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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.05.1998
Aktenzeichen: I R 36/97
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
BUNDESFINANZHOF

1. Wird dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer kurz vor Vollendung seines 60. Lebensjahres eine Altersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres zugesagt und verpflichtet sich dieser, drei Jahre später zur Dienstleistung bis zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, so steht das Erfordernis eines zehnjährigen Erdienenszeitraums jedenfalls für die Folgezeit einer steuerlichen Anerkennung der Pensionszusage nicht entgegen.

2. Der Grundsatz, daß bei der Beurteilung der gesellschaftlichen Veranlassung einer Vermögensminderung auch die Interessenlage eines gesellschaftsfremden Vertragspartners zu berücksichtigen ist, hat nur indizielle Bedeutung. Es besagt nicht, daß jede für einen Gesellschaftsfremden ungünstige, für die Kapitalgesellschaft aber günstige Vereinbarung zu einer vGA führen muß.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2

Urteil vom 19. Mai 1998 - I R 36/97 -

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz


Gründe

I.

Am Stammkapital der 1979 gegründeten Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, war bis Ende August 1988 G mit 67 % beteiligt.

Am 1. Januar 1983 sagte die Klägerin dem am 31. Januar 1924 geborenen G eine Pension zu, wonach dieser ab dem 65. Lebensjahr eine Altersrente in Höhe von 75 % des letzten Gehalts, im Falle der Invalidität eine Invalidenrente in gleicher Höhe und im Falle seines Todes seine Witwe eine Witwenrente in Höhe von 60 % der Mannesrente erhalten sollte. Von dem sich nach versicherungsmathematischen Regeln ergebenden Rückstellungsbetrag in Höhe von 535 569 DM stellte die Klägerin 1983 ein Drittel zurück.

Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, daß G in den ihm ab 1983 noch verbleibenden sechs Dienstjahren eine derartig hohe Rente nicht mehr erdienen könne. Allenfalls ein Rentenanspruch in Höhe von 3 % des letzten Gehalts für jedes noch verbleibende Dienstjahr sei angemessen. Dies führte zu einer Anerkennung der Rückstellung in Höhe von 128 536 DM zum 31. Dezember 1983.

Die sich daraus ergebende Änderung nahm die Klägerin hin, änderte jedoch am 20. Juli 1986 im Einvernehmen mit G die Pensionszusage dahin, daß die Alters- und Invalidenrente auf 45 % des letzten Gehalts reduziert und der Beginn der Rentenzahlung auf den Ablauf des 70. Lebensjahres hinausgeschoben wurde. Zugleich verpflichtete sich G, erst mit Ablauf des 70. Lebensjahres aus dem Dienst der Klägerin auszuscheiden. In Anlehnung an die rechnerischen Überlegungen des FA in den Vorjahren stellte die Klägerin eine Pension in Höhe von 11 x 3 % des Gehalts des G zurück. Diesen Betrag verringerte das FA wiederum auf die früher zugestandenen 6 x 3 % mit der Begründung, daß eine derartige Änderung der Pensionszusage im Verhältnis zu einem Nichtgesellschafter nicht vorstellbar gewesen wäre.

Obwohl die Klägerin auch dies hinnahm, bildete sie in den Streitjahren 1989 bis 1991 nach wie vor Pensionsrückstellungen auf der Grundlage von 11 x 3 % des letzten Gehalts, die vom FA wiederum auf 6 x 3 % gemindert wurden. Daraus ergaben sich verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) in Höhe von 127 778 DM (1989), 14 621 DM (1990) und 20 687 DM (1991). Heim Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1990 bis 1. Januar 1992 kürzte das FA die betrieblichen Schulden um die genannten Beträge. Es ergingen ferner in diesem Sinn geänderte Zerlegungsbescheide.

Gegen die so ergangenen Bescheide legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und des § 104 des Bewertungsgesetzes und beantragt, unter Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung sowie der Einspruchsentscheidung die Körperschaftsteuerbescheide, die Gewerbesteuermeßbescheide sowie die Zerlegungsbescheide dahingehend zu ändern, daß vGA in Höhe von 127 778 DM (1989), 14 621 DM (1990) sowie 20 687 DM (1991) nicht hinzugerechnet würden und beim Einheitswert des Betriebsvermögens weitere Schulden in Höhe von 127 778 DM (1. Januar 1990), 142 399 DM (1. Januar 1991) und 163 086 DM (1. Januar 1992) Berücksichtigung fänden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Der Klage ist stattzugeben.

