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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.08.1997
Aktenzeichen: 9 AZR 61/96
Rechtsgebiete: AO, BGB, BZRG


Vorschriften:

AO § 30
BGB § 226
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004
BZRG § 51
BZRG § 53
Leitsätze:

1. Für die Beurteilung eines Anspruchs auf Abwehr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts sind die vom Landesarbeitsgericht bei Schluß der mündlichen Verhandlung festgestellten Verhältnisse maßgeblich.

2. Die Wiederholung von wahren Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, den Betroffenen herabzusetzen, kann untersagt werden, wenn kein schutzwürdiges Interesse an der öffentlichen Weiterverbreitung besteht. Das ist besonders dann anzunehmen, wenn die Verbreitung ausschließlich aus Gründen der Vergeltung für vermeintlich früher zugefügtes Unrecht geschieht.

Aktenzeichen: 9 AZR 61/96 Bundesarbeitsgericht 9. Senat Urteil vom 26. August 1997 - 9 AZR 61/96 -

I. Arbeitsgericht Karlsruhe Urteil vom 20. Dezember 1991 - 2 Ca 94/88 -

II. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Mannheim) Urteil vom 03. August 1995 - 13 Sa 40/93 -


---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Ja ----------------------------------------------------------------------

Entscheidungsstichworte: Unterlassung ehrverletzender Äußerungen

Gesetz: AO § 30; BGB § 226, § 823 Abs. 1, § 1004; BZRG §§ 51, 53

9 AZR 61/96 ------------- 13 Sa 40/93 Baden-Württemberg (Mannheim)

Im Namen des Volkes! Verkündet am 26. August 1997

U r t e i l

Brüne, Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

pp.

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. August 1997 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Leinemann, den Richter Düwell und die Richterin Reinecke sowie die ehrenamtlichen Richter Holze und Kranzusch für Recht erkannt:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 1995 - 13 Sa 40/93 - wird zurückgewiesen.

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 1995 - 13 Sa 40/93 - insoweit aufgehoben, als das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 1991 - 2 Ca 94/88 - abgeändert und die Klage abgewiesen worden ist.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 1991 - 2 Ca 94/88 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen !

T a t b e s t a n d :

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger berechtigt ist, vom Beklagten die Verbreitung für ihn ungünstiger Behauptungen zu unterlassen.

Der 1922 geborene Kläger ist beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt. Bis zur Vollendung seines 70. Lebensjahres bekleidete er zahlreiche hervorgehobene Ämter in anwaltlichen Berufsorganisationen. Er ist Mitherausgeber einer juristischen Zeitschrift.

