief entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erst nach 17 Monaten, sondern bereits sechs Monate nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils ab. Die Berufungsfrist verlängerte sich nicht im Hinblick auf eine nicht rechtzeitig erfolgte Rechtsmittelbelehrung nach § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG.
I. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dh. vor der ZPO-Reform, schloss sich bei fehlender Zustellung des Urteils und damit fehlender Rechtsmittelbelehrung an die Fünf-Monats-Frist eine weitere Jahresfrist an, so dass die Berufung bis zum Ablauf von 17 Monaten nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils eingelegt werden konnte. Diese Frist setzte sich aus der gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 516 ZPO aF geltenden Fünf-Monats-Frist sowie der Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, die wegen der fehlenden Rechtsmittelbelehrung an die Fünf-Monats-Frist anzuschließen war, zusammen (8. Juni 2000 - 2 AZR 584/99 - BAGE 95, 73 = AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 21 = EzA ArbGG 1979 § 9 Nr. 15 mwN). Darüber hinaus begannen nach der früheren Fassung des § 66 Abs. 1 ArbGG die Berufungsfrist und die Frist für die Berufungsbegründung nicht gleichzeitig, vielmehr begann die Berufungsbegründungsfrist erst mit der Einlegung der Berufung zu laufen.
II. Gestützt auf die im Rahmen der Neuregelung unverändert gebliebene Bestimmung des § 9 Abs. 5 ArbGG wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum teilweise vertreten, dass bei unterbliebener Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils auch weiterhin an der 17-Monats-Frist festzuhalten sei (so LAG Köln 20. Februar 2003 - 10 Sa 801/02 - NZA-RR 2003, 602; Künzl ZTR 2001, 533, 534; GK-ArbGG/Vossen § 66 Rn. 38; ErfK/Koch § 66 ArbGG Rn. 12; Holthaus/Koch RdA 2002, 140, 151; Kittner/Zwanziger Arbeitsrecht § 167 Rn. 6; GK-ArbGG/Dörner § 94 Rn. 11a zur Rechtsbeschwerde; HWK/Kalb § 66 ArbGG Rn. 10; anders dagegen HWK/Bepler § 74 ArbGG Rn. 12; vgl. auch BAG 1. Oktober 2003 - 1 ABN 62/01 - AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 50 = EzA ArbGG 1979 § 92a Nr. 5). Zur Begründung wird angeführt, dass die Fünf- Monats-Frist den Zeitpunkt der Zustellung als auslösenden Umstand für den Beginn der Frist ersetze, wenn diese als Fristbeginn ausfalle. Der Zustellungszeitpunkt sei aber bedeutungslos für die Länge der Frist, die anschließend beginne. Über die Länge der Frist werde in § 66 Abs. 1 ArbGG keine Aussage getroffen. Insoweit gelte bei verspätet zugestellten Urteilen wegen der fehlenden Rechtsmittelbelehrung vielmehr weiterhin die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 ArbGG. Werde die Zustellung nach Ablauf der Frist des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ersetzt, ergebe sich demnach zwangsläufig nach wie vor eine Zeitspanne von 17 Monaten. Jedes andere Ergebnis wäre widersprüchlich, weil sonst die Berufungsfrist bei nicht zugestellten Urteilen kürzer wäre als bei zugestellten Urteilen mit fehlender oder falscher Rechtsmittelbelehrung. Der Gesetzgeber habe die Schutzbestimmung des § 9 Abs. 5 ArbGG im Rahmen der Novellierung des ArbGG und der ZPO unverändert gelassen. Zum Zusammenspiel der Rechtsmittelfrist und § 9 Abs. 5 ArbGG enthalte § 66 Abs. 1 ArbGG keine Aussage.
