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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.06.2008
Aktenzeichen: I B 184/07
Rechtsgebiete: FGO, EGAHiG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
EGAHiG § 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Auskunft, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) der niederländischen Steuerbehörde erteilt hat.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts, die in den Streitjahren (1990 bis 1993) ihren Sitz in den Niederlanden hatte. Sie schloss im Jahr 1998 mit dem zuständigen niederländischen Finanzamt einen "Festlegungsvertrag", in dem u.a. "vereinbart" wurde, dass sie in den Streitjahren in dem deutschen Ort G eine feste Einrichtung (Betriebsstätte) besessen habe. Der Gewinn der Klägerin, der auf diese Betriebsstätte entfiel, sollte von der niederländischen Besteuerung freigestellt werden.

Im Anschluss an eine Außenprüfung unterwarf das für G zuständige Finanzamt (FA G) den auf die Niederlassung in G entfallenden Gewinn der deutschen Besteuerung. Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Vortrag, sie habe in den Streitjahren in Deutschland keine Betriebsstätte besessen. Ihre Rechtsbehelfe hatten im Ergebnis Erfolg; der beschließende Senat hat mit Urteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07 (DStR 2008, 1828) die vom FA G erlassenen Steuerbescheide aufgehoben.

Im Verlauf des genannten Rechtsbehelfsverfahrens richtete das FA G im Jahr 2001 eine Spontanauskunft an die niederländische Steuerbehörde. In der Folgezeit wurden von den deutschen und den niederländischen Steuerbehörden wechselseitig Auskunftsersuchen gestellt und entsprechende Auskünfte erteilt. In diesem Zusammenhang übersandte das FA G dem BZSt am 3. Mai 2006 eine "Mitteilung im steuerlichen Auskunftsaustausch über Zahlungen aus deutschen Quellen", mit der es auf ein Ersuchen der niederländischen Behörde vom 14. September 2004 eine ergänzende Auskunft erteilen wollte. Bestandteil der Mitteilung waren u.a. Kopien von Schriftsätzen der Klägerin und die Ablichtung der Auskunft eines Dritten über die örtlichen Gegebenheiten in G. Ein Antrag der Klägerin, dem BZSt eine Weitergabe dieser Mitteilung an die niederländische Behörde im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, hatte keinen Erfolg. Daraufhin leitete das BZSt die Mitteilung an die niederländische Behörde weiter.

Schon zuvor hatte die Klägerin beim Finanzgericht (FG) eine Klage mit dem Antrag erhoben, dem BZSt aufzugeben, die beabsichtigte Weiterleitung steuerlicher Informationen an die niederländische Steuerbehörde zu unterlassen. Nachdem es zwischenzeitlich zu der Weiterleitung gekommen war, begehrte sie in der mündlichen Verhandlung eine Feststellung des Inhalts, dass die Weiterleitung der Mitteilung vom 3. Mai 2006 an die niederländischen Steuerbehörden rechtswidrig gewesen sei. Die mit diesem Antrag geführte Klage hat das FG abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das BZSt ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen im Streitfall nicht vor.

1. Dem FG sind nicht die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) unterlaufen. Das bedarf gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO keiner Begründung.

2. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat eine Rechtssache, wenn im konkreten Einzelfall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist, abgesehen von dem hier ersichtlich nicht vorliegenden Fall der "offenkundigen" grundsätzlichen Bedeutung, nach Maßgabe der vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe zu beurteilen.

3. Die Klägerin sieht als grundsätzlich bedeutsam an, ob die Anfrage einer ausländischen Steuerbehörde als "Ersuchen" i.S. des § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern, bestimmter Verbrauchsteuern und der Steuern auf Versicherungsprämien (EGAHiG) angesehen werden kann, wenn sie von der deutschen Steuerverwaltung gezielt veranlasst ("provoziert") worden ist und das Vorgehen der deutschen Behörde rechtswidrig war. Diese Frage ist indessen im Streitfall nicht klärungsfähig. Denn das FG hat das Vorliegen eines "rechtswidrig provozierten" Ersuchens ausdrücklich verneint; es hat dazu ausgeführt, dass das Ersuchen der niederländischen Behörde durch eine Anfrage des Prüfungsfinanzamts vom 23. März 2004 ausgelöst worden und dass diese Anfrage rechtmäßig gewesen sei. Letzteres wird zwar von der Klägerin bezweifelt; doch ist nicht erkennbar, dass sich im Zusammenhang mit der Beurteilung der genannten Anfrage eine für die Allgemeinheit bedeutsame Rechtsfrage stellt. Allein der allgemeine Hinweis der Klägerin auf einen möglichen "Formenmissbrauch" und das "Interesse der Praxis, die Grenzen oder auch die Grenzenlosigkeit des ... zwischenstaatlichen Informationsaustauschs" zu kennen, reicht zur Bezeichnung einer solchen Rechtsfrage nicht aus. Angesichts dessen ist bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde davon auszugehen, dass die von der Klägerin vorausgesetzte Situation des rechtswidrig herbeigeführten Ersuchens im Streitfall nicht vorliegt. Daher kann aus der von der Klägerin bezeichneten Rechtsfrage, die auf jener Vorstellung aufbaut, eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht abgeleitet werden.

4. Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die von der Klägerin formulierte Frage, ob ein Ersuchen i.S. des § 2 Abs. 1 EGAHiG nur eine einmalige Antwort seitens der ersuchten Behörde abdeckt oder ob es auch die anschließende Erteilung ergänzender Auskünfte rechtfertigt und "wie lange und welche späteren Auskünfte von dem Ursprungsersuchen noch umfasst sind". Es bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, dass die ersuchte Behörde eine zunächst erteilte unvollständige oder erläuterungsbedürftige Auskunft später um zusätzliche Informationen ergänzen darf, die den Gegenstand des Ersuchens betreffen. Denn auch in einem solchen Fall handelt sie auf das Ersuchen hin; eine Einschränkung des Inhalts, dass ein Ersuchen i.S. des § 2 Abs. 1 EGAHiG nur einmal beantwortet werden dürfe, ist weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des Gesetzes abzuleiten. Zudem würde eine solche Handhabung darauf hinauslaufen, dass der Empfänger einer Auskunft i.S. des § 2 Abs. 1 EGAHiG stets weitere Auskunftsersuchen nachschieben müsste, um der Gefahr einer --aus welchen Gründen auch immer-- unvollständigen Information zu begegnen; das wäre mit dem Ziel des EGAHiG und der ihm zu Grunde liegenden EG-Richtlinie, die Steuerflucht im europäischen Binnenmarkt wirksam zu bekämpfen (vgl. dazu Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 117 AO Rz 217), nicht vereinbar. Daher berechtigt § 2 Abs. 1 EGAHiG die ersuchte Behörde u.a., die erstmalige Beantwortung des Ersuchens durch die Weitergabe nachträglich erlangter Informationen zu vervollständigen. Um eine solche Situation geht es nach den Feststellungen des FG im Streitfall, der deshalb insoweit keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft.

Ende der Entscheidung

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