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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.04.2003
Aktenzeichen: I R 51/02
Rechtsgebiete: KStG 1991, GmbHG


Vorschriften:

KStG 1991 § 27 Abs. 1
KStG 1991 § 27 Abs. 3 Satz 2
GmbHG § 30
GmbHG § 31
1. Für die Vorabausschüttung einer GmbH ist auch dann die Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 und 3 Satz 2 KStG 1991 herzustellen, wenn sie von dem später festgestellten Jahresgewinn nicht gedeckt wird. Die Rückforderung und Rückzahlung der überhöhten Vorabausschüttung ändert daran nichts (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung und von Abschn. 77 Abs. 10 Satz 6 KStR 1993).

2. Das gilt auch dann, wenn der Gewinnverteilungsbeschluss wegen des Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Rechts ausnahmsweise unwirksam ist.


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Verwalterin in dem am 21. April 1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der ... GmbH.

Am 15. Dezember 1994 beschlossen die Gesellschafter der GmbH, einen Gewinn für das Streitjahr 1994 vorab in Höhe von 1 300 000 DM (abzüglich Kapitalertragsteuer) an die Gesellschafter auszuschütten. Weitere Gewinnausschüttungsbeschlüsse für das Streitjahr fassten die Gesellschafter am 21. November 1995 über 25 000 DM sowie am 4. Dezember 1995 über 620 000 DM. Der Beschluss vom 15. Dezember 1994 wurde noch im Streitjahr, die Beschlüsse vom 21. November und vom 4. Dezember 1995 wurden im Folgejahr durchgeführt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Körperschaftsteuer 1994 gegen die GmbH nach dem erklärten Gewinn von 2 383 112 DM und unter Herstellung der Ausschüttungsbelastung gemäß §§ 27 ff. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991) auf die am 15. Dezember 1994 beschlossene und noch im Streitjahr durchgeführte Vorabausschüttung von 1 300 000 DM fest, zuletzt durch Änderungsbescheid vom 26. März 1997 auf 1 231 475 DM. Zugleich erließ er am 26. März 1997 einen entsprechenden Bescheid über die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1991 zum 31. Dezember 1994, durch den das EK 50 auf 934 DM, das EK 45 auf 2 012 157 DM, das EK 02 auf 292 980 DM und das EK 04 auf 907 DM festgestellt wurde.

Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der GmbH widersprach die Klägerin in einem Termin zur Prüfung der angemeldeten Abgabenansprüche am 18. August 1997 der Forderung wegen Körperschaftsteuer für 1994 gemäß § 11 Abs. 2 der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) vom 23. Mai 1991 (BGBl I 1991, 1185).

Daraufhin erklärte das FA am 4. Dezember 1997 die Aufnahme des Steuerrechtsstreits hinsichtlich der streitigen Körperschaftsteuer 1994 sowie anderer --hier nicht streitiger-- Steuern und Nebenleistungen. Die Klägerin legte am 10. Dezember 1997 gegen den Körperschaftsteuerbescheid vom 26. März 1997 Einspruch ein, den sie damit begründete, dass sie als Gesamtvollstreckungsverwalterin gegen die GmbH Klage vor dem Landgericht (LG) erhoben und die Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses für 1994 beantragt habe.

Am 13. Oktober 1999 stellte das von der Klägerin angerufene LG durch Urteil vom 18. August 1999 analog § 241 Nr. 3, § 253 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes (AktG) i.V.m. § 30 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Nichtigkeit der Bilanzen der GmbH zum 31. Dezember 1994 und zum 31. Dezember 1995 sowie der Ausschüttungsbeschlüsse vom 21. November 1995, vom 4. Dezember 1995 und vom 15. Dezember 1994, letzteren in Höhe von 975 000 DM, fest. Begründet wurde dies damit, dass die GmbH zu Unrecht erhebliche Rückstellungen nicht passiviert und deswegen überhöhte Gewinne ausgewiesen habe. Dieses Urteil wurde vom Brandenburgischen Oberlandesgericht durch Urteil vom 20. Juni 2000 bestätigt.

Die Klägerin reichte hierauf einen berichtigten Jahresabschluss für das Streitjahr ein und wies nunmehr einen Jahresfehlbetrag von 652 511,06 DM aus. Das FA trug dem Rechnung und erließ am 3. August 2000 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid sowie einen geänderten vEK-Bescheid. Es legte erklärungsgemäß ein Einkommen in Höhe von ./. 645 246 DM zugrunde, berechnete eine Tarifbelastung von 0 DM und ermittelte einen Körperschaftsteuererhöhungsbetrag in Höhe von 557 142 DM auf Ausschüttungen in Höhe von 1 300 000 DM. Im Feststellungsbescheid wurden die Teilbeträge des vEK wie folgt ausgewiesen: EK 50 mit 0 DM, EK 45 mit ./. 71 651 DM, EK 02 mit ./. 496 497 DM sowie EK 04 mit 907 DM. Über den Einspruch der Klägerin gegen den geänderten Feststellungsbescheid ist bislang nicht entschieden.