III. Nach der überwiegenden Instanzrechtsprechung und anderen Vertretern des Schrifttums kann dagegen nach der Neufassung des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr aufrechterhalten werden (LAG Nürnberg 28. Oktober 2002 - 2 SHa 5/02 - LAGE ArbGG 1979 § 66 Nr. 18; LAG München 27. August 2003 - 7 Sa 535/03 -; LAG Köln 24. September 2003 - 3 Sa 232/03 - LAGE ArbGG 1979 § 66 Nr. 20 = LAGReport 2004, 127 mit zust. Anm. Schwab; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 66 Rn. 15a; Hauck/Helml ArbGG § 66 Rn. 10; Ostrowicz/Künzl/Schäfer Der Arbeitsgerichtsprozess Rn. 189a; Schwab FA 2003, 258 ff.; Schmidt/Schwab/Wildschütz NZA 2001, 1217, 1218; Schwab/Wildschütz/Heege NZA 2003, 999, 1004 Fn. 53). Mit der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Neuregelung sei § 66 Abs. 1 ArbGG grundlegend geändert worden. Parallel zu der Änderung in § 520 Abs. 2 ZPO werde wie im Verfahren vor den Zivilgerichten auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein einheitlicher Fristbeginn für die Berufungseinlegungs- sowie die Berufungsbegründungsfrist normiert. Anders als nach der früher geltenden Rechtslage sei der Beginn der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr von der Berufungseinlegung abhängig. Beide Fristen begännen mit Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils bzw. spätestens mit Ablauf von fünf Monaten ab Urteilsverkündung. Der Gesetzgeber habe die bislang nur über die Verweisungsnorm des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG geltende zivilprozessuale Fünf-Monats-Frist ausdrücklich in § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG aufgenommen. Da in § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG der Beginn der Begründungsfrist nunmehr unabhängig von der Einlegung des Rechtsmittels geregelt sei, hätte die Anwendung von § 9 Abs. 5 ArbGG zur Folge, dass die Berufungseinlegung noch 17 Monate nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung möglich wäre, die Frist zur Berufungsbegründung aber schon abgelaufen wäre, da hinsichtlich der Begründungsfrist § 9 Abs. 5 ArbGG nicht angewandt werden kann. Denn § 9 Abs. 5 ArbGG fordere nach ganz herrschender Auffassung nur eine Belehrung über die Einlegung des Rechtsmittels, nicht aber bezüglich der Formalien der Begründung. Eine kürzere Begründungs- als Einlegungsfrist sei aber offensichtlich widersinnig.
IV. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eine Spezialvorschrift zu § 9 Abs. 5 ArbGG darstellt. Die 12-Monats-Frist des § 9 Abs. 5 ArbGG ist bei nicht erfolgter Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils im Rahmen der Berufungsfrist demnach nicht mehr anwendbar.
1. Die Gesetzesmaterialien sind nur eingeschränkt ergiebig. Es finden sich keine Hinweise auf das Verhältnis zwischen § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG und § 9 Abs. 5 ArbGG (BT-Drucks. 14/4722 S. 138; BR-Drucks. 536/00 S. 350; vgl. auch Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 66 Rn. 15a; Holthaus/Koch RdA 2002, 140, 151). Holthaus/Koch (aaO) führen an, dass im Gesetzgebungsverfahren von Länderseite unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausdrücklich eine Gesetzeskorrektur bezüglich des Verhältnisses der Rechtsmittelfrist des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nF zur Vorschrift des § 9 Abs. 5 ArbGG angeregt worden sei, diese Hinweise aber nicht aufgegriffen worden seien. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber § 9 Abs. 5 ArbGG unverändert und die Hinweise der Länder unberücksichtigt gelassen hat, lässt sich jedoch noch nicht der Schluss ziehen, dass es bei der früheren Auffassung verbleiben müsse; vielmehr ist das Gesetz auszulegen. Der Gesetzgeber kannte sowohl die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur früheren Rechtslage als auch den Widerspruch der Neufassung des Gesetzes zu der Vorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Bei dieser Normenkollision zwischen einem älteren und einem jüngeren Gesetz ist ein objektivierter Wille des Gesetzgebers zugrunde zu legen und anzunehmen, dass das später erlassene Gesetz (dh. § 66 Abs. 1 ArbGG) dem älteren vorgeht (LAG Nürnberg 28. Oktober 2002 - 2 SHa 5/02 - LAGE ArbGG 1979 § 66 Nr. 18). Zur Ermittlung des Zwecks der Regelung kann außerdem, da die Regelung in § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG der Neuregelung in § 520 Abs. 2 ZPO nachgebildet war, auf die Motive zu § 520 Abs. 2 ZPO zurückgegriffen werden. Hiernach sollten durch die Neuregelung Fehler bei der Fristberechnung vermieden und Anträge auf Wiedereinsetzung zurückgedrängt werden (BR-Drucks. 536/00 S. 242). Bereits dies spricht dafür, einen klaren Zeitpunkt für den Fristablauf nach Verkündung des Urteils anzunehmen, der zudem mit der Rechtslage der Zivilprozessordnung übereinstimmt. Überdies war dem Gesetzgeber bei der Neuregelung gerade wegen der Anregungen im Gesetzgebungsverfahren bewusst, dass bei der Verkündung eine Rechtsmittelbelehrung nicht erfolgt (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 66 Rn. 15). Soweit der Revisionskläger aus der Formulierung der Gesetzesbegründung, wonach eine "Klarstellung" beabsichtigt gewesen sei, schließt, dass dies gegen eine gewollte Änderung der Rechtslage spreche, verfängt dieses Argument nicht. Die Klarstellung bezieht sich ersichtlich auf die Aufnahme der Fünf-Monats-Frist, die zuvor nur über die Verweisung in § 64 Abs. 6 iVm. § 516 ZPO aF galt. Außerdem war in jedem Fall eine Änderung gewollt, was sich schon daraus ergibt, dass die Berufungsbegründungsfrist mit Zustellung des Urteils und nicht ab Einlegung der Berufung beginnen sollte.
