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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: I B 176/07
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
AO § 158
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden, die auf einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen beruhen.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die im Jahr 1994 gegründet wurde und in den Streitjahren (1994 bis 1996) eine Gaststätte betrieb. Ihre Gesellschafter waren X und S mit je 50 % Beteiligung am Stammkapital; S war zugleich Geschäftsführerin der Klägerin.

Die von der Klägerin betriebene Gaststätte umfasste Räumlichkeiten im Erdgeschoss und im Obergeschoss eines Gebäudes; in beiden Geschossen befand sich jeweils eine Thekenanlage. Ebenfalls in beiden Geschossen gab es elektronische Kassen, die miteinander vernetzt und an einen Personalcomputer (PC) angeschlossen waren. Bestellungen von Speisen und Getränken wurden von den Kellnern in die Kassen eingegeben; die in den Kassen gespeicherten Daten waren sodann die Grundlage für die Abrechnung mit den Kellnern. Überschüsse im Kellnerportemonnaie standen den Kellnern zu; Fehlbeträge waren von ihnen auszugleichen. Darüber hinaus befanden sich an den Theken offene Ladenkassen. Die Klägerin unterhielt ferner Bierwagen und Bierzelte auf Sonderveranstaltungen; dabei arbeitete sie ebenfalls mit offenen Ladenkassen.

Die Übernahme der in den elektronischen Kassen gespeicherten Daten in die Buchführung der Klägerin erfolgte in der Weise, dass von dem mit den Kassen verbundenen PC eine Auslesung der Kassen angestoßen wurde. Im Verlauf der Auslesung wurden die Umsatzdaten von den Kassen auf die Speicherplatte des PC übertragen; anschließend wurden die Kassen auf Null gestellt. Die mit fortlaufenden Nummern versehenen und als "Umsatzbilanzreporte" bezeichneten Dateien konnten nach ihrer Speicherung auf dem PC ausgedruckt oder weiterbearbeitet werden. Zudem konnten "Umsatzsteuer-Reporte" ("X-Bons") ausgedruckt werden, die jedoch nicht alle Daten eines "Umsatzbilanzreports" enthielten.

Die von der Klägerin betriebene Gaststätte war bis zum 31. Juli 1994 von S als Einzelunternehmen geführt worden. Dieses hatte in der Zeit von 1992 bis 1994 per saldo Verluste erzielt (1992: ./. 117 356 DM; 1993: 17 575 DM; 1-7/1994: 26 360 DM). Die Klägerin selbst erzielte in den Streitjahren ebenfalls geringfügige Verluste (1994: ./. 6 020 DM; 1995: ./. 1 691 DM; 1996: ./. 1 266 DM), im Folgejahr einen geringfügigen Gewinn und in 1998 erneut einen geringen Verlust.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) an, dass die Kassenbuchführung der Klägerin nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Kassenberichte seien entweder nicht vorhanden (offene Ladenkassen) oder mangelhaft (elektronische Kassen); Inventurlisten auf den 31. Dezember 1995 und den 31. Dezember 1996 seien nicht vorgelegt worden. Das FA erließ deshalb Steuerbescheide nach Maßgabe einer vom Prüfer vorgenommenen Schätzung, die auf der Orientierung an Richtsatzsammlungen und auf einer Nachkalkulation beruhte. Auf dieser Basis ergaben sich Gewinnerhöhungen um (netto) 75 800 DM (1994), 94 700 DM (1995) und 90 200 DM (1996); das FA legte die entsprechend erhöhten Gewinne sowohl der Festsetzung der Umsatzsteuer als auch der körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Behandlung der Klägerin zu Grunde.

