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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.09.2009
Aktenzeichen: 9 AZR 643/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans, TV ATZ, SR TV-L


Vorschriften:

BGB § 311a
BGB § 315
ZPO § 138
ZPO § 253
ZPO § 894
Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2007 vom 30. Januar 2007 § 6
TV ATZ § 2
SR TV-L § 47
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

9 AZR 643/08

Verkündet am 15. September 2009

In Sachen

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell, den Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gallner sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Merte und Pielenz für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. Mai 2008 - 5 Sa 125/08 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.

Der im Januar 1953 geborene Kläger ist seit 1983 als technischer Angestellter für das beklagte Land tätig. Er arbeitet im Werkdienst der Druckerei in der Justizvollzugsanstalt G. Zu den Aufgaben der Druckerei gehört es ua., Gefangene auszubilden.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind aufgrund vertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 1. März 2009 (TV-L) und der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 30. Juni 2000 (TV ATZ) anzuwenden.

§ 2 TV ATZ lautet:

"§ 2

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

(1) Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die

a) das 55. Lebensjahr vollendet haben,

b) eine Beschäftigungszeit (z. B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren vollendet haben und

c) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.

(2) Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

(3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

(4) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 1. Januar 2010 beginnen."

In § 47 Nr. 3 des TV-L der am 1. November 2006 in Kraft getretenen Sonderregelungen für Beschäftigte im Justizvollzugsdienst der Länder sowie im feuerwehrtechnischen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg (SR TV-L) ist auszugsweise geregelt:

"(5) Einem Antrag von Beschäftigten auf Vereinbarung von Altersteilzeitarbeit nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) soll auch schon vor der Vollendung des 60. Lebensjahres entsprochen werden. § 5 Absatz 7 TV ATZ gilt in diesen Fällen mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Vomhundertsatzes von 5 v.H. ein Vomhundertsatz von 8,33 v.H. tritt."

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 beim Leiter der Justizvollzugsanstalt G Altersteilzeit im Blockmodell für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2018. Die Arbeitsphase sollte von Februar 2008 bis Januar 2013 dauern, die Freistellungsphase von Februar 2013 bis Januar 2018. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt G lehnte den Antrag unter dem 22. Dezember 2006 ab, weil der Arbeitsplatz des Klägers während der Freistellungsphase nicht durch eine Neueinstellung besetzt werden dürfe.

Nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2007 vom 30. Januar 2007 (Haushaltsgesetz 2007) sind die in den Erläuterungen zu den Titeln der Gruppe 429 ausgewiesenen Stellen für Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter hinsichtlich ihrer Gesamtzahl verbindlich. In diese Gruppe fielen für den Justizvollzug im Haushaltsjahr 2007 641 Stellen.

Im Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags des Klägers war geplant, die Gefangenenzahl der Justizvollzugsanstalt G künftig um 120 Plätze zu erhöhen. Damit sollte eine Aufstockung der Zahl der Auszubildenden um 10 bis 15 Gefangene einhergehen.

Der Kläger meint, aufgrund der Sollbestimmung in § 47 Nr. 3 Abs. 5 Satz 1 SR TV-L müssten dem Altersteilzeitantrag eines Arbeitnehmers im Justizvollzugsdienst gewichtigere Gründe entgegenstehen, als das sonst bei einer Entscheidung nach billigem Ermessen auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 TV ATZ der Fall sei. In der Regel sei Altersteilzeit zu gewähren. Die Unsicherheit der Prognose für die Stellenplanung bei Eintritt in die Freistellungsphase im Jahr 2013 sei kein solcher gewichtiger Grund.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, mit ihm einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2018 abzuschließen.

Das beklagte Land hat im Weg des Einspruchs beantragt, das stattgebende Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Wegen der aus § 6 Abs. 2 Haushaltsgesetz 2007 folgenden Stellenbesetzungssperre dürfe der Arbeitsplatz des Klägers mit Eintritt in die Freistellungsphase allenfalls in einem Umfang von 30 % nachbesetzt werden. 70 % der Stelle seien durch die für die Altersteilzeitvergütung aufzubringenden Haushaltsmittel gebunden. Eine Nachbesetzung der Stelle mit einem Anteil von 30 % der Vollarbeitszeit sei nicht realistisch. Die fehlende Arbeitskraft werde die betrieblichen Abläufe des Druckereibetriebs beeinträchtigen und die Resozialisierung der Gefangenen erschweren. Es sei nicht zu erwarten, dass sich die Haushaltslage bis zum Jahr 2013 bessern und die Stellenbesetzungssperre entfallen werde. Für die zu treffende Interessenabwägung seien nach der Sollbestimmung in § 47 Nr. 3 Abs. 5 Satz 1 SR TV-L keine gewichtigen sachlichen Gründe erforderlich. Es bleibe bei den sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, die § 2 Abs. 1 TV ATZ verlange.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben. Auf den Einspruch des beklagten Landes hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Revision ist unbegründet. Die Klage hat Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Der Antrag ist so zu verstehen, dass das beklagte Land verurteilt werden soll, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags anzunehmen. Mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Annahmeerklärung nach § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO als abgegeben (vgl. nur Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 893/07 - Rn. 20, AP TzBfG § 8 Nr. 27 = EzA TzBfG § 8 Nr. 23). Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe der Annahmeerklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist (vgl. für die st. Rspr. Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 893/07 - Rn. 21 f., aaO.).

2. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll hier im Blockmodell in der Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2018 durchgeführt werden. Die bisher geschuldete Arbeitszeit soll halbiert und insgesamt in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erbracht werden. Daran soll sich die Freistellungsphase anschließen. Die Arbeitsphase soll von Februar 2008 bis Januar 2013 dauern, die Freistellungsphase von Februar 2013 bis Januar 2018. Das ergibt sich aus dem der Klageschrift beigefügten Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags vom 6. Dezember 2006. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll sich inhaltlich nach den Regelungen des TV ATZ richten.

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Abschluss des verlangten Altersteilzeitarbeitsvertrags aus § 2 Abs. 1 TV ATZ.

1. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Ablehnung seines Antrags durch das beklagte Land mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatte, sondern diese Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Buchst. a TV ATZ erst im Januar 2008 erfüllte.

a) Der Senat kann offenlassen, ob ein Arbeitgeber auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 TV ATZ stets verpflichtet ist, über einen Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags zu entscheiden, wenn das Angebot abgegeben wird, bevor der Anspruchsteller das 55. Lebensjahr vollendet hat. Ferner kann auf sich beruhen, ob diese Pflicht schon über ein Jahr vor Vollendung des 55. Lebensjahres besteht.

b) Das beklagte Land ließ sich hier vorbehaltlos auf den Altersteilzeitantrag des Klägers ein (vgl. zu einer Einlassung in dem anderen Zusammenhang eines Verstoßes gegen die in einem ähnlichen Tarifvertrag enthaltene Mindestfrist Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B III der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Es berief sich nicht auf die fehlende Vollendung des 55. Lebensjahres oder eine noch nicht mögliche Prognose der künftigen Verhältnisse. Das Land lehnte den Antrag vielmehr aus Sachgründen ab.

2. Das beklagte Land ist aus § 2 Abs. 1 TV ATZ verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ablehnung des Landes genügt diesen Anforderungen nicht. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Die vom beklagten Land ermessensfehlerhaft nicht abgegebene Annahmeerklärung ist zu ersetzen.

a) Der Kläger erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV ATZ. Er hat das 55. Lebensjahr inzwischen - im Januar 2008 - vollendet. Er wird vom beklagten Land seit 1983, dh. seit weit über fünf Jahren vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeitarbeit am 1. Februar 2008, beschäftigt. Der Kläger stand in diesem Fünfjahreszeitraum mindestens 1.080 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach dem SGB III.

b) Nach § 2 Abs. 1 TV ATZ kann der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren.

aa) Mit der Formulierung "kann" wird regelmäßig ausgedrückt, dass dem Berechtigten die Entscheidung überlassen wird, ob er tätig wird oder nicht. Das gilt auch für die Tarifvorschrift des § 2 Abs. 1 TV ATZ. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Antrag auf Änderung des Arbeitsvertrags allein deshalb anzunehmen, weil der Arbeitnehmer die in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Tarifvertragsparteien haben die Entscheidung über die verlangte Vertragsänderung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt (Senat 12. Dezember 2000 - 9 AZR 706/99 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 96, 363; vgl. zu einer ähnlichen Tarifnorm auch 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 2 b aa der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15).

bb) Der Arbeitgeber ist jedoch nicht frei in der Ausübung seines Ermessens. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Kann-Bestimmung in § 2 Abs. 1 TV ATZ nicht nur die Selbstverständlichkeit wiederholt, dass der Arbeitgeber Vertragsfreiheit genießt und mit seinen Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge schließen kann. Der Arbeitnehmer hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag billiges Ermessen entsprechend § 315 Abs. 1 BGB wahrt (für die st. Rspr. Senat 15. April 2008 - 9 AZR 111/07 - Rn. 30, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 39 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 27; 26. Juni 2001 - 9 AZR 244/00 - zu II 2 der Gründe, BAGE 98, 114).

