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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: I B 84/05
Rechtsgebiete: EStG, AO, AStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
AO § 141 Abs. 1 Ziff. 1
AO § 141 Abs. 2
AStG § 1 Abs. 1
AStG § 1 Abs. 2
AStG § 1 Abs. 3
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung nach einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein französischer Staatsbürger, betrieb im Streitjahr (1997) einen Handel mit gebrauchten und neuen Waren in Frankreich, in den Übersee-Departements Martinique bzw. Guadeloupe und in Deutschland (Abmeldung des Betriebs in X im Jahr 1999). In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres war der Gewinn aus Gewerbebetrieb --wie in den Vorjahren auf der Grundlage einer Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)-- mit ... DM deklariert. In der Gewinnermittlung waren Umsatzsteuer-Beträge und die Umsatzsteuer-Erstattungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamts --FA--) jeweils gewinnerhöhend und die gezahlten Vorsteuerbeträge gewinnmindernd berücksichtigt.

Das FA folgte in den Steuerfestsetzungen für das Streitjahr (und für die Vorjahre) zunächst den Steuererklärungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Unter Inanspruchnahme eines Verlustvortrages wurde für das Streitjahr ein zu versteuerndes Einkommen von 0 DM errechnet und eine Einkommensteuer von 0 DM festgesetzt (Bescheid vom 4. März 1999; mit Bescheid vom gleichen Datum wurde --unter Berücksichtigung des für 1997 in Anspruch genommenen Betrages-- ein verbleibender Verlustabzug zum 31. Dezember 1997 von ... DM festgestellt). Dem Einkommensteuerbescheid 1992 vom 20. Januar 1995 fügte das FA folgende Erläuterung bei: "Auf Ihre Verpflichtung zur Buchführung gemäß § 141 Abs. 1 Ziffer 1 und Abs. 2 AO weise ich ausdrücklich hin."

Das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (Steufa) führte beim Kläger im Jahr 1999 eine Außenprüfung für die Jahre 1992 bis 1997 durch. Im Bericht vom 31. August 1999 wurde u.a. auf die nicht ordnungsgemäßen Aufzeichnungen bzw. eine Buchführungspflicht verwiesen.

Auf der Grundlage des Prüfungsberichts wurden vom FA für die Jahre bis einschließlich 1996 Hinzurechnungsbeträge gemäß § 1 Abs. 1 bis 3 des Außensteuergesetzes (AStG) angesetzt. Für das Streitjahr 1997 berücksichtigte das FA in dem Änderungsbescheid vom 28. September 1999 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM. Die Differenz zum deklarierten Betrag setzt sich aus folgenden Einzelposten (auf der Grundlage einer bilanziellen Gewinnermittlung) zusammen (Anlage 1 und 2 zum Steufa-Bericht): Korrektur um die ertragswirksam verbuchten Umsatzsteuer-Beträge; Erfassung eines Ertrages von ... DM (bisher nicht angesetzte Kostenerstattung einer französischen Firma des Klägers, Tz. 7, 12 des Berichts; Ansatz einer Gewerbesteuer-Rückstellung). Infolge der Änderungen für die Vorjahre war zum 31. Dezember 1998 ein verbleibender Verlustabzug nicht mehr festzustellen. Das FA hob mit Bescheid vom 28. September 1999 daher auch den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 1997 auf; ein Verlustabzug fand in der Festsetzung für das Streitjahr 1997 nicht mehr statt.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2001 I B 141/00 (BFHE 195, 398) hat der erkennende Senat eine Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1997 gewährt.

Das FA wies den Einspruch zur Einkommensteuer des Streitjahres mit Einspruchsentscheidung vom 15. November 2000 als unbegründet zurück. Die auf die Aufhebung des Einkommensteuer-Änderungsbescheides 1997 gerichtete Klage blieb erfolglos (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Münster vom 10. März 2005 8 K 7687/00 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 1017).

Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist in der Beschwerdeschrift nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet worden.

1. Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (Senatsbeschluss vom 14. Juni 1999 I B 127/98, BFH/NV 1999, 1609, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO verlangen jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert oder sogar die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet (Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1609). Für eine schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) ist im Übrigen die substantiierte Darlegung erforderlich, was der Beteiligte bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (s. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Januar 2000 III B 57/99, BFH/NV 2000, 861).

2. Die das angefochtene Urteil tragenden Erwägungen zu einer das Streitjahr betreffenden Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ausgehend von einer bilanziellen Gewinnermittlung ergeben sich in ihren Einzelheiten schon aus dem der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Bericht der Steufa (Tz. 6 f., 12 und Anlagen 1, 2 des Berichts). Dass "der Sachverhalt bezüglich der fehlenden Hinzurechnung gem. § 1 (3) AStG für 1997" ausdrücklich Gegenstand der Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung beim FG war, wird vom FA vorgetragen, vom Kläger aber wohl bestritten; das Protokoll der mündlichen Verhandlung enthält keine Angaben zum Gegenstand der Erörterungen. Diese Frage kann hier jedoch dahinstehen. Denn der Kläger hat nicht darlegt, was er bei der von ihm in Abrede gestellten ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können.

Ende der Entscheidung

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