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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.10.2003
Aktenzeichen: I R 15/03
Rechtsgebiete: AO 1977 i.d.F. des JStG 1997, KStG 1991/1996


Vorschriften:

AO 1977 i.d.F. des JStG 1997 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO 1977 i.d.F. des JStG 1997 § 233a Abs. 2 Satz 1
AO 1977 i.d.F. des JStG 1997 § 233a Abs. 2 a
KStG 1991/1996 §§ 27 ff.
Durch den Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr wird kein abweichender Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2 a AO 1977 i.d.F. des JStG 1997 ausgelöst, wenn dieser Beschluss ein erstmaliger ist (Bestätigung der Senatsurteile vom 18. Mai 1999 I R 60/98, BFHE 188, 542, BStBl II 1999, 634; vom 18. Mai 1999 I R 90/98, BFH/NV 1999, 1448, und vom 29. November 2000 I R 45/00, BFHE 193, 500, BStBl II 2001, 326). Um einen erstmaligen Gewinnverwendungsbeschluss in diesem Sinne handelt es sich nicht, wenn er einen vorangegangenen Beschluss der Gesellschaft ersetzt, durch den der Gewinn des betreffenden Wirtschaftsjahres thesauriert wurde.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, reichte am 13. Dezember 1996 die Körperschaftsteuererklärung für 1995 und am 27. März 1998 die Erklärung für 1996 (Streitjahre) beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA-) ein. Bei der Feststellung der Jahresabschlüsse für 1995 und 1996 hatten die Gesellschafter der Klägerin jeweils beschlossen, das Jahresergebnis in vollem Umfang als Gewinn vorzutragen. In den ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheiden vom 17. Juni 1997 (für 1995) und vom 18. Juni 1998 (für 1996), in denen das FA den Steuererklärungen der Klägerin folgte, wurde die Steuer dementsprechend ohne Berücksichtigung einer Körperschaftsteuerminderung oder -erhöhung gemäß § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991/1996) festgesetzt. Zugleich setzte das FA Erstattungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) in Höhe von 25 DM (für 1995) und in Höhe von 3 349 DM (für 1996) fest.

Am 3. Dezember 2001 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, aus dem Bilanzgewinn zum 31. Dezember 1995 eine Ausschüttung von 2 000 000 DM und aus dem Bilanzgewinn zum 31. Dezember 1996 eine Ausschüttung von 500 000 DM vorzunehmen. Die Ausschüttungen wurden noch in 2001 vollzogen. Mit Bescheiden vom 3. Mai 2002 änderte das FA die Körperschaftsteuerveranlagungen für 1995 und 1996, indem es jeweils die entsprechende Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1991/1996 herstellte. Dies führte zu Körperschaftsteuerminderungen von 444 572 DM (für 1995) und von 111 143 DM (für 1996). Die festgesetzten Erstattungszinsen blieben unverändert.

Gegen die Nichtberücksichtigung der Körperschaftsteuerminderungsbeträge bei der Zinsberechnung wandte sich die Klägerin mit Klage, der das Finanzgericht (FG) Köln mit Urteil vom 21. Januar 2003 13 K 5507/02 stattgab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 671 abgedruckt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung des § 233a Abs. 2 a AO 1977.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dem FA in der Sache angeschlossen, ohne eigene Anträge zu stellen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

Das FG hat die Körperschaftsteuerminderungsbeträge zu Unrecht bei der Berechnung der festzusetzenden Erstattungszinsen berücksichtigt.

1. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer einerseits und den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und den bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen andererseits (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO 1977), wobei der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977).

Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO 1977) beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Diese Abweichung ergibt sich aus der durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1997 in die Abgabenordnung eingefügten Regelung in § 233a Abs. 2 a AO 1977. In einem derartigen Fall ist der für die Zinsberechnung maßgebliche Unterschiedsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass er in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO 1977-JStG 1997). Die gesetzlichen Neuregelungen finden erstmals in jenen Fällen Anwendung, in denen das rückwirkende Ereignis nach dem 31. Dezember 1995 eingetreten ist (Art. 97 § 15 Abs. 8 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung --EGAO 1977-- i.d.F. des JStG 1997).

2. Im Streitfall sind hiernach die sich aufgrund der Körperschaftsteuerfestsetzungen für 1995 und für 1996 ergebenden Steuerguthaben vom 1. April 1997 und vom 1. April 1998 an gemäß § 233a AO 1977 zu verzinsen. Zweifelhaft ist lediglich, ob nach Maßgabe des § 233a Abs. 2 a i.V.m. Abs. 7 Satz 1 AO 1977-JStG 1997 für die Zeit vom 1. April 1997 bzw. vom 1. April 1998 bis zum 6. Mai 2002 auf die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteuerminderungen jeweils Teil-Unterschiedsbeträge errechnet werden müssen, die die gemäß § 233a Abs. 1 AO 1977 berechneten und bisher festgesetzten Erstattungszinsbeträge erhöhen. Die Vorinstanz hat dies bejaht (im Ergebnis ebenso Kögel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 233a AO Rz. 73; Berg/Schmich, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2002, 2026; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 233a Rz. 32). Der Senat folgt dem jedoch nicht.