Der Beklagte hat das Studium der Rechtswissenschaften in Österreich mit der Promotion abgeschlossen. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter von 1972 bis 1985 in der Kanzlei des Klägers angestellt. Das Arbeitsverhältnis ist vom Kläger im Juli 1985 aus wichtigem Grund, insbesondere wegen einer von dem Beklagten bei dem ebenfalls am BGH zugelassenen Rechtsanwalt Dr. K. ausgeübten Konkurrenztätigkeit fristlos gekündigt worden. Die gegen die Kündigung gerichtete Klage ist rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden. Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben die Parteien zahlreiche Verfahren vor verschiedenen Gerichten gegeneinander anhängig gemacht. Die Ehefrau des Beklagten, die frühere Chefsekretärin des Klägers, hat sich daran beteiligt. Einige dieser Verfahren sind noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Auf einen der Steuerfahndung erteilten Hinweis wurde im Jahr 1986 in der Kanzlei des Klägers eine Betriebsprüfung durchgeführt. Aufgrund des Prüfungsergebnisses hat das Amtsgericht K gegen den Kläger eine Geldstrafe von 325.000,00 DM wegen Verletzung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erlassen. Der Strafbefehl ist dem Verteidiger des Klägers am 5. Mai 1987 zugestellt worden. Der Beklagte behauptet, am 8. Mai in einem anonymen Brief u.a. eine Kopie des Strafbefehls erhalten zu haben. Darüber fertigte er einen Vermerk. Sämtliche beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte erhielten ebenfalls eine Kopie des gegen den Kläger erlassenen Strafbefehls anonym zugesandt. Am 19. Oktober 1987 wandten sich der Beklagte und seine Ehefrau an den Leiter des Betriebsprüfungsreferats der O . Sie teilten diesem mit, hinter der anonymen Versendung könne niemand anderer stecken als der Kläger. Diese Vermutung habe sich bei ihnen zur Gewißheit verdichtet. Dieser sei offensichtlich davon ausgegangen, durch die anonyme Zusendung das Ehepaar B. veranlassen zu können, die zugegangenen Schriftstücke gegen ihn zu verwerten. Am 25. Mai 1987 schrieb der Kläger an den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof, daß er es mit der Kollegialität des kammerangehörigen Rechtsanwalts Dr. K. für unvereinbar halte, daß der zu Recht fristlos entlassende Beklagte von Dr. K. beschäftigt werde. Diese Schutz- und Arbeitgeberfunktion müsse ein Ende haben. Bald nach Eingang dieses Schreibens ist die Beschäftigung des Beklagten von Dr. K. beendet worden. Der Beklagte wandte sich in der Folgezeit an sämtliche berufsständischen Vereinigungen, bei denen der Kläger Funktionen ausübte, und an die Verlage, bei denen der Kläger als Herausgeber und Autor veröffentlichte, sowie an zahlreiche andere Einrichtungen und Personen, insbesondere an Kollegen, Mandanten und die Korrespondenten der Medien. Unter Beifügung umfangreicher Aktenstücke stellte er immer wieder dar, wie er von dem wegen des Steuerdelikts und zusätzlich wegen einer Trunkenheitsfahrt vorbestraften Kläger geschädigt worden sei. In weiteren Schreiben hat der Beklagte angegeben, der Kläger habe versucht, ihn durch falsche Gutachten und Erklärungen des Wirtschaftsprüfers T. sowie des angestellten Buchhalters R. als Betrüger erscheinen zu lassen. Von diesen Schriftstücken hat der Kläger einen Auszug, der sechs Aktenordner umfaßt, zu den Berufungsakten gereicht.

Der Kläger hat beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, außerhalb laufender oder einzuleitender behördlicher oder gerichtlicher Verfahren Dritten gegenüber unaufgefordert

a) zugänglich zu machen das Schreiben an die O - BP-Referat - (St. 33) Herrn Leitenden Regierungsdirektor P , K , vom 19. Oktober 1987 nebst Vermerk des Beklagten und seiner Ehefrau vom 9. Mai 1987, die Verfügung des Finanzamtes (Straf- und Bußgeldsachenstelle) K , an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht K vom 6. April 1987 sowie den Strafbefehl des Amtsgerichts C 3 K - V (Cs) Ls 35/87 - vom 29. April 1987;

b) zu behaupten, der Kläger habe den Strafbefehl des Amtsgerichts C 3 K - V (Cs) Ls 35/87 - vom 29. April 1987 laufend gegen die Eheleute Dr. B "verwertet";

c) zu behaupten, die "undichte Stelle" könne nur der Kläger sein, der das anonyme Herumsenden seines Strafbefehls veranstaltet bzw. veranlaßt habe.

2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, außerhalb laufender oder einzuleitender behördlicher oder gerichtlicher Verfahren Dritten gegenüber unaufgefordert

a) mitzuteilen,

- bei einer im Herbst 1986 durchgeführten Betriebsprüfung habe sich herausgestellt, daß er fortgesetzt über viele Jahre hinweg Steuerhinterziehungen vorgenommen habe; - bei dem Kläger handele es sich um einen zweimal rechtskräftig vorbestraften Anwalt,

b) zu behaupten,

- das von Wirtschaftsprüfer T erstattete Gutachten vom 21. November 1985 stimme in weiten Teilen weder mit den Buchhaltungsunterlagen noch mit den Bankbelegen überein; - in dem beim Oberlandesgericht K anhängigen Rechtsstreit - 12 U 135/87 - sei im einzelnen nachgewiesen worden, daß die Herrn F R in den Mund gelegten "Erklärungen" in der eidesstattlichen Versicherung vom 29. Januar 1986 - Urkundenrolle Nr. 8 UR 332/86 - des Notars Prof. Dr. L gerade in den Kernpunkten eklatant falsch und sachverhaltwidrig seien;

- der Kläger habe die eidesstattliche Versicherung F R vom 29. Januar 1987 in den verschiedensten außergerichtlichen Bereichen immer wieder als "Beleg" dafür angeführt, um welch einen "Betrüger" es sich bei dem Beklagten handele.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat insbesondere geltend gemacht, er sei durch die Veröffentlichung der Entscheidung über seine erfolglose Kündigungsschutzklage in der vom Kläger mitherausgegebenen juristischen Zeitschrift als "fristlos entlassener wissenschaftlicher Mitarbeiter" gekennzeichnet worden. Er habe deshalb das Recht zum "Gegenschlag".

