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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: I B 43/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 6
FGO § 119 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zahlung von Lizenzgebühren durch die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu werten ist.

Die Klägerin ist eine deutsche GmbH, deren Stammkapital in den Streitjahren (1997 bis 1999) von der österreichischen X-GmbH gehalten wurde. Sie vertreibt ...artikel und dabei vor allem Produkte, die von der österreichischen X-KG hergestellt werden. Dafür hatte die Rechtsvorgängerin der X-KG ihr im Jahr 1992 das Alleinvertriebsrecht für die Bundesrepublik Deutschland zugesichert. An der X-KG sind die beiden alleinigen Gesellschafter der X-GmbH als Kommanditisten mit insgesamt 38 v.H. des Gesellschaftskapitals beteiligt.

Mit Vertrag vom 28. Mai 1992 hatte die X-GmbH der Klägerin das Recht zur Verwendung des in Österreich registrierten Warenzeichens "X" gewährt. Diese Marke, die die X-GmbH ihrerseits auf Grund eines Lizenzvertrags mit der X-KG nutzen durfte, ist inzwischen als Gemeinschaftsmarke beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) für die Klägerin eingetragen. Die Klägerin verpflichtete sich gegenüber der X-GmbH, für das Nutzungsrecht eine Lizenzgebühr zu zahlen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) behandelte die Zahlung der Lizenzgebühren für die Streitjahre als vGA. Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen. In den Urteilsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt, ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte die Vereinbarung über die Lizenzgebühr nicht getroffen, da die der Klägerin überlassene Marke nicht werthaltig gewesen sei. Die Klägerin habe nämlich nach den getroffenen Abreden nicht verhindern können, dass die X-KG ausländische Abnehmer mit den markenrechtlich geschützten Produkten beliefere und dass diese Abnehmer die Produkte sodann auf dem deutschen Markt vertrieben.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses hat der Klägerin nicht in ausreichender Form rechtliches Gehör gewährt:

1. Nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Hieraus folgt für das finanzgerichtliche Verfahren zum einen, dass das FG sein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO). Darüber hinaus haben die Verfahrensbeteiligten Anspruch darauf, dass das Gericht sie auch in rechtlicher Hinsicht auf entscheidungserhebliche Erwägungen und Gesichtspunkte hinweist, mit denen sie erkennbar nicht gerechnet haben und auch nicht rechnen mussten. Das FG verstößt deshalb gegen das Recht eines Beteiligten auf Gehör, wenn es sein Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen war und dessen Heranziehung auch nicht aus sonstigen Gründen nahe lag (Senatsurteil vom 7. August 2002 I R 45/01, BFH/NV 2003, 173; Senatsbeschluss vom 3. Februar 2003 I B 49/02, BFH/NV 2003, 1058, m.w.N.).

2. Im Streitfall hat das FG angenommen, dass die Zahlungen der Klägerin an die X-GmbH deshalb durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien, weil die Klägerin nicht vor Importen Dritter (Parallelimporten) geschützt gewesen sei und ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter diesen Umständen mit einem fremden Dritten keine entgeltliche Nutzung der Marke vereinbart hätte. Diese Überlegung war nach Aktenlage zuvor weder im gerichtlichen Verfahren noch im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren angesprochen worden. Sie drängte sich auch deshalb nicht ohne weiteres auf, weil sich das Markenrecht auf Produkte bezog, für welche die X-KG der Klägerin den Alleinvertrieb für Deutschland übertragen hatte. Vielmehr durfte gerade vor diesem Hintergrund ein ordentlicher und gewissenhafter Verfahrensbeteiligter es als unstreitig ansehen, dass die Markenberechtigung zumindest im Zusammenwirkung mit dem Alleinvertriebsrecht eine gewisse Schutzwirkung zu Gunsten der Klägerin entfaltete; er durfte damit rechnen, dass das FG einen entsprechenden Hinweis geben werde, wenn es eine solche Wirkung generell in Frage stellen wollte. Dies ist nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht geschehen.

3. Ein Hinweis auf die vom FG vertretene Auffassung durfte nicht deshalb unterbleiben, weil sowohl das FA als auch der von ihm eingeschaltete Fachprüfer im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt hatten, dass die Klägerin selbst auch ohne eine Berechtigung hinsichtlich der Marke die von der X-KG hergestellten Produkte in Deutschland hätte vertreiben dürfen. Das FA und der Prüfer haben zwar in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ausgeführt, dass die X-GmbH ein solches Verhalten nicht unter Berufung auf ihr Markenrecht hätte verhindern können (vgl. dazu BGH-Urteile vom 22. Januar 1964 Ib ZR 92/62, BGHZ 41, 84; vom 2. Februar 1973 I ZR 85/71, BGHZ 60, 185). Jedoch befand sich die Klägerin nach dem Abschluss des Lizenzvertrags insoweit in einer anderen Lage, als sie nunmehr sowohl das Alleinvertriebsrecht besaß als auch die Marke nutzen durfte. Dass (auch) in dieser Situation das Recht zur Nutzung der Marke für die Klägerin gänzlich wertlos gewesen wäre, lässt sich deshalb aus den im Verfahrensverlauf angestellten Überlegungen nicht unmittelbar ableiten. Daher greift der Grundsatz, dass ein Hinweis durch die Verwaltungsbehörde einen entsprechenden Hinweis seitens des FG entbehrlich macht (Senatsbeschluss vom 16. Mai 2001 I B 84/00, BFH/NV 2001, 1425; Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 1. Juli 2004 IV B 187/02, BFH/NV 2004, 1421), im Streitfall nicht ein.

4. Im Ergebnis hat das FG eine Überraschungsentscheidung getroffen, worin ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt. Auf diesem Fehler beruht das angefochtene Urteil. Das folgt aus § 119 Nr. 3 FGO. Die dort verankerte Vermutung, dass eine Versagung des rechtlichen Gehörs für das später ergangene Urteil ursächlich ist, gilt zwar nicht ausnahmslos. Sie muss jedoch nur dann weichen, wenn das Gehör nur hinsichtlich einzelner Feststellungen verletzt worden ist, auf die es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 11, m.w.N.). Um eine solche Gestaltung geht es hier nicht, da die markenrechtliche Situation bei konzerninternen Lieferungen uneinheitlich beurteilt und u.a. die Ansicht vertreten wird, dass die Lieferung markenrechtlich geschützter Produkte innerhalb eines Konzern die Schutzfunktion der Marke unberührt lasse (vgl. dazu Baumhoff in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 1 AStG Anm. 703.3). Zudem könnte sich im Streitfall die Frage stellen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sich allein deshalb auf die Zahlung einer --ggf. reduzierten-- Lizenzgebühr eingelassen hätte, um anderenfalls drohende Schwierigkeiten mit der als Markenberechtigte auftretenden X-GmbH zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Würdigung seitens des FG sich auf den Ausgang des Rechtsstreits keinesfalls habe auswirken können. Schließlich hatte die Klägerin keine Gelegenheit, die erst im Urteil zu Tage getretene Gehörsverletzung schon in der ersten Instanz zu rügen, so dass sie ihr Recht auf Beanstandung des Verfahrensmangels nicht durch rügelose Verhandlung verloren hat.

Ende der Entscheidung

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