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) --hier Pensionsverpflichtung-- zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Dritten nicht gewährt hätte. Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Urteil vom 19. März 1997 I R 75/96, BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577, m.w.N.).

Unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs stellen sich einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter bei Zusage einer Pension die Fragen, ob er unter den gegebenen betrieblichen Umständen einer Altersversorgung zusagen kann, bejahendenfalls welchen Inhalt sie haben kann. Dabei ist aufgrund nunmehr ständiger Rechtsprechung des Senats u.a. zu berücksichtigen, ob die Pension aus der Sicht des Zusagezeitpunkts noch erdient werden kann. Die Erdienbarkeit hängt entscheidend vom Alter des Geschäftsführers im Zeitpunkt der Zusage und von dem Zeitpunkt ab, ab dem der Pensionsberechtigte durch Eintritt in den Ruhestand die Verpflichtung zur Pensionszahlung auslösen kann. Hatte ein Geschäftsführer das 60. Lebensjahr bereits im Zeitpunkt der Pensionszusage überschritten, so wurde von der Rechtsprechung im Hinblick auf das mit dem Alter steigende Gesundheitsrisiko und die daraus resultierende Gefahr kurzfristiger Inanspruchnahme der Pension die Erdienbarkeit verneint (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419, m.w.N.; vgl. insbesondere auch BFH-Urteil vom 20. Mai 1992 I R 2/91, BFH/NV 1993, 52). Dieser Rechtsprechung hat sich auch der II. Senat des BFH angeschlossen (vgl. Urteil vom 5. Mai 1993 II R 60/90, BFH/NV 1994, 529). Auf den Streitfall bezogen folgt daraus:

1. G wurde die Pension am 1. Januar 1983, mithin vor Vollendung seines 60. Lebensjahres, zugesagt. Da nach der Rechtsprechung das Alter im Zeitpunkt der Zusage maßgeblich ist, ist es --entgegen der Auffassung des FG-- entscheidungsunerheblich, daß G im Zeitpunkt der Änderung der Pensionsvereinbarung im Jahr 1986 bereits älter als 62 Jahre war. Der Vertrag 1986 bedeutet inhaltlich keine Neuzusage, sondern nur eine Minderung des bereits dem Grunde nach erteilten Pensionsversprechens.

2. Erdient werden kann eine Pension von einem beherrschenden Gesellschafter aufgrund der insoweit typisierenden Rechtsprechung jedenfalls dann, wenn zwischen Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand mindestens zehn Jahre liegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419; vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487).

a) Der vertraglich vorgesehene Erdienenszeitraum beträgt im Streitfall mehr als zehn Jahre, da die Zusage am 1. Januar 1983 gegeben wurde und G aufgrund der Änderungsvereinbarung vom 20. Juli 1986 dienstvertraglich bis zum Ablauf seines 70. Lebensjahres tätig sein mußte. In seiner Entscheidung in BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419 hat der erkennende Senat ausdrücklich ausgesprochen, daß eine Pensionszusage, die kurz vor Vollendung des 60. Lebensjahres versprochen wird, anzuerkennen ist, wenn sich der Gesellschafter-Geschäftsführer noch zur Arbeitsleistung bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres ernstlich verpflichtet. Da G, wie von der Klägerin unbestritten vorgetragen und nach Aktenlage bestätigt, auch noch im 70. Lebensjahr für die Klägerin als Geschäftsführer tätig war, bestehen an der Ernsthaftigkeit des vereinbarten Erdienenszeitraums keine Zweifel. Zur Beurteilung der Plausibilität der Ernsthaftigkeit kann die später eingetretene tatsächliche Entwicklung grundsätzlich herangezogen werden (vgl. ähnlich BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 I R 3/92, BFHE 170, 550, BStBl II 1993, 457).