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben, und den Einspruch des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten ist die Klage hinsichtlich des Antrags zu 2 a abgewiesen worden. Im übrigen war die Berufung erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Revision eingelegt. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision weiterhin sein erstinstanzliches Prozeßziel. Der Beklagte beantragt die vollständige Abweisung der Klage.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß der Beklagte die in den Anträgen 1 a, b, c und 2 b enthaltenen Handlungen zu unterlassen hat.

A. Komplex Strafbefehl

1. Der Unterlassungsantrag zu 1 ist hinreichend individualisiert und somit bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat konkret umschrieben, welche Behauptungen der Beklagte künftig unterlassen soll (Antrag 1 b und c). Er hat weiterhin die Schriftstücke gegenständlich und datumsmäßig bezeichnet, deren erneute Versendung er beanstandet (Antrag 1 a).

2. Der Kläger ist berechtigt, entsprechend § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB vom Beklagten zu verlangen, die Wiederholung von Behauptungen zu unterlassen, der Kläger habe die Versendung des eigenen Steuerstrafbefehls anonym veranlaßt und die anonyme Versendung gegen den Beklagten und dessen Ehefrau verwendet (Antrag 1 b und c). Der Unterlassungsanspruch betrifft die unaufgeforderte Bekanntgabe gegenüber Dritten außerhalb behördlicher oder gerichtlicher Verfahren und schließt auch die mittelbare Weitergabe der Behauptungen durch das Zugänglichmachen des Schreibens des Klägers an den Leitenden Regierungsdirektor P. vom 19. Oktober 1987, die Schlußverfügung der Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamtes K vom 6. April 1987 sowie den Strafbefehl des Amtsgerichts K gegen den Kläger vom 29. April 1987 mit ein.

a) Rechtlicher Ausgangspunkt ist der von Art. 1 und Art. 2 GG garantierte Persönlichkeitsschutz (vgl. BAGE GS 48, 122, 136, 139 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht mit Hinweis auf BVerfGE 34, 269, 280 = AP Nr. 21 zu Art. 2 GG). Das Persönlichkeitsrecht des früheren Arbeitgebers wird als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vor objektiv rechtswidrigen Eingriffen geschützt (BGHZ 13, 334; BGHZ 95, 212). Gegenstand dieses Rechts ist die Achtung der individuellen Persönlichkeit, insbesondere in dem Sinne, in Ruhe gelassen zu werden (BGHZ 106, 229). Der Unterlassungsanspruch ist zwar als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nicht erwähnt, in entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB jedoch anerkannt (vgl. BAGE 45, 111, 117 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht; BAGE 64, 308, 312; BGH Urteil vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93 - ZIP 1994, 648, 649). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

b) Der Beklagte hat in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, indem er unbeteiligten Dritten seine Schreiben an den Leitenden Regierungsdirektor des Betriebsprüfungsreferats der O vom 19. Oktober 1987 nebst Schlußverfügung des Finanzamtes und Strafbefehl des Amtsgerichts zugänglich gemacht hat. Das Schreiben an den Leiter der Betriebsprüfung bei der O vom 19. Oktober 1987 und der als Anlage beigefügte Vermerk vom 9. Mai 1987 enthalten ein Gemenge von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen, die den Kläger in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen. Der Beklagte schreibt u.a., "der Kläger habe sich nach der Schlußverfügung des Finanzamtes und dem Strafbefehl des Amtsgerichts einer besonders schweren Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Seine anfängliche Vermutung habe sich inzwischen zur Gewißheit verdichtet, daß der Kläger die anonyme Versendung des eigenen Strafbefehls veranstaltet habe, um ihn, den Beklagten, für die Verbreitung verantwortlich machen zu können." Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Zugänglichmachung der Schriftstücke und die darin enthaltenen Meinungsäußerungen sowie die in den Anträgen 1 b und 1 c auch ausdrücklich aufgeführten Tatsachenbehauptungen als einen einheitlichen Lebenssachverhalt angesehen. Entgegen der Revision des Beklagten geht es dem Kläger nicht darum, die Verbreitung einzelner Passagen aus den Schriftstücken zu untersagen. Er will die mit der Veröffentlichung der Schriftstücke erneute Bloßstellung seiner steuerlichen Verhältnisse, die zum Erlaß des Strafbefehls führten, und die Vorwürfe abwehren, er sei der Urheber der anonymen Versendung des Strafbefehls, die er wider besseres Wissen dem Beklagten anlaste. Die zugrundeliegenden Äußerungen hat das Landesarbeitsgericht als Tatsachenbehauptung angesehen, für die der Beklagte beweisfällig geblieben sei.

