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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: I R 4/01
Rechtsgebiete: AStG


Vorschriften:

AStG § 1
AStG §§ 7 ff.

Entscheidung wurde am 19.09.2002 korrigiert: im Leitsatz muß es statt Kapitalgesellschaft richtig Gesellschaft heißen
Gewährt eine deutsche Gesellschaft ihrer ausländischen Enkelgesellschaft ein Darlehen zu einem unüblich niedrigen Zins, so sind ihre Einkünfte auch dann nach § 1 AStG zu berichtigen, wenn die Einkünfte der Enkelgesellschaft bei ihrer deutschen Muttergesellschaft nach Maßgabe der §§ 7 ff. AStG hinzugerechnet werden. Eine Doppelbesteuerung ist dann in der Weise zu vermeiden, dass bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte der Muttergesellschaft eine Gegenberichtigung vorgenommen wird (Bestätigung von Tz. 1.5.2. des BMF-Schreibens vom 23. Februar 1983, BStBl I 1983, 218).
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über eine Berichtigung von Einkünften nach § 1 des Außensteuergesetzes (AStG).

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, hielt in den Streitjahren (1986 bis 1989) sämtliche Anteile an der F-GmbH. Die F-GmbH war ihrerseits alleinige Gesellschafterin der B-AG, einer Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz.

Die Klägerin hatte in den Streitjahren gegenüber der B-AG in DM und in Schweizer Franken lautende Darlehensforderungen, die mit 4 v.H. pro Jahr verzinst wurden. Dieser Zinssatz entsprach nicht dem damaligen Marktzins. Hieraus ergaben sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) Differenzbeträge von 155 170 DM (1986), 258 355 DM (1987), 40 163 DM (1988) und 670 554 DM (1989).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) rechnete die genannten Beträge dem Einkommen der Klägerin gemäß § 1 AStG hinzu. Bei der vom FG beigeladenen F-GmbH wurden im Rahmen einer Hinzurechnung nach § 7 AStG Gegenberichtigungen vorgenommen, durch die die genannten Beträge in Abzug gebracht wurden.

Die Klage der Klägerin gegen die auf dieser Basis erlassenen Gewinnfeststellungsbescheide hat das FG abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2001, 62). Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Klägerin.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise abzuändern, dass die vom FA vorgenommenen Gewinnkorrekturen nach § 1 AStG rückgängig gemacht werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Einkünfte der Klägerin nach Maßgabe des § 1 AStG zu erhöhen sind und dass dem insbesondere die bei der Beigeladenen vorgenommene --jedoch durch die Gegenberichtigung neutralisierte-- Hinzurechnungsbesteuerung nicht entgegensteht.

1. Das FG hat festgestellt, dass in den Streitjahren die Klägerin an der Beigeladenen und diese wiederum an der im Ausland ansässigen B-AG jeweils zu 100 v.H. beteiligt waren. Diese Feststellungen sind nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend. Folglich ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass die B-AG im Verhältnis zur Klägerin nahe stehende Person i.S. des § 1 Abs. 1 AStG war (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG).

2. Ferner hat das FG mit bindender Wirkung festgestellt, dass die Klägerin der B-AG in den Streitjahren Kapital zur Nutzung überließ, ohne hierfür ein fremdübliches Entgelt zu verlangen oder zu erhalten. Ihre Einkünfte sind deshalb so anzusetzen, wie sie angefallen wären, wenn die Darlehensgewährung unter fremdüblichen Bedingungen stattgefunden hätte (§ 1 Abs. 1 AStG). Das bedeutet, dass die von der Klägerin erklärten Einkünfte um die Differenz zu fremdüblichen Zinsen für das Darlehen an die B-AG zu erhöhen sind.