cc) Der Arbeitgeber muss bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen (Senat 12. Dezember 2000 - 9 AZR 706/99 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 96, 363). Er ist berechtigt, den Antrag des Arbeitnehmers auch aus anderen als den in § 2 Abs. 3 TV ATZ genannten dringenden betrieblichen oder dienstlichen Gründen abzulehnen. Diese Vorschrift bezieht sich lediglich auf Arbeitnehmer iSv. § 2 Abs. 2 TV ATZ, also auf Arbeitnehmer ab Vollendung des 60. Lebensjahres (Senat 12. Dezember 2000 - 9 AZR 706/99 - zu B II 1 b der Gründe, aaO.).

c) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass die ablehnende Entscheidung des beklagten Landes diesem Maßstab der Billigkeit nicht gerecht wird. Das Berufungsurteil hält jedenfalls im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

aa) Das Berufungsgericht hat zugunsten des beklagten Landes unterstellt, dass die sog. Stellenbesetzungssperre noch zu Beginn der Freistellungsphase des Klägers im Februar 2013 verhängt sein werde, eine vollständige Neubesetzung der Stelle daher nicht möglich sein werde und auch keine Möglichkeit bestehe, die Tätigkeiten des Klägers umzuverteilen. Es sei jedoch unstreitig, dass die Justizvollzugsanstalt G erweitert werde und die Zahlen der Gefangenen und der Auszubildenden in der Werkstatt erhöht würden. Im Rahmen der vorzunehmenden Umstrukturierungen sei das Land im Hinblick auf die Sollbestimmung in Nr. 2 Abs. 2 SR 2n BAT (seit 1. November 2006 inhaltsgleich in § 47 Nr. 3 Abs. 5 Satz 1 SR TV-L enthalten) verpflichtet zu prüfen, ob die Tätigkeiten des Klägers auf andere Arbeitnehmer verteilt werden könnten. Der Kläger habe entsprechende Vorschläge gemacht.

bb) Eine Entscheidung nach oder entsprechend § 315 BGB setzt voraus, dass die beiderseitigen Interessen abgewogen und dabei alle wesentlichen Umstände angemessen berücksichtigt werden. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. Senat 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29, AP AVR Diakonisches Werk § 1 Nr. 14). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b und B IV 1 der Gründe, aaO.; str., zu der Kontroverse GMP/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 73 Rn. 10). Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn die Tatsachen, die die Ablehnung rechtfertigen sollen, feststehen und nur eine zustimmende Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht (vgl. Senat 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29, aaO.; 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B IV 1 der Gründe, aaO.).

cc) Der Senat muss nach diesen Grundsätzen selbst entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB entscheiden. Er hat das beklagte Land zur Abgabe der Annahmeerklärung zu verurteilen. Nur die Annahme des Angebots entspricht der Billigkeit. Die erforderlichen Tatsachen sind festgestellt.

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt im Rahmen billigen Ermessens jeder sachliche Grund, der sich auf den Übergang in die Altersteilzeit bezieht, um einen Altersteilzeitantrag abzulehnen. Dazu können auch finanzielle Gründe gehören (Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b bb der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15; 12. Dezember 2000 - 9 AZR 706/99 - zu B II 1 c aa der Gründe, BAGE 96, 363).

(2) Das beklagte Land hat sich für die Ablehnung des Altersteilzeitantrags auf die sog. Stellenbesetzungssperre in § 6 Abs. 2 Haushaltsgesetz 2007 berufen. Die Bindung der Haushaltsmittel lässt es aus seiner Sicht nicht zu, mit Beginn der Freistellungsphase im Februar 2013 mehr als 30 % der Stelle des Klägers nachzubesetzen. Das Land geht davon aus, für die von den Haushaltsmitteln gedeckten verbleibenden 30 % der Stelle keinen Bewerber finden zu können.

(3) Dieser Vortrag des beklagten Landes genügt den Erfordernissen eines sachlichen Grundes nicht.