c) Die Revision des Beklagten hat Verfahrensrügen erhoben. Es bedarf keiner Entscheidung, ob diese Rügen für durchgreifend erachtet werden.

Selbst wenn der Wahrheitsbeweis für die den Kläger herabwürdigenden Behauptungen im Sinne von § 186 StGB erbracht ist, erweist sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Dasselbe gilt, wenn der Revision des Beklagten folgend die im Schreiben vom 19. Oktober 1987 enthaltenen Äußerungen als Tatsachenbehauptungen überlagernde Werturteile angesehen werden. In allen Fällen bedarf es der Abwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BVerfGE 7, 198, 210). Danach ist der Eingriff widerrechtlich , wenn diese Abwägung zum Nachteil des Angreifers ausgeht (BGHZ 24, 72, 80). So ist es hier.

aa) Durch die Bekanntgabe der steuerlichen Verhältnisse des Klägers ist in einen Bereich eingegriffen worden, der durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO der Öffentlichkeit grundsätzlich verschlossen ist. Ein Eingriff in diese Sphäre könnte nur dann befugt sein, wenn die wahrheitsgemäße Aufklärung über Vorgänge aus dem privaten Lebensbereich des Klägers für die Allgemeinheit von Bedeutung wäre. Das kommt wegen des fortgeschrittenen Lebensalters des Klägers und nach dem Ausscheiden aus den berufsständischen Spitzenämtern nicht mehr in Betracht.

bb) Die Vorwürfe über die Urheberschaft der anonymen Versendung des Strafbefehls sind ehrverletzend; denn sie stellen den Kläger als Rachsüchtigen dar, der alles daran setzt, den Beklagten zu verfolgen und in ein schlechtes Licht zu setzen. Widerrechtlich ist dieser Eingriff, weil der vom Beklagten erstrebte Zweck außer Verhältnis zur Beeinträchtigung des Betroffenen steht.

Der Beklagte hat noch in der Revision geltend gemacht, er verfolge weiterhin seine berufliche Rehabilitierung. Sein Gang in die Öffentlichkeit stelle sich dazu als notwendiger Gegenschlag dar, nachdem über seinen erfolglosen Kündigungsschutzprozeß in der Fachpresse berichtet worden sei und der Kläger durch das Schreiben an den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof 1987 die Beendigung seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Rechtsanwalt Dr. K. erreicht habe. Für eine berufliche Rehabilitierung ist dieses Vorgehen aber ungeeignet. Der Beklagte kann allenfalls erreichen, daß seine eigenen Verfehlungen nicht als alleinige Ursache für die stattgefundenen Auseinandersetzungen angesehen werden. Dieses beschränkte Interesse ist jedenfalls mittlerweile verbraucht. Der Beklagte verkennt, daß maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Unterlassungsanspruchs der Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist am 11. Mai 1995. Seit der anonymen Versendung des Steuerstrafbefehls sind mehr als acht Jahre vergangen. Nachdem der Beklagte seit 1987 in zahlreichen Schreiben an Verbände, Verlage, Presseorgane, Fernsehsender und Einzelpersonen dazu seine Sicht des Geschehensablaufes dargestellt hat, ist spätestens jetzt der vom Beklagten angenommene Erklärungsbedarf erschöpft. Wenn der Beklagte dennoch daran festhält, auch in Zukunft die beanstandeten Äußerungen und Schriftstücke zu verbreiten, so läßt das nur den Schluß zu, er will dem Kläger keine Ruhe gönnen. Dafür fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse. Nach dem Rechtsgedanken des § 226 BGB ist deshalb die weitere Verbreitung der den Ruf des Klägers schädigenden Behauptungen und Schriftstücke unzulässig.