3. Die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG scheitert nicht daran, dass die B-AG in den Streitjahren passive Einkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 AStG erzielt hat, die bei der Besteuerung der Beigeladenen gemäß § 7 AStG als Zwischeneinkünfte hinzugerechnet worden sind. Der gegenteiligen Ansicht der Klägerin vermag der Senat nicht beizupflichten:

a) Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass die unüblich niedrige Verzinsung des der B-AG gewährten Darlehens sich bei der B-AG gewinnerhöhend auswirkte. Bei Vereinbarung eines üblichen Zinssatzes hätte sich für die B-AG ein höherer Zinsaufwand ergeben; ihre Einkünfte wären entsprechend niedriger ausgefallen. Dadurch hätten sich zugleich die passiven Einkünfte der B-AG vermindert, die ihrerseits bei der Beigeladenen der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen wurden. So gesehen wird der der B-AG eingeräumte Zinsvorteil bei der Besteuerung der Beigeladenen steuererhöhend erfasst, während er zugleich bei der Besteuerung der Klägerin --ebenfalls steuererhöhend-- korrigiert wird. Im Ergebnis erfolgt mithin eine doppelte steuerliche Verlagerung von im Ausland --von der B-AG-- erzielten Einkünften ins Inland, die weder wirtschaftlich sachgerecht ist noch dem Zweck des Gesetzes entspricht.

b) Die vorstehend beschriebene Wirkung des Zusammentreffens von § 1 und §§ 7 ff. AStG kann nicht nur dann eintreten, wenn --wie im Streitfall-- die Einkünftekorrektur einerseits und die Hinzurechnung andererseits gegenüber verschiedenen Rechtssubjekten erfolgen. Sie ist vielmehr auch dann gegeben, wenn ein der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegendes Rechtssubjekt selbst mit der Zwischengesellschaft in Geschäftsbeziehungen steht, auf die § 1 AStG anzuwenden ist. Auf welchem Wege in den unterschiedlichen Konstellationen eine überhöhte Gesamtbesteuerung vermieden werden kann, ist streitig:

Nach Ansicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ist in allen Fällen § 1 AStG uneingeschränkt auch auf Geschäftsbeziehungen eines Steuerpflichtigen zu Zwischengesellschaften i.S. der §§ 7 bis 14 AStG anzuwenden (Tz. 1.5.2 des BMF-Schreibens vom 23. Februar 1983 IV C 5 -S 1341- 4/83, BStBl I 1983, 218; ebenso Baranowski, Internationale Wirtschaftsbriefe --IWB--, Editorial zu Heft 1/1998). Der Gefahr einer Überbesteuerung soll in der Weise begegnet werden, dass bei der Ermittlung der hinzurechnungspflichtigen Einkünfte der Zwischengesellschaft eine Gegenberichtigung vorgenommen wird. So ist das FA im Streitfall verfahren.

Demgegenüber wird in Rechtsprechung und Schrifttum die Ansicht vertreten, dass § 1 AStG gegenüber §§ 7 ff. AStG zurücktreten müsse (FG Münster, Urteil vom 7. August 1997 15 K 144/96 F, EFG 1997, 1289; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, 6. Aufl., § 1 AStG Anm. 186). Dies wird zum einen auf die Überlegung gestützt, dass die Hinzurechnungsbesteuerung auf der Ebene der Einkünfteermittlung erfolgt, während die Korrektur nach § 1 AStG erst im Anschluss an die Einkünfteermittlung --also auf einer nachrangigen Stufe-- ansetzt (vgl. Wassermeyer, a.a.O., § 1 AStG Anm. 77.1). Hieraus hat das FG Münster (Urteil in EFG 1997, 1289) den Schluss gezogen, dass § 1 AStG schon seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nach nicht eingreife, wenn und soweit die Verlagerung von Einkünften in das Ausland durch die Hinzurechnungsbesteuerung ausgeglichen werde; es fehle dann an der von der Vorschrift geforderten "Minderung der Einkünfte" aus der betreffenden Geschäftsbeziehung. Wassermeyer (a.a.O., § 1 AStG Anm. 186) hält zwar diese Argumentation nicht für tragfähig, da bei der Frage nach der "Einkünfteminderung" i.S. des § 1 AStG nicht an die gemäß § 7 AStG korrigierten Einkünfte, sondern an den Unterschiedsbetrag nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzuknüpfen sei. Jedoch sei § 1 Abs. 1 AStG teleologisch dahin zu reduzieren, dass durch das Zusammenwirken von Einkünftekorrektur und Hinzurechnungsbesteuerung keine Doppelbesteuerung ausgelöst werden dürfe (Wassermeyer, a.a.O., § 1 AStG Anm. 189).

