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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.07.1999
Aktenzeichen: I R 111/98
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, GewStG


Vorschriften:

AO 1977 § 187
AO 1977 § 7
AO 1977 § 80
AO 1977 § 188
AO 1977 § 186 Nr. 2
AO 1977 § 189
FGO § 78
GewStG § 14 Abs. 1
GewStG § 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist eine kommunale Gebietskörperschaft. In einer zu dieser gehörenden Gemeinde unterhält die Beigeladene, eine GmbH, seit Jahren eine Betriebsstätte, die die gewerbliche Vermietung und Vermittlung von Ferienwohnungen zum Gegenstand hat. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegenüber dem Kläger regelmäßig Gewerbesteuer-Zerlegungsbescheide mit einem Zerlegungsanteil von 0 DM erlassen, da bereits die Gewerbesteuermeßbeträge gegenüber der Beigeladenen auf 0 DM festgesetzt waren. Der Kläger bezweifelt die Richtigkeit der Gewerbesteuermeßbescheide; er vermutet, daß die Beigeladene tatsächlich erhebliche Gewinne erzielt habe und weiterhin erziele, weil sie im Rahmen der Betriebsstätte regelmäßig jährlich über 1 Mio. DM vereinnahme.

Der Kläger beantragte deshalb, seinem Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt X, Einblick in die beim FA geführten Gewerbesteuerakten der Beigeladenen zu gewähren, um die rechnerischen Grundlagen der Gewerbesteuermeßbescheide überprüfen zu können. Das FA lehnte dies zunächst ab, war dann aber bereit, einem Amtsträger des Klägers in den Räumen des FA Akteneinsicht zu gewähren. Dieser bestand jedoch nach wie vor auf eine Einsichtnahme durch seinen Bevollmächtigten, was das FA erneut ablehnte.

Die daraufhin erhobene Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 1555 abgedruckt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das FG-Urteil und den angefochtenen Ablehnungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, seinem Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt X, Einsicht in die für die Beigeladene geführten Gewerbesteuerakten zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich diesem Antrag des FA an.

II. Die Revision ist unbegründet.

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob das in § 187 der Abgabenordnung --AO 1977-- (i.V.m. § 21 Abs. 1 und 3 des Finanzverwaltungsgesetzes) gewährleistete Recht auf Einsicht in die Zerlegungsunterlagen der zuständigen Finanzbehörde von der steuerberechtigten Gebietskörperschaft nur durch ihre Amtsträger (vgl. § 7 AO 1977) oder --gegebenenfalls bei unmittelbarer Übersendung der Unterlagen an die Steuerberechtigte-- auch durch ihren gewillkürten Bevollmächtigten (vgl. § 80 AO 1977) wahrgenommen werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Dem Kläger fehlt das auch für die begehrte Akteneinsicht erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu z.B. --betreffend das Akteneinsichtsrecht gemäß § 78 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- Bundesfinanzhof, Beschluß vom 29. März 1994 VII B 58/94, BFH/NV 1995, 58, 59).

Denn die systematischen Sachzusammenhänge, in die § 187 AO 1977 gestellt ist, belassen keinen Zweifel daran, daß das Einsichtsrecht in die Zerlegungsunterlagen der Finanzbehörden nicht vorbehaltlos und allgemein, vielmehr immer nur im Rahmen eines konkreten Zerlegungsverfahrens besteht, das mit einem Zerlegungsbescheid endet (§ 188 AO 1977; vgl. zur Erforderlichkeit der Aktenkenntnis durch die Verfahrensbeteiligten auch § 29 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes). Ist ein derartiger Bescheid --bezogen auf den jeweiligen Erhebungszeitraum-- nicht ergangen oder ist ein solcher ergangen, aber bereits bestandskräftig, besteht für einen gemäß § 186 Nr. 2 AO 1977 beteiligten Steuerberechtigten zwar noch die Möglichkeit, gemäß § 189 AO 1977 eine Nachholung oder die Änderung des Bescheides zu beantragen. Das setzt jedoch voraus, daß sein Anspruch auf einen positiven Anteil am Steuermeßbetrag (vgl. § 28 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung --GewStG--) nicht berücksichtigt worden ist. Lautet die Festsetzung des Meßbetrages --wie im Streitfall-- ohnehin auf 0 DM, ist eine solche Nichtberücksichtigung aber von vornherein ausgeschlossen. Die Zuweisung eines Zerlegungsanteils würde dann die Änderung des betreffenden Steuermeßbescheides erfordern. Die steuerberechtigte Gemeinde ist indes nicht berechtigt, eine derartige Änderung zu erwirken, auch dann nicht, wenn dieser Bescheid rechtswidrig sein sollte. Die Festsetzung des Meßbetrages obliegt allein den Finanzbehörden (vgl. § 14 Abs. 1 GewStG, § 184 Abs. 1 Satz 1 AO 1977; dazu Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 14 GewStG Rz. 9 ff.); sie ist der steuerberechtigten Gemeinde lediglich als bindende Grundlage (vgl. § 171 Abs. 10 AO 1977) mitzuteilen, damit diese ihrer Verpflichtung nachkommen kann, unter Anwendung ihres Hebesatzes die Gewerbesteuer zu errechnen (vgl. § 16 GewStG) und hiernach den Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheid zu erlassen (vgl. § 184 Abs. 3 AO 1977; Senatsbeschluß vom 4. Oktober 1996 I B 54/96, BFHE 181, 265, BStBl II 1997, 136, m.w.N.). In Einklang hiermit besteht unter den gegebenen Umständen im Streitfall keine Veranlassung, dem Kläger Akteneinsicht zu gewähren; es fehlt an dem hierfür erforderlichen Zerlegungsverfahren für einen positiven Gewerbesteuermeßbetrag.

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