(a) Welche Bemühungen der Arbeitgeber unternehmen muss, um die Aussichten einer Wiederbesetzung zu klären, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es kann genügen, wenn er unter Berücksichtigung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsaufgabe und des Umfangs der durch den Wechsel in die Altersteilzeit frei werdenden Stelle die fehlende Wiederbesetzungsmöglichkeit nachvollziehbar darlegt. Der Arbeitnehmer, der trotz einer in sich nachvollziehbaren und damit plausiblen Begründung des Arbeitgebers weiter eine fehlerhafte Ermessensausübung rügt, muss das seinerseits näher konkretisieren (Senat 26. Juni 2001 - 9 AZR 244/00 - zu II 3 b bb der Gründe, BAGE 98, 114; aA und ohne ein Darlegungserfordernis für den zu erwartenden Fortbestand der schlechten Haushaltslage LAG Rheinland-Pfalz 3. März 2005 - 4 Sa 990/04 - zu II der Gründe = juris Rn. 35).

(b) Das beklagte Land hat schon der ersten Stufe seiner Darlegungslast aus § 138 Abs. 1 ZPO nicht genügt.

(aa) Das Land hat seine Prognose, die Stelle des Klägers könne bei Eintritt in die Freistellungsphase im Februar 2013 zu nicht mehr als 30 % nachbesetzt werden, lediglich mit der im Jahr 2007 verhängten sog. Stellenbesetzungssperre begründet. Es hat dagegen keine mittel- oder langfristige Haushaltsplanung vorgetragen. Das wäre wegen des Grundsatzes der vorausschauenden Haushaltsführung und mit Blick darauf, dass zwischen der ablehnenden Entscheidung vom 22. Dezember 2006 und dem gewünschten Eintritt in die Freistellungsphase im Februar 2013 ein Zeitraum von über sechs Jahren liegt, geboten gewesen (zum Grundsatz vorausschauender Haushaltsführung bei einer Altersteilzeitentscheidung nach billigem Ermessen im Beamtenbereich mit abweichendem Ergebnis BVerwG 29. April 2004 - 2 C 21.03 - juris Rn. 16, BVerwGE 120, 382; zu einem Vollanspruch und entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen aufgrund der Haushaltslage LAG Düsseldorf 29. November 2005 - 6 Sa 1066/05 - zu II 2 b bb der Gründe). Das Land hat ferner nicht dargelegt, welche Erwartungen es in der Frage hat, wie sich die nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unstreitige Erweiterung der Justizvollzugsanstalt G konkret auf die künftigen Stellenpläne bis zum Jahr 2013 auswirken wird. Zwischen den Stellenplänen und der bereits eingeleiteten Erweiterung besteht ein notwendiger Zusammenhang. Die Annahmen einer im Jahr 2013 fortbestehenden Begrenzung des Stellenplans auf die im Haushaltsjahr 2007 ausgewiesenen 641 Stellen im Justizvollzug und einer fehlenden Nachbesetzungsmöglichkeit sind ohne die nötige Verknüpfung von Haushaltslage, Stellenplan und Erweiterung der Justizvollzugsanstalt nicht auf nachvollziehbares Tatsachenvorbringen gestützt. Es handelt sich um vage Befürchtungen, auf die der Kläger nicht sachgerecht erwidern kann.

(bb) Dem steht nicht entgegen, dass das Landesarbeitsgericht für den Fall der Fortführung der sog. Stellenbesetzungssperre bis zum Jahr 2013 die Ansicht vertreten hat, das beklagte Land dürfe sich auf diese in der Zukunft liegende tatsächliche und rechtliche Situation nicht berufen. Damit schaffe es selbst die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen, die tarifvertraglich eingegangene Verpflichtung zur Gewährung von Altersteilzeit nach billigem Ermessen nicht erfüllen zu müssen. Das Berufungsgericht hat damit keine Tatsachen festgestellt, sondern sie nur unterstellt, um tragend auf eine andere rechtliche Erwägung abzustellen.

(cc) Das beklagte Land beruft sich letztlich auf sein Interesse an Vertragskontinuität. Das allein ist kein Sachgrund für die Ablehnung eines Altersteilzeitantrags. Sonst stünde es entgegen der tariflichen Vorgabe in § 2 Abs. 1 TV ATZ im Belieben des Arbeitgebers, ob er dem Wechsel eines Arbeitnehmers in die Altersteilzeit zustimmt. Dem Arbeitgeber kommt nach der Tarifnorm kein freies, sondern nur ein an Billigkeitserwägungen gebundenes Ermessen zu (zu einer ähnlichen Tarifbestimmung Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 c der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Da bereits die Kann-Bestimmung in § 2 Abs. 1 TV ATZ den Anspruch des Klägers auf Abschluss des verlangten Altersteilzeitarbeitsvertrags stützt, kommt es auf die Auslegung der Sollvorschrift in § 47 Nr. 3 Abs. 5 Satz 1 SR TV-L nicht an.

B. Das beklagte Land hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Ende der Entscheidung

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