Das Finanzgericht (FG) des Landes Brandenburg wies die gegen den Körperschaftsteuerbescheid gerichtete Klage als unbegründet zurück. Sein Urteil vom 5. Juni 2002 2 K 2992/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 1054 veröffentlicht.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1994 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Der erkennende Senat hat in zwischenzeitlich ständiger Rechtsprechung entschieden, dass nach § 27 Abs. 1 und 3 KStG 1991 die Ausschüttung, für die die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist, mit dem Abfluss der Gewinnanteile vollzogen ist. Der in diesem Sinne verwirklichte Sachverhalt ist der Besteuerung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zugrunde zu legen. Wird der Sachverhalt zu einem späteren Zeitpunkt dadurch "rückgängig" gemacht, dass der Gewinnverteilungsbeschluss aufgehoben wird und die Gewinnanteile zurückgefordert werden, so ist die Rückzahlung steuerrechtlich als Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--, § 8 Abs. 1 KStG 1991) zu behandeln (vgl. zur Rückgewähr offener Gewinnausschüttungen z.B. Senatsurteile vom 21. Juli 1999 I R 57/98, BFHE 190, 103, BStBl II 2001, 127; vom 18. Juli 1990 I R 173/87, BFH/NV 1991, 190; vom 14. März 1989 I R 105/88, BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741; vom 5. September 2001 I R 60, 61/00, BFH/NV 2002, 222; vom 7. November 2001 I R 11/01, BFH/NV 2002, 540; zur Rückgewähr verdeckter Gewinnausschüttungen z.B. Senatsurteile vom 29. Mai 1996 I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92; vom 29. April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733; zur Kapitalertragsteuer Senatsurteile vom 17. Februar 1993 I R 21/92, BFH/NV 1994, 83; vom 30. Juli 1997 I R 11/96, BFH/NV 1998, 308; in BFH/NV 2002, 222; Abschn. 77 Abs. 10 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien). Diese Rechtsfolge ist grundsätzlich unabhängig davon, aus welchen Gründen die Rückforderung erfolgt, insbesondere auch davon, ob entsprechende (schuld- oder gesellschaftsrechtliche) Rückforderungsansprüche bestehen und ob die Ausschüttung insoweit eine zunächst nur vorläufige war (Urteil in BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92).

Im Einklang hiermit ist auch für den hier in Rede stehenden Fall einer Vorabausschüttung zu entscheiden, die von dem später festgestellten Jahresgewinn nicht gedeckt wird. Ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Rechts mag zur Unwirksamkeit des Jahresabschlusses führen. Er kann ausnahmsweise auch die Unwirksamkeit des daraufhin ergangenen Gewinnverteilungsbeschlusses zur Folge haben, wenn dieser seinem Inhalt nach ausdrücklich auf eine Auszahlung trotz Verletzung des Stammkapitals gerichtet ist (z.B. Heidinger in Michalski, GmbH-Gesetz, § 30 Rz. 90; Goerdeler/Müller in Hachenburg, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 30 Rz. 76; vgl. demgegenüber für den Regelfall Senatsurteil in BFH/NV 2002, 540, m.w.N.). So verhält es sich nach den im Klageverfahren von der Klägerin vorgelegten Zivilrechtsurteilen im Streitfall. Rückforderungsansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 1997 II ZR 220/95, GmbH-Rundschau 1997, 790) können den tatsächlichen Abfluss der Ausschüttung --und zwar als Ausschüttung von Gewinn-- jedoch auch in einem derartigen Fall nicht ungeschehen machen. Es bleibt vielmehr dabei, dass --erst-- die Rückzahlung der überhöhten Vorabausschüttung ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis findet (vgl. §§ 30, 31 GmbHG) und sich bei der Kapitalgesellschaft deswegen als Einlage erweist. Dementsprechend ist für die Vorabausschüttungen in ihrer ursprünglichen Höhe die Ausschüttungsbelastung gemäß §§ 27 ff. KStG 1991 herzustellen (vgl. Senatsurteile in BFHE 190, 103, BStBl II 2001, 127; in BFH/NV 2002, 222, und in BFH/NV 2002, 540, m.w.N.). Die Einwendungen der Klägerin sind nicht geeignet, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen.

2. Die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nach §§ 27 ff. KStG 1991 scheitert im Streitfall auch nicht daran, dass diese auf denjenigen Teilen des vEK beruht, die im Änderungsbescheid vom 3. August 2000 gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1991 zum 31. Dezember 1994 festgestellt worden sind. Dieser Feststellungsbescheid konnte ebenso wie der hier angefochtene Körperschaftsteuerbescheid am 3. August 2000 ergehen, obwohl über das Vermögen der GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden war.