c) Der Senat muss im vorliegenden Verfahren den genannten Meinungsstreit nicht abschließend und für alle denkbaren Gestaltungen entscheiden. Jedenfalls ist in der im Streitfall vorliegenden Konstellation, in der die Anwendung des § 7 AStG einerseits und des § 1 AStG andererseits gegenüber verschiedenen Rechtssubjekten erfolgen, für einen Vorrang des § 7 gegenüber § 1 AStG kein Raum.

Denn sowohl bei der Frage nach einer "Minderung der Einkünfte" als auch im Hinblick auf das Vorliegen einer Doppelbesteuerung kann nur auf das jeweilige einzelne Steuersubjekt abgestellt werden. Dies folgt aus dem Grundsatz der Individualbesteuerung, nach dem alle den Bereich der Einkunftserzielung berührenden Umstände jeweils nur bei demjenigen Steuersubjekt berücksichtigt werden können, das sie in Person verwirklicht hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. August 1999 GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, 785). Hieraus ergibt sich für den Streitfall, dass bei der Frage nach der Anwendbarkeit des § 1 AStG allein auf die Verhältnisse der Klägerin abzustellen ist. Dieser gegenüber ist aber eine Hinzurechnung nach § 7 AStG nicht erfolgt und deshalb weder die Minderung der Einkünfte i.S. des § 1 Abs. 1 AStG beseitigt worden noch eine Doppelbesteuerung eingetreten. Adressatin der Hinzurechnungsbesteuerung war allein die Beigeladene, deren Verhältnisse indessen im vorliegenden Verfahren außer Betracht bleiben müssen.

Vor diesem Hintergrund kann in der hier vorliegenden Situation eine effektive Überbesteuerung nicht durch einen Verzicht auf die Anwendung des § 1 AStG, sondern letztlich nur im Billigkeitswege (§ 163 bzw. § 227 der Abgabenordnung --AO 1977--) vermieden werden. Das ist im Streitfall dadurch geschehen, dass das FA die Hinzurechnung gegenüber der Beigeladenen im Wege der Gegenberichtigung um den Korrekturbetrag nach § 1 AStG gemindert hat. Ob die Klägerin verlangen könnte, dass stattdessen bei ihrer eigenen Besteuerung eine Billigkeitsregelung erfolgt, muss im vorliegenden Verfahren nicht abschließend erörtert werden. Denn hier geht es allein um die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung, während über den Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme nicht im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern in einem hiervon getrennten Verfahren zu befinden wäre (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1997 X R 149/94, BFHE 184, 412, BStBl II 1998, 247, 249; BFH-Beschluss vom 3. Februar 1999 I B 122/97, BFH/NV 1999, 974, m.w.N.).

4. Im Ergebnis ist die vom FA vorgenommene Einkünftekorrektur hiernach dem Grunde nach berechtigt. Die Höhe des anzusetzenden Korrekturbetrags ist zwischen den Beteiligten unstreitig; auch bieten weder das FG-Urteil noch der sonstige Akteninhalt Anhaltspunkte für eine unrichtige Berechnung dieses Betrags oder für sonstige Fehler der angefochtenen Bescheide. Das FG hat die Bescheide deshalb zu Recht als rechtmäßig beurteilt, so dass die Revision gegen sein Urteil als unbegründet zurückgewiesen werden muss (§ 126 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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