2. Dem kann auch nicht entgegnet werden, dass § 66 ArbGG das Ende der Berufungsfrist nicht regele. Zwar betrifft § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG unmittelbar nur den Beginn von Berufungseinlegungs- und Berufungsbegründungsfrist. Dennoch ist der Schluss auf die "unzweifelhaft" (so Holthaus/Koch RdA 2002, 140, 151) geltende Jahresfrist nicht zu ziehen. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg weist im Beschluss vom 28. Oktober 2002 (- 2 SHa 5/02 - LAGE ArbGG 1979 § 66 Nr. 18) richtig darauf hin, die von Holthaus/Koch vorangestellte These, dass bei Zustellung eines Urteils ohne Rechtsmittelbelehrung unzweifelhaft die 12-Monats-Frist gelte, stelle eine Prämisse dar, die gerade den Kern des Rechtsproblems bildet und damit nicht als Lösungsansatz dienen kann. Mit den Worten "beide Fristen" nimmt § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nämlich unmittelbar Bezug auf die Fristen in § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Nicht der Beginn einer allgemeinen Berufungseinlegungs- oder -begründungsfrist, sondern der Beginn der in Satz 1 genannten Fristen von einem bzw. zwei Monaten ist in Satz 2 geregelt (so zutreffend LAG Köln 24. September 2003 - 3 Sa 232/03 - LAGE ArbGG 1979 § 66 Nr. 20). Daraus folgt, dass durch § 66 Abs. 1 ArbGG nicht nur der Beginn der Fristen, sondern auch die Länge der Berufungsfrist abschließend geregelt wird. Dies betrifft damit auch den Fall, in dem die Berufungsfrist mangels Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils fünf Monate nach dessen Verkündung beginnt.
Soweit Holthaus/Koch (RdA 2002, 140, 151) darauf verweisen, dass die Nichtanwendung des § 9 Abs. 5 ArbGG zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde, weil sonst die Berufungsfrist bei nicht zugestellten Urteilen kürzer wäre als bei zugestellten Urteilen mit fehlender oder falscher Rechtsmittelbelehrung, ist dies nicht überzeugend. Beide Fälle unterscheiden sich. In einem Fall ist seitens des Staates kein schützenswertes Vertrauen geschaffen worden, welches ggf. Berücksichtigung finden müsste, im anderen Fall ist das Vertrauen gegeben (vgl. hierzu näher LAG Nürnberg 28. Oktober 2002 - 2 SHa 5/02 - LAGE ArbGG 1979 § 66 Nr. 18 ; Schwab FA 2003, 258, 260).