Der gegen die Bescheide gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wies das FA auf weitere seiner Ansicht nach gegebene Mängel der Kassenaufzeichnungen hin. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) teilweise statt: Es änderte die angefochtenen Bescheide in der Weise, dass es von Gewinnen der Klägerin in Höhe von 0 DM (1994), 4 000 DM (1995) und 32 000 DM (1996) ausging, für 1995 und für 1996 die Ausschüttungsbelastung auf der Basis von Ausschüttungsbeträgen in Höhe von jeweils 8 225 DM herstellte und danach die Steuern und Messbeträge festsetzte. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen, soweit sie ordnungsgemäß dargelegt worden sind, im Streitfall nicht vor.

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche ist dann gegeben, wenn im konkreten Einzelfall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im Interesse der Allgemeinheit der Klärung bedarf. Bei der Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde ist die Frage der grundsätzlichen Bedeutung regelmäßig nur anhand derjenigen Gründe zu beurteilen, die in der Beschwerdebegründung dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) sind.

2. Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass die Klägerin sowohl in ihrer Gaststätte als auch bei auswärtigen Sonderveranstaltungen offene Ladenkassen führte, für die sie keine Kassenberichte vorgelegt hat. Ferner wurden nach seinen Feststellungen in der Gaststätte elektronische Kassen betrieben, von denen aus Daten auf einen PC übertragen wurden. Dazu hat das FG nach Einholung mehrerer Auskünfte angenommen, dass die auf dem PC gespeicherten Kassendaten nachträglich verändert werden konnten, ohne dass solche Änderungen im Nachhinein zuverlässig zurückverfolgt werden konnten. Schließlich hat das FG festgestellt, dass die Klägerin für die Streitjahre 1995 und 1996 keine Inventurlisten vorgelegt hat. Diese Umstände rechtfertigen seine Annahme, dass die Buchführung der Klägerin nicht gemäß § 158 der Abgabenordnung (AO) der Besteuerung zu Grunde zu legen war. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage stellt sich insoweit nicht.

Die Klägerin trägt zwar in diesem Zusammenhang vor, es sei darüber zu entscheiden, ob das von ihr verwendete Kassensystem "ein einziges Kassensystem oder mehrere offene Ladenkassen" darstelle. Diese abstrakte Frage hat aber für die Beurteilung der Rechtslage ersichtlich keine Bedeutung. Entscheidend ist, dass nach der Überzeugung des FG die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht zuverlässig erkennen ließen, ob die im PC vorgehaltenen Kassendaten mit den ursprünglich eingegebenen identisch oder ob jene Daten nachträglich verändert worden waren. Dieser Umstand schließt die in § 158 AO angeordnete Beweiskraft der Buchführung für den Streitfall aus. Soweit die Klägerin vorträgt, dass in Wahrheit eine Manipulation des Systems ausgeschlossen sei, wendet sie sich gegen eine revisionsrechtlich bindende (§ 118 Abs. 2 FGO) Sachverhaltswürdigung seitens des FG; damit kann sie eine Zulassung der Revision nicht erreichen. Dasselbe gilt insoweit, als die Klägerin sich gegen die Annahme des FG wendet, dass die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) notwendige Kassensturzfähigkeit (BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, 303, BStBl II 1990, 109, 110; BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667, 668, m.w.N.) im Streitfall gefehlt habe. Soweit die Klägerin schließlich darauf hinweist, dass das von ihr verwendete Kassensystem in einer Vielzahl von Gaststättenbetrieben zum Einsatz komme, bezeichnet sie keine Rechtsfrage; nur eine solche kann indessen Ausgangspunkt für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung sein.

3. Einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihre Annahme, dass der gerichtseigene Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung bestätigt und das FG diese Stellungnahme sodann nicht verwertet habe, ist rein spekulativ; die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der Prüfer in dem beschriebenen Sinne geäußert hat. Soweit die Klägerin die vom FG vorgenommene Kalkulation beanstandet und dazu auf ihre eigenen Berechnungen verweist, wendet sie sich wiederum nur gegen die tatrichterliche Würdigung des Einzelfalls, was der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann. Auf weitere Ausführungen dazu sowie zu dem sonstigen Vortrag der Klägerin wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.

Ende der Entscheidung

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