a) Zwar hat der Senat durch sein Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97 (BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428) entschieden, dass eine Finanzbehörde nach Eröffnung des Konkursverfahrens bis zum Prüfungstermin Steuern, die zur Konkurstabelle anzumelden sind, nicht mehr festsetzen darf. § 240 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gilt insoweit entsprechend. Ein dennoch erlassener Bescheid ist unwirksam. Dies gilt auch für Steuerbescheide, in denen ausschließlich Besteuerungsgrundlagen ermittelt und festgestellt werden, die ihrerseits die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, die zur Konkurstabelle anzumelden sind. Andernfalls könnte die Finanzbehörde das in § 141 der Konkursordnung (KO) vorgeschriebene Verfahren unterlaufen. Dass Feststellungsbescheide nicht unmittelbar auf eine Befriedigung des Steuergläubigers gerichtet sind, steht dem nicht entgegen. Es genügt, dass sie für das Insolvenzverfahren präjudiziell sein können, soweit Besteuerungsgrundlagen für eine Steuer festgesetzt werden, die Konkurs- oder Insolvenzforderungen sind. Davon abzugrenzen sind Feststellungen, welche Steueransprüche betreffen, die keine Konkurs- oder Insolvenzforderungen sind; das Feststellungsverfahren bleibt dann von der Konkurs- oder Insolvenzeröffnung unbeeinflusst. Diese Rechtsprechungsgrundsätze, an denen der Senat festhält, gelten gleichermaßen für das Gesamtvollstreckungsverfahren nach Maßgabe der Gesamtvollstreckungsordnung.

b) Im Streitfall sind diese Grundsätze jedoch nicht einschlägig. Denn in dem zitierten Urteil in BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428 hat der Senat auch entschieden, dass ein Grundlagenbescheid ungeachtet des eröffneten Konkursverfahrens unmittelbar gegenüber dem Konkursverwalter zu erlassen ist, wenn eine angemeldete Steuerforderung im Prüfungstermin bestritten wird. Unter solchen Umständen des Bestreitens der angemeldeten Forderung gilt Gleiches, wenn ein Grundlagenbescheid bereits vor Konkurseröffnung ergangen ist und wenn der Konkursverwalter bei gegebener Verfahrenslage das analog § 240 ZPO unterbrochene Einspruchsverfahren wiederaufnimmt und fortführt (vgl. § 140 KO).

So verhält es sich --bezogen auf das Gesamtvollstreckungsverfahren-- im Streitfall: Als dieses Verfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet wurde, waren die geänderten Steuerbescheide (Körperschaftsteuerbescheid 1994 und Bescheid über die Feststellung des vEK zum 31. Dezember 1994) vom 26. März 1997 noch nicht bestandskräftig. Der Lauf der Einspruchsfristen (§ 355 der Abgabenordnung --AO 1977--) wurde deshalb analog § 240 ZPO unterbrochen (vgl. § 1 Abs. 3 GesO). Die Klägerin als Gesamtvollstreckungsverwalterin hat jedoch der vom FA nach § 5 Satz 2 Nr. 3 GesO angemeldeten Körperschaftsteuerforderung widersprochen (vgl. § 11 Abs. 2 GesO) und --nach Aufnahme des Verfahrens durch das FA-- am 10. Dezember 1997 (fristgerecht) Einspruch gegen den erwähnten Körperschaftsteuerbescheid eingelegt. Folglich konnte ihr gegenüber eine Einspruchsentscheidung ergehen (vgl. Neumann in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 251 AO Rz. 68 ff.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 5. Aufl., S. 261 f.). Nachdem die Klägerin im Laufe des Einspruchsverfahrens einen berichtigten Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1994 vorgelegt hatte, durfte das FA gleichermaßen ihrem Einspruchsbegehren teilweise entsprechen und den geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom 3. August 2000 erlassen. Es durfte damit aber zugleich --anstelle des Erlasses eines Feststellungsbescheides gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977-- auch den Bescheid vom 26. März 1997 über die Feststellung des vEK zum 31. Dezember 1994 ändern.

Zwar ist dieser Bescheid --anders als der Körperschaftsteuerbescheid-- von der Klägerin nicht mittels Einspruchs angefochten worden. Zum einen hat die Klägerin aber die Körperschaftsteuerforderung bestritten und dadurch die Rechtsfolge des § 240 ZPO insoweit suspendiert. Zum anderen konnte die Körperschaftsteuer nicht auf der Grundlage des (bisherigen) vEK-Bescheides vom 26. März 1997 zugunsten der GmbH geändert werden, weil es sich nicht nur bei diesem Bescheid um einen Grundlagenbescheid zu dem Körperschaftsteuerbescheid handelt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 3 KStG 1991), sondern weil auch Letzterer infolge der in ihm enthaltenen Feststellungen zu dem vEK-Bescheid im Verhältnis des Grundlagen- und des Folgebescheides steht (vgl. § 47 Abs. 2 Nr. 1 KStG 1991). Die --zulässige-- Änderung des Körperschaftsteuerbescheides erforderte deswegen ihrerseits die Änderung des vEK-Bescheides, welche wiederum wechselseitig die geänderte Festsetzung der Körperschaftsteuer beeinflusste. Die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der GmbH und der dadurch ausgelöste verfahrensrechtliche Stillstand nach § 240 ZPO ändern daran in jenem Verfahrensstadium nichts.

Ende der Entscheidung

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