Letztlich können die Vertreter der Gegenansicht den Widerspruch nicht auflösen, der sich ergibt, wenn man die Länge der Berufungsfrist bei nicht zugestelltem Urteil des Arbeitsgerichts nach § 9 Abs. 5 ArbGG und die Länge der Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG bestimmt. Denn auf die Berufungsbegründungsfrist ist § 9 Abs. 5 ArbGG in jedem Fall nicht anwendbar (BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 4. Juni 2003 - 10 AZR 586/02 - AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1; 5. November 1954 - 1 AZB 28/54 - AP ArbGG 1953 § 9 Nr. 1; ebenso Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 9 Rn. 41 bis 43; Hauck/Helml ArbGG § 9 Rn. 17; aA nunmehr lediglich GK-ArbGG/Bader § 9 Rn. 89, der wegen der einheitlich gestalteten Einlegungs- und Begründungsfrist nach neuem Recht eine umfassende Belehrung verlangt). Sie wäre demgemäß schon nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG abgelaufen, wenn die Berufungsfrist angesichts § 9 Abs. 5 ArbGG noch liefe. Der Gesetzgeber hat aber mit § 66 Abs. 1 ArbGG gerade einen Gleichklang der beiden Fristen herbeiführen wollen, die an einen einheitlichen, leicht feststellbaren Zeitpunkt, nämlich den der Zustellung bzw. den der Verkündung des Urteils anknüpfen.
3. Hinzu kommt, dass eine Beschleunigung gerade auch der arbeitsgerichtlichen Verfahren der Intention des Gesetzgebers entspricht, wie bereits das sog. Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetz vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 333) zeigt. § 9 Abs. 1 ArbGG regelt den allgemeinen Beschleunigungsgrundsatz. Der Beschleunigungsgrundsatz kommt außerdem in vielen Vorschriften des ArbGG zum Ausdruck. Deshalb bestimmt auch § 60 Abs. 4 Satz 3 ArbGG, dass das Urteil innerhalb von drei Wochen nach Verkündung vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übergeben ist. Die Beurkundungsfunktion ist wegen des "abnehmenden richterlichen Erinnerungsvermögens" spätestens nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist nicht mehr gewahrt. Hierauf hat das Bundesarbeitsgericht schon in seiner bisherigen Rechtsprechung im Anschluss an die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 (- GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367 = AP ZPO § 551 Nr. 21 = EzA ZPO § 551 Nr. 1) hingewiesen (vgl. 8. Juni 2000 - 2 AZR 584/99 - BAGE 95, 73 = AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 21 = EzA ArbGG 1979 § 9 Nr. 15 mwN). Die Festschreibung der Fünf-Monats-Frist in § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG trägt auch diesem Umstand Rechnung. Würde man gegen eine nicht fristgerecht abgesetzte arbeitsgerichtliche Entscheidung noch bis zu einer Grenze von 17 Monaten Berufung einlegen können, so würde der mit dem Beschleunigungsgrundsatz verfolgte Zweck in sein Gegenteil verkehrt werden. Deshalb bezeichnen auch die Vertreter der Gegenmeinung die Anwendung der Fünf-Monats-Frist als "rechtspolitisch uneingeschränkt wünschenswert" (vgl. Holthaus/Koch RdA 2002, 140, 150).
4. Schließlich bedarf es auch nicht der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, um die Berufung ordnungsgemäß zu begründen. Denn in einem solchen Fall reicht entweder die Auseinandersetzung mit den hypothetischen Entscheidungsgründen aus, um den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu genügen (vgl. BAG 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 32 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Ist dies nicht möglich, kann mit der Berufung angegriffen werden, dass das arbeitsgerichtliche Urteil nicht mit Gründen versehen ist (GmS OGB 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367 = AP ZPO § 551 Nr. 21 = EzA ZPO § 551 Nr. 1; BAG 9. Juli 2003 - 5 AZR 175/03 -). Bereits dies genügt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung (13. September 1995 - 2 AZR 855/94 - AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 22). Bei Notwendigkeit einer Berufungseinlegung vor Zustellung des Urteils, um eine Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erreichen, ist ebenfalls keine Fristverlängerung für die Berufungsbegründung mit ungewissem Zeitrahmen nötig (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 66 Rn. 15a).
5. Letztlich wird § 9 Abs. 5 ArbGG nicht bedeutungslos, denn es gibt andere Entscheidungen, die mit einem befristeten Rechtsmittel angegriffen werden können (zum Beispiel mit der sofortigen Beschwerde vgl. BAG 26. September 2002 - 5 AZB 15/02 - BAGE 103, 16 = AP GVG § 17a Nr. 48 = EzA GVG § 17a Nr. 14, wonach die Beschwerdefrist gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG ein Jahr seit Zustellung der Entscheidung beträgt, wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht der geänderten Rechtslage, dh. den Anforderungen des § 575 Abs. 1 und 2 ZPO entspricht).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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