cc) Der Kläger hat einen Abwehranspruch gegen die Wiederholung der Beeinträchtigungen. Der Beklagte hat sowohl zu Protokoll des Berufungsgerichts als auch in der Revisionsinstanz erklärt, er werde weiterhin in die Öffentlichkeit gehen.

dd) Durch die Untersagung wird der Beklagte nicht übermäßig eingeschränkt. Dem Beklagten bleibt die Wahrnehmung seiner Rechte in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unbenommen. Dem Beklagten wird auch nicht für private Gespräche der Mund verboten. Der Kläger hat in seiner Revisionsbegründung klargestellt, daß von dem Unterlassungsantrag private Gespräche insbesondere im Freundeskreis nicht erfaßt werden sollen. Dem Kläger geht es darum, daß der Beklagte davon absieht, sich mit den das Ansehen des Klägers schädigenden Äußerungen an eine Vielzahl von unbekannten Personen zu wenden.

B. Komplex Gutachten T. und eidesstattliche Versicherung R.

1. Der unter 2 b gestellte Antrag bedarf der Auslegung. Es geht dem Kläger nicht darum, dem Beklagten Aussagen über die inhaltliche Unrichtigkeit des Gutachtens des Wirtschaftsprüfers T. vom 21. November 1985 oder der eidesstattlichen Versicherung des Buchhalters R. vom 29. Januar 1986 zu untersagen. Abgewehrt werden sollen Vorwürfe des Beklagten, der Kläger habe sich falscher Gutachten und inhaltlich nicht zutreffenden eidesstattlichen Versicherungen bedient, um den Beklagten als Betrüger darzustellen.

2. Mit diesem Inhalt sind die Klageanträge begründet. Sie sind darauf gerichtet, Tatsachenbehauptungen des Beklagten abzuwehren, die das Verhalten des Klägers in den Jahren 1985 bis 1987 als verleumderisch erscheinen lassen.

a) Die von dem Beklagten angedrohte Wiederholung des Eingriffs ist widerrechtlich. Dabei kann ebenso wie beim vorangegangenen Tatkomplex offen bleiben, ob die Tatsachenbehauptungen erweislich wahr sind. Die Güter- und Interessenabwägung hat jedenfalls zu dem maßgeblichen Zeitpunkt bei Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht das Ergebnis, daß der Beklagte kein schutzwürdiges Interesse an der weiteren Verbreitung der beanstandeten Behauptungen hat. Ihre Wiederholung dient lediglich der Herabsetzung des Ansehens des Klägers.

b) Durch die Klarstellung in der Revisionsbegründung des Klägers, private Gespräche seien ausgenommen, wird genügend Rücksicht auf die Freiheit des Beklagten genommen, seine Meinung zu den damaligen Vorgängen im privaten Kreis zu äußern.

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Denn der Kläger kann verlangen, daß der Beklagte es unterläßt, unaufgefordert Dritten die im Herbst 1986 beim Kläger durchgeführte Betriebsprüfung und deren Ergebnis mitzuteilen sowie den Kläger als zweimal rechtskräftig vorbestraften Anwalt zu bezeichnen (Antrag 2 a).

1. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die Verbreitung dieser wahren Tatsachenbehauptungen fehle ein schutzwürdiges Interesse. Das von dem Beklagten in Anspruch genommene Recht auf einen "Gegenschlag" sei allenfalls dazu geeignet, anderen die Überzeugung zu vermitteln, daß auch der Kläger ein unredlicher Mensch sei. Das sei für die vom Beklagten angestrebte Rehabilitierung aber weder sachdienlich noch ansonsten rechtlich schutzwürdig. Gleichwohl könne dem Beklagten die weitere Verbreitung der Behauptungen nicht untersagt werden, weil das Ergebnis der Interessenabwägung entscheidend von den jeweiligen Fallgestaltungen mal so oder mal so ausfallen könne. Dem Beklagten müsse es möglich sein, in privaten Gesprächen "beim Bier" oder "unter Freunden" diesen Teil seiner Lebensgeschichte einschließlich der Hintergründe der Auseinandersetzung mit dem Beklagten zu erzählen. Ferner könne dem Beklagten nicht verboten werden, die Steuerunehrlichkeit des Klägers etwa in einem Leserbrief darzustellen, wenn sich der Kläger als Repräsentant der Anwaltschaft öffentlich zu diesem Thema zu Wort melde.