b) Unter der Voraussetzung der ernsthaften Vereinbarung eines zehnjährigen Erdienenszeitraums ist es unschädlich, wenn der ursprünglich vereinbarte und unter 10 Jahre liegende Erdienenszeitraum verlängert wird. Eine solche Möglichkeit zur Anpassung ist insbesondere deswegen geboten, wenn --wie hier-- sich die Rechtsprechung geändert oder weiter entwickelt hat. Gerade den Kapitalgesellschaften, die ernsthafte Pensionsverpflichtungen begründen wollen, muß die Möglichkeit gegeben werden, auf verschärfende Rechtsprechungsänderungen zu reagieren. Das gleiche muß dann auch gelten, wenn die Steuerpflichtigen aufgrund eigener Zweifel an der ausreichenden Dauer des Erdienenszeitraums diesen verlängern.

3. Die Pensionszusage ist auch nicht deswegen als vGA zu beurteilen, weil G im Änderungsvertrag vom 20. Juli 1986 teilweise auf seine aus dem Vertrag vom 1. Januar 1983 resultierenden Pensionsansprüche verzichtete. Zwar hat der Senat im Urteil vom 17. Mai 1995 I R 147/93 (BFHE 178, 203, BStBl II 1996, 204) im Fall einer sog. Nur-Pension ausgesprochen, daß eine vGA auch dann vorliegen kann, wenn eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschafter eine an sich für sie günstige Vereinbarung trifft, ein gedachter Fremder aber einer solchen Vereinbarung nie zugestimmt hätte. Diese Rechtsprechung hat, jedenfalls was ihre Systematik angeht, vielfältige Kritik erfahren (vgl. z.B. Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 8 Anm. 65d; Frotscher, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1998, 23; Hoffmann, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1996, 729, 732; Gruppe Viadrina, Betriebs-Berater 1996, 2436, 2439; Senger/Schulz, DStR 1997, 1830; a.A. Wassermeyer, GmbHR 1998, 157). Der Streitfall bietet keine Gelegenheit, hierzu grundsätzlich Stellung zu nehmen. Nach der genannten Entscheidung "kann" eine Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sein, wenn ein Nicht-Gesellschafter der für die Kapitalgesellschaft günstigen Vereinbarung nicht zugestimmt hätte. Zwingend ist dieser Schluß folglich nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht. Es sind vielmehr die Gesamtumstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, die zu der für den Geschäftsführer nachteiligen Vereinbarung geführt haben.

Im Streitfall ist die für G nachteilige Vertragsänderung darauf zurückzuführen, daß das FA eine Pensionszusage in der ursprünglichen Höhe nicht anerkannte und statt dessen der Pensionsrückstellung nur einen Rentenanspruch von 3 % des letzten Gehalts für die noch verbleibenden Dienstjahre zugrunde legte. Wenn die Klägerin, diesen Überlegungen folgend, in den Streitjahren Pensionsrückstellungen auf der Grundlage von 33 % des zuletzt bezahlten Gehalts bildete, so ist die Kürzung nicht durch die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit des G mit der Klägerin, sondern durch die steuerliche Beurteilung der Pensionszusage durch das FA veranlaßt. Allenfalls wäre zu erwägen, ob die Reduzierung der Pensionszusage von 75 % auf 45 % des letzten Gehalts teilweise die mangelnde Ernstlichkeit des Pensionsversprechens dokumentiert. Diese Frage ist aber entscheidungsunerheblich, da die Klägerin in den Streitjahren nur 33 % des letzten Gehalts zurückstellte. Die Höhe der vGA kann sich nur an der Höhe der tatsächlichen Gewinnauswirkung orientieren.

Im übrigen führt die gegenteilige Auffassung des FA dazu, daß der Verzicht auf eine vGA selbst wieder vGA wäre. Für eine solche Konsequenz bietet die Entscheidung des Senats zur Nur-Pension keine Grundlage.

4. Mit der körperschaftsteuerrechtlichen Anerkennung der Pensionsrückstellungen ist auch die Kürzung des Betriebsschuldenansatzes bei Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens rückgängig zu machen.

Ende der Entscheidung

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