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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: I R 73/01
Rechtsgebiete: GewStG 1984, KStG 1984


Vorschriften:

GewStG 1984 § 2 Abs. 2 Satz 2
GewStG 1984 § 9 Nr. 2a
KStG 1984 § 14 Nr. 1
KStG 1984 § 14 Nr. 2

Entscheidung wurde am 12.09.2002 korrigiert: unter II. 2. a muß es statt Gewinn abgeführt und nicht ausgeschüttet richtig Gewinn ausgeschüttet und nicht abgeführt heißen
Teilwertabschreibungen aufgrund von Gewinnausschüttungen mindern dann den Gewerbeertrag des Organkreises, wenn es sich bei den ausgeschütteten Gewinnen um solche aus vororganschaftlicher Zeit handelt (Abgrenzung vom Senatsurteil vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768).
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, erwarb am 20./24. August 1987 sämtliche Anteile an zwei anderen GmbH und begründete mit diesen zum 1. Januar 1988 eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft. Am 22. März 1988 beschlossen die Gesellschafter die Ausschüttung von insgesamt 19 208 216 DM aus den vororganschaftlichen Erträgen der beiden Organgesellschaften. Wegen dieser Ausschüttungen nahm die Klägerin auf die Beteiligungen Teilwertabschreibungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 30 089 851,35 DM vor und kürzte um diesen Betrag ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1984).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem --unter Hinweis auf Abschn. 42 Abs. 1 Satz 7 und 11 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1984/1990 und das Senatsurteil vom 2. Februar 1994 I R 10/93 (BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768)-- nicht.

Die Klage gegen die hiernach für die Streitjahre 1988 bis 1990 ergangenen Festsetzungen der Gewerbsteuer-Messbeträge blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1616 abgedruckt.

Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, die angefochtenen Bescheide zu ändern und den einheitlichen Gewerbsteuer-Messbetrag für 1988 auf 35 194 DM; für 1989 auf 6 666 DM und für 1990 auf 10 642 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu anderweitigen Steuerfestsetzungen.

1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1984 gelten Kapitalgesellschaften, die derart in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert sind, dass die Voraussetzungen des § 14 Nrn. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1984) erfüllt sind, als Betriebsstätten des anderen Unternehmens (sog. gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Trotz dieser Fiktion bilden die eingegliederten Kapitalgesellschaften (die Organgesellschaften) und das andere Unternehmen (der Organträger) kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie; siehe zur insoweit ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- Urteile vom 17. Februar 1972 IV R 17/68, BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582; vom 6. November 1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73; vom 23. Januar 1992 XI R 47/89, BFHE 167, 158, BStBl II 1992, 630; in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; vom 25. Oktober 1995 I R 76/93, BFH/NV 1996, 504; vom 18. September 1996 I R 44/95, BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181; vom 22. April 1998 I R 109/97, BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748). Die Organschaft führt jedoch dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (s. Senatsurteil vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, 160, BStBl II 1990, 916, 918). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe --das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaft(en)-- allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.

Um den für die Festsetzung des Steuermessbetrages nach dem Gewerbeertrag maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaft(en) zusammenzurechnen und die Summe um die sich aufgrund der Zusammenrechnung etwa ergebenden steuerlichen Doppelbelastungen oder ungerechtfertigten steuerlichen Entlastungen zu korrigieren. Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt, sind die Korrekturen entweder bereits bei den selbständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder nachfolgend durch Hinzurechnungen zu bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen. Rechtsgrundlage der Korrekturen ist § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1984 (siehe BFH-Urteile in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73, m.w.N.; BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181; BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748; vom 28. Oktober 1999 I R 111/97, BFH/NV 2000, 896, und I R 79/98, BFH/NV 2000, 745).

