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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: I B 79/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob Deutschland abkommensrechtlich Ansässigkeitsstaat ist (Doppelwohnsitzfall) und daher in Portugal erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur insoweit von der deutschen Besteuerung freizustellen sind, als sie auf den Tätigkeitsort Portugal entfallen.

Die miteinander verheirateten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) für die Streitjahre 1998 und 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Diplom-Ingenieur, beide Kläger erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli 2000 war der Kläger von seinem deutschen Arbeitgeber (X) zu der in Portugal ansässigen Firma Y (einer konzerneigenen Tochtergesellschaft) entsandt worden; das Arbeitsverhältnis mit der X ruhte.

Der Kläger erklärte in der Steuererklärung für 1998 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 159 789 DM; für 1999 ergaben sich aus der der Einkommensteuererklärung beigefügten Aufstellung Gehaltszahlungen von Y in Höhe von 132 651 DM. Das ursprünglich für die Kläger zuständige Finanzamt behandelte die Kläger für das Streitjahr 1998 zunächst als beschränkt Steuerpflichtige, da diese sich nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes bereits in 1997 nach Portugal abgemeldet hätten. Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch beantragten die Kläger, als unbeschränkt steuerpflichtig veranlagt zu werden. Zur Begründung trugen sie vor, dass sie weiterhin einen inländischen Wohnsitz hätten, da nur die Wohnung im Obergeschoss ihres Hauses in Z vermietet sei und die Erdgeschosswohnung ihnen weiterhin zur Nutzung zur Verfügung stehe. Daraufhin hob das ehemals zuständige Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 1998 wieder auf.

Nachdem der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen keine Angaben zu erhaltenen Ausgleichszahlungen, zu den Gesamtarbeitstagen, den Arbeitstagen außerhalb von Portugal und dem hierauf entfallenden Arbeitslohn gemacht hatte, schätzte das FA Ausgleichszahlungen in Höhe von 30 000 DM in beiden Streitjahren. Von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit setzte es 40 000 DM als steuerpflichtigen Arbeitslohn sowie 150 000 DM (1998) bzw. 122 651 DM (1999) als steuerfreien Arbeitslohn mit Progressionsvorbehalt an. Im hiergegen geführten Einspruchsverfahren wandten sich die Kläger gegen den als steuerpflichtig angesetzten Anteil am Arbeitslohn und legten Nachweise vor, wonach der Kläger Ausgleichszahlungen in Höhe von 83 965 DM (1998) bzw. 102 457 DM (1999) erhalten hatte; im Übrigen habe er in 1998 231 Arbeitstage (davon 32 außerhalb Portugals) und in 1999 228 Arbeitstage (davon 43 außerhalb Portugals) gearbeitet. Das FA ging davon aus, dass für die Tätigkeiten des Klägers außerhalb Portugals das Besteuerungsrecht Deutschland als Ansässigkeitsstaat zustehe und setzte von den Gesamteinnahmen in Höhe von 241 537 DM (1998; 32/231 =) 33 460 DM bzw. in Höhe von 235 108 DM (1999; 43/228 =) 44 340 DM als steuerpflichtigen Arbeitslohn an.

Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts --FG-- vom 13. März 2007 14 K 718/03).

Die Kläger beantragen unter Hinweis auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen FG vom 28. März 2007 14 K 718/03 zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen im Streitfall nicht vor.

1. a) Eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 bzw. nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO halten die Kläger für geboten, weil die Einzelheiten der Abwägung der persönlichen und der wirtschaftlichen Interessen bei der Auslegung des Begriffs "Mittelpunkt der Lebensinteressen" ungeklärt seien. So habe der Senat in seinem Urteil vom 31. Oktober 1990 I R 24/89 (BFHE 163, 411, BStBl II 1991, 562) die Frage, ob persönliche Beziehungen den Vorrang hätten, offengelassen. Auch sei die genaue Abgrenzung des Begriffs der wirtschaftlichen Beziehungen (welche Anknüpfungspunkte mit welchem Gewicht in die Abwägung einzubeziehen seien) noch unklar. Außerdem sei bei einer auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum bezogenen Sicht abweichend von häufig geübter Praxis ausgeschlossen, auf zukünftige Umstände (tatsächliche Rückkehr bei berufsbedingter Abordnung, Nichtausübung einer Verlängerungsoption, Kauf einer Wohnung) abzustellen.

b) Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Auslegung des Begriffs des "Mittelpunkts der Lebensinteressen" --im Streitfall mit Blick auf Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Halbsatz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 15. Juli 1980 (BGBl II 1982, 130, BStBl I 1982, 348)-- als ungeklärt bezeichnet werden kann. Es geht um die Frage, zu welchem Staat die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mehrfach Entscheidungen getroffen (z.B. Senatsurteile vom 23. Oktober 1985 I R 274/82, BFHE 145, 48, BStBl II 1986, 133; in BFHE 163, 411, BStBl II 1991, 562; s. auch Senatsbeschlüsse vom 17. Juli 2002 I B 119/01, BFH/NV 2002, 1600; vom 27. März 2007 I B 63/06, BFH/NV 2007, 1656). Diese Entscheidungen stehen in Übereinstimmung mit Nr. 15 Satz 2 des Musterkommentars zu Art. 4 des OECD-Musterabkommens aus 1977 (OECD-MA), wonach die familiären und gesellschaftlichen Beziehungen der Person, ihre berufliche, politische, kulturelle und sonstige Tätigkeit, der Ort ihrer Geschäftstätigkeit, der Ort, von wo aus sie ihr Vermögen verwaltet, und ähnliches zu berücksichtigen ist, wobei die Umstände als Ganzes zu prüfen sind. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist damit auf der Grundlage einer zusammenfassenden Wertung sowohl der persönlichen als auch der wirtschaftlichen Beziehungen im konkreten Fall zu ermitteln (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 4 MA Rz 70). Einer auf den einzelnen Steuerpflichtigen bezogenen zusammenfassenden Wertung ist eine bestimmende (allgemeine) Rangordnung der Kriterien, die die Kläger im Interesse einer Fortbildung des Rechts in einem Revisionsverfahren erreichen möchten, fremd.

c) Jedenfalls sind die Kläger in diesem Zusammenhang insbesondere der Auffassung, dass das FG --das die Kriterien der BFH-Rechtsprechung herangezogen hat-- den Begriff der persönlichen Beziehungen anders hätte gewichten und mit Blick auf das tatsächliche Wohnen der Familie in den Streitjahren eine engere persönliche Beziehung zu Portugal annehmen müssen. Damit wird von den Klägern geltend gemacht, dass die konkrete Würdigung des FG mit Rechtsfehlern behaftet ist. Dies reicht für eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 bzw. nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht aus.

2. Eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO halten die Kläger für geboten, weil das angefochtene Urteil im Hinblick auf die Fallsituation einer Entsendung in das Ausland, zur Frage der Anwesenheit der engsten Familienmitglieder, zur Vorrangigkeit der persönlichen Interessen vor den wirtschaftlichen Interessen und zur Gleichrangigkeit der wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen von Entscheidungen anderer Gerichte abweiche. Der Befund, dass diese Gerichte in den genannten Fragen zu abweichenden Ergebnissen gelangt seien, trägt dem Umstand, dass jeweils eine zusammenfassende Wertung sowohl der persönlichen als auch der wirtschaftlichen Beziehungen im konkreten Fall zugrunde liegt, nicht ausreichend Rechnung.

Ende der Entscheidung

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