a) Wie der erkennende Senat in mittlerweile ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 18. Mai 1999 I R 60/98, BFHE 188, 542, BStBl II 1999, 634; vom 18. Mai 1999 I R 90/98, BFH/NV 1999, 1448; vom 29. November 2000 I R 45/00, BFHE 193, 500, BStBl II 2001, 326; vom 29. November 2000 I R 18/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 943), wird durch den Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr kein abweichender Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2 a AO 1977 i.d.F. des JStG 1977 ausgelöst, wenn dieser Beschluss ein erstmaliger ist. Daran ist festzuhalten. Auch die Finanzverwaltung hat sich der Senatsrechtsprechung zwischenzeitlich angeschlossen und wendet diese grundsätzlich an (BMF-Schreiben vom 10. Mai 2001 --Anwendungserlass zur Abgabenordnung--, BStBl I 2001, 310 Tz. 10 Abs. 2), so dass es genügt, auf diese zu verweisen.

b) Voraussetzung für die Anwendung dieser Rechtsprechung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings, dass dem erstmaligen Gewinnverteilungsbeschluss kein Beschluss über die Thesaurierung des Gewinns vorangegangen ist, der in dem Wirtschaftsjahr erwirtschaftet wurde, für das die Ausschüttung erfolgt (vgl. Finanzministerium des Saarlandes, Erlass vom 18. Juni 2002, DStR 2002, 1305). Eine Begründung dafür erkennt die Finanzverwaltung darin, dass auch der Thesaurierungsbeschluss ein Gewinnverwendungsbeschluss ist. Deshalb sei der nachfolgende Gewinnverteilungsbeschluss kein erstmaliger mehr.

c) Dem ist beizupflichten. Grund dafür, die erstmalige Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung nicht als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 233a Abs. 2 a AO 1977 anzusehen, ist zwar in erster Linie der Umstand, dass die (Rück-)Wirkungen des Gewinnverteilungsbeschlusses und der daraufhin erfolgten Ausschüttung auf die Festsetzung der Körperschaftsteuer für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr im Hinblick auf die Regelung der §§ 27 ff. KStG 1991/1996 im Gesetz angelegt und diesem gleichsam immanent sind. Denn die Ausschüttung des erwirtschafteten Gewinns und nicht dessen Thesaurierung stellt bei einer Kapitalgesellschaft den Regelfall dar und ist als solcher zu behandeln (vgl. Senatsurteil in BFHE 188, 542, BStBl II 1999, 634). Erst die Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung vermag die Rechtswirkungen der §§ 27 ff. KStG 1991/1996 mit den entsprechenden körperschaftsteuererhöhenden oder -mindernden Wirkungen auszulösen. Diese typische Rechtsfolge der Gewinnausschüttung rechtfertigt es nach Auffassung des Senats, es für die Gewinnausschüttung bei dem "regulären" Zinslauf nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977 zu belassen und § 233a Abs. 2 a AO 1977 dementsprechend nach Sinn und Zweck einengend auszulegen, allerdings nur bezogen auf den erstmaligen Beschluss. Dieser letzteren Einschränkung bedurfte es, um andernfalls drohenden Gestaltungsmöglichkeiten entgegenzuwirken.

Eine solche Situation liegt auch dann vor, wenn die Kapitalgesellschaft zunächst beschließt, ihren Jahresgewinn zu thesaurieren, und wenn sie erst später entscheidet, die Gewinne ganz oder teilweise auszuschütten. Auch bei dem Gewinnverteilungsbeschluss, dem ein Thesaurierungsbeschluss vorangeht, handelt es sich nicht mehr um einen erstmaligen Gewinnverteilungsbeschluss. Maßgeblich ist, dass die Gewinnthesaurierung (Einstellung von erwirtschafteten Beträgen in die Gewinnrücklage oder den Gewinnvortrag) nicht anders als die positive Gewinnausschüttung eine Gewinnverwendung darstellt (vgl. § 29 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 und § 42a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Die Kapitalgesellschaft hat dadurch zu erkennen gegeben, dass sie eine Körperschaftsteuerminderung (zunächst) nicht in Anspruch nehmen will. Daran muss sie sich ebenso festhalten lassen wie umgekehrt im Falle einer positiven Ausschüttung. Dementsprechend stellt die spätere Änderung des einen wie des anderen Gewinnverwendungsbeschlusses ein rückwirkendes Ereignis auch i.S. des § 233a Abs. 2 a AO 1977 dar. Für eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift besteht für diesen Fall keine Veranlassung.

3. Die Vorinstanz hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war deshalb aufzuheben. Da gegen die Höhe der festgesetzten Erstattungszinsen keine Einwände bestehen oder solche auch nicht geltend gemacht worden sind, war die Klage abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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