2.a) Auf die vorgenannte Weise hat der erkennende Senat auch Gewinnminderungen infolge gewinnabführungsbedingter Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen an Organgesellschaften bei der Ermittlung des Gewerbeertrages des Organkreises durch entsprechende Hinzurechnungen korrigiert (neutralisiert). Wie er in seinem Urteil in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768, entschieden hat, mindern Teilwertabschreibungen aufgrund einer Gewinnabführung den Gewerbeertrag des Organkreises nicht. Zugleich wurde in dem Urteil zum Ausdruck gebracht, dass bei Teilwertabschreibungen, denen (auch) eine körperschaftsteuerliche Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag und damit eine Gewinnausschüttung zugrunde liegt, nicht anders zu verfahren sei als bei einer Teilwertabschreibung aufgrund einer nur gewerbesteuerlichen Organschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag, bei der der Gewinn ausgeschüttet und nicht abgeführt wird. Daran ist nach wie vor festzuhalten (vgl. zuletzt die bestätigenden Senatsurteile in BFH/NV 2000, 896 und in BFH/NV 2000, 745).

b) Die Vorinstanz ist diesen Rechtsprechungsgrundsätzen gefolgt und hat sie auch für den Streitfall angewendet, obwohl es sich bei den von den nunmehrigen Organgesellschaften ausgeschütteten Gewinnen, die bei der Klägerin zu den Teilwertabschreibungen geführt haben, um solche aus vororganschaftlicher Zeit gehandelt hat. Dem ist nicht beizupflichten. Anders als organschaftliche Gewinne bleiben derartige vororganschaftliche Gewinne nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1984, sondern gemäß § 9 Nr. 2 a GewStG 1984 außer Ansatz. Grund hierfür ist der Umstand, dass diese Gewinne noch von den Organgesellschaften versteuert worden sind und eine Doppelerfassung sonach nicht droht (vgl. ähnlich BFH-Urteil in BFHE 167, 158, BStBl II 1992, 630, 632, dort auch im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit vororganschaftlicher Verluste). Zugleich wirken sich Teilwertabschreibungen, die bei der Obergesellschaft in Einklang mit den ertragsteuerrechtlichen Vorschriften (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) infolge der Gewinnausschüttungen erforderlich wurden, mindernd auf deren Gewerbeertrag aus. Dass die Obergesellschaft zwischenzeitlich Organträgerin geworden ist, ändert daran nichts. Durch die Hinzurechnung der Abschreibungsbeträge im Organkreis soll zwar die Erfolgsneutralität sowohl der Gewinnabführungen als auch der Gewinnausschüttungen sichergestellt werden. Im Hinblick auf vororganschaftliche Gewinne besteht hierfür jedoch keine Veranlassung. Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit vielmehr in nichts von derjenigen bei anderen Schachtelbeteiligungen (vgl. insoweit zur Abgrenzung auch Senatsurteil in BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748). Folglich kann eine Doppelbegünstigung, die sich bei der Obergesellschaft einerseits durch die Gewährung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs in § 9 Nr. 2 a GewStG 1984 und andererseits durch die Teilwertabschreibung ergibt, nicht über § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1984 ausgeschlossen werden. In Betracht käme allenfalls eine Hinzurechnung des Abschreibungsbetrages gemäß § 8 Nr. 10 GewStG 1984 i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 (StRefG 1990) vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224), der jedoch erst für Gewinnminderungen anwendbar ist, die auf Gewinnausschüttungen nach dem 23. Juni 1988 zurückzuführen sind (§ 36 Abs. 4 GewStG 1984 i.d.F. des StRefG 1990). Im Streitfall wurde die Ausschüttung der in Rede stehenden Gewinne der Beteiligungsgesellschaften bereits am 22. März 1988 beschlossen. Eine vorgreifliche Anwendung von § 8 Nr. 10 GewStG 1984 scheidet indes aus (Senatsurteil in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768).

Die Rechtsauffassung des Senats wird im Schrifttum weitgehend geteilt (vgl. Güroff in Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., § 8 Nr. 10 Rz. 7, § 9 Nr. 2 a Rz. 2; Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 8 GewStG Rz. 226; Pauka, Der Betrieb 1988, 2224, 2227; Schnädter, Finanz-Rundschau 1989, 576, 578; anders Herlinghaus, EFG 2001, 1617). Auch die Finanzverwaltung hat sich ihr im Grundsatz angeschlossen, indem sie die Rechtsgrundlage für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen im Organkreis bei Ausschüttung von Gewinnen aus der Zeit vor Begründung der Organschaft in § 8 Nr. 10, nicht aber in § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1984 erkennt (vgl. koordinierter Ländererlass, z.B. Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 14. März 1989, Deutsches Steuerrecht 1989, 293).

3. Da die Vorinstanz eine abweichende Ansicht vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die angefochtenen Steuerbescheide sind antragsgemäß zu ändern. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Ende der Entscheidung

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