2. Dem kann nicht beigetreten werden.

a) Ziel des Unterlassungsantrags ist die Untersagung der öffentlichen Verbreitung der beanstandeten Tatsachenbehauptungen. Das hat der Kläger in der Revisionsbegründung klargestellt. Die vom Landesarbeitsgericht angeführten privaten Gespräche sind daher nicht vom Antrag erfaßt.

b) Das Landesarbeitsgericht hat die weitere Verbreitung der Vorstrafen des Klägers unzulässigerweise mit der abstrakten Möglichkeit gerechtfertigt, der Beklagte könne durch eine öffentliche Stellungnahme des Klägers in seiner Funktion als Repräsentant der Anwaltschaft zu einem Leserbrief über die Steuerehrlichkeit des Klägers veranlaßt werden. Zum einen hat das Landesarbeitsgericht den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit verkannt. Es hat auf die im Jahr 1988 wahrgenommene Tätigkeit als Vizepräsident abgestellt. Nur wenn der Kläger noch zum Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung als Spitzenrepräsentant der Anwaltschaft gewirkt hätte, wäre eine Fallkonstellation, wie sie das Landesarbeitsgericht unterstellt hat, in Betracht gekommen. Zum anderen hat das Landesarbeitsgericht durch die Berücksichtigung abstrakter Möglichkeiten, die von keiner Partei behauptet worden sind und die sich auch nicht aufgrund allgemeiner Erfahrungen aufgedrängt haben, den Beibringungsgrundsatz verletzt (vgl. BGH Urteil vom 19. Januar 1977 - VIII ZR 42/75 - LM Nr. 35 zu § 286 (B) ZPO; BGH Urteil vom 11. November 1977 - V ZR 105/75 - LM Nr. 37 zu § 286 (B) ZPO), der nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. den §§ 128, 138, 286 ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren anzuwenden ist. Diesen Verfahrensverstoß hat der Kläger zu Recht gerügt. Denn der Beklagte hat keine Gründe dafür vorgebracht, daß die erneute Aufklärung über die Steuervergehen und die Vorstrafen des Klägers im öffentlichen Interesse liegen könne. Wenn der Beklagte geltend macht, er dürfe zurückschlagen, weil der Kläger durch die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses und weitere Maßnahmen seine berufliche Existenz zerstört habe, so betrifft das die Verfolgung privater Interessen. Anhaltspunkte dafür, daß im Mai 1995 noch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorhanden war, sind nicht erkennbar.

3. Die Interessenabwägung durch das Landesarbeitsgericht ist mit Recht zum Nachteil des Beklagten ausgefallen. Die erneute Bekanntgabe der steuerlichen Vergehen und Vorstrafen des Klägers liegt nicht im berechtigten Interesse des Beklagten. Für den geltend gemachten Zweck der beruflichen Rehabilitierung ist sie nicht sachdienlich. Der Eingriff ist auch deswegen widerrechtlich, weil mit der zeitlichen Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren das Recht des Betroffenen, alleingelassen zu werden, zunehmend an Bedeutung gewinnt (BVerfGE 35, 202; BVerfG Beschluß vom 25. Februar 1993 - 1 BvR 172/93 - NJW 1993, 1463). Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar für den Fall, daß ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Danach begrenzen die Tilgung einer Vorstrafe im Bundeszentralregister und das Verwertungsverbot des § 51 BZRG die Zulässigkeit der Berichterstattung der Medien über eine Straftat (BVerfG Beschluß vom 25. Februar 1993 - 1 BvR 172/93 -, aaO). In dem hier entschiedenen Streitfall waren nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts die Vorstrafen des Klägers bei Schluß der mündlichen Verhandlung noch nicht getilgt. Aus dem vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgelegten Führungszeugnis ergibt sich jedoch, daß dort die Verurteilungen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufgenommen waren. Nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG durfte sich daher der Kläger als unbestraft bezeichnen. Bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Privatpersonen ist das für die Interessenabwägung von entscheidender Bedeutung. Acht Jahre nach der letzten Verurteilung hatte somit der im 73. Lebensjahr stehende Kläger ein Recht darauf, vom Beklagten in Ruhe gelassen zu werden.

III. Der Beklagte hat als vollständig Unterlegener die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.

[Siehe hierzu den Streitwertbeschluß vom 02.03.1998 zu obigem Az.]

Ende der Entscheidung

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