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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: I R 9/04
Rechtsgebiete: KStG, EStG, HGB


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2
HGB § 250 Abs. 2
Die Aufhebung eines für eine bestimmte Laufzeit begründeten Schuldverhältnisses gegen Entschädigung führt nicht zur Bildung eines passiven RAP.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt als GmbH eine Hausverwaltung. In den Streitjahren schloss sie zwei Vereinbarungen über die jeweils vorzeitige Beendigung bestehender Hausverwaltungsverträge gegen Entschädigung.

In der ersten Vereinbarung vom 10. Juli 1997 verzichtete die Klägerin auf Ansprüche aus einem bis zum 31. Dezember 2010 laufenden Hausverwaltungsvertrag; dabei lautete die Klausel über die Entschädigung: "Als Abfindung für die verkürzte Laufzeit des Vertrages ...und für die Mühe und Arbeit bei der Übergabe des Objektes zahlt ...(der Vertragspartner)...einen Betrag von 380 TDM." In der zweiten Vereinbarung vom 23. März 1998 lautete die Klausel: "Zum Ausgleich für die verkürzte Laufzeit der Verträge ...entrichtet...(der Vertragspartner) ...eine einmalige Abfindungsleistung von 25 TDM." Damit sollte die "Nichtausübung der Rechte aus dem Verwaltungsvertrag" in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. Dezember 2000 abgegolten sein.

Die Klägerin passivierte in ihren Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 1997 und 31. Dezember 1998 in Höhe der erhaltenen Abfindungszahlungen jeweils Rechnungsabgrenzungsposten (RAP), die sie über die ursprünglich vorgesehene Restlaufzeit der Hausverwaltungsverträge auflöste. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) löste die RAP im Jahre ihrer Bildung erfolgswirksam auf und erließ entsprechende Bescheide.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 999 veröffentlichten Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Bescheide (wie von ihr beziffert) zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) im Streitfall die Bildung eines passiven RAP verneint.

1. Gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich insbesondere aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).

2. Gemäß § 250 Abs. 2 HGB sind als RAP auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellen; dem entspricht wörtlich § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz, Nr. 5 HGB) erst dann --durch Auflösung des RAP-- erfolgswirksam wird, wenn der Kaufmann seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Mai 1983 VIII R 100/81, BFHE 138, 443, BStBl II 1983, 572; vom 9. Dezember 1993 IV R 130/91, BFHE 173, 393, BStBl II 1995, 202). Gewinne dürfen erst berücksichtigt werden, wenn sie am Abschlussstichtag durch Umsatzakte realisiert sind (BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 94/95, BFHE 181, 64, BStBl II 1997, 122). Insoweit ist die Zielrichtung der passiven Rechnungsabgrenzung mit der der Passivierung von Anzahlungen (§ 266 Abs. 3 C Nr. 3 HGB) vergleichbar.

Mit der bezeichneten Zielrichtung betreffen Rechnungsabgrenzungen typischerweise Vorleistungen eines Vertragspartners im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages i.S. der §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wenn sie auch nicht auf synallagmatisch schuldrechtliche Leistungen beschränkt sind (BFH-Urteil in BFHE 181, 64, BStBl II 1997, 122; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 5 Rn. 246; Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 5 EStG Rn. 1937). Dabei kann die zu berücksichtigende Gegenleistung auch in einem Dulden oder Unterlassen bestehen (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 250 HGB Rn. 114).

3. Im Hinblick auf die für eine Rechnungsabgrenzung erforderliche zeitliche Zuordenbarkeit des Entgelts ("bestimmte Zeit") muss die noch ausstehende Gegenleistung des Kaufmanns aber zeitbezogen oder periodisch aufteilbar sein (vgl. Bauer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 2004, § 5 Rdnr. F 97). Dies setzt eine zumindest qualitativ gleich bleibende Dauerverpflichtung voraus (BFH-Urteile vom 20. Mai 1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904; vom 10. September 1998 IV R 80/96, BFHE 186, 429, BStBl II 1999, 21), die einem "Wertverzehr" unterliegt (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, m.w.N.).

Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit "nach diesem Zeitpunkt" darstellt, muss darüber hinaus seitens des Kaufmanns eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen (vgl. Berger/Bartels-Hetzler in Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl., § 250 HGB Rn. 20). Im Hinblick auf eine bereits vollzogene Leistung kann eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen (BFH-Urteile in BFHE 173, 393, BStBl II 1995, 202; in BFHE 138, 443, BStBl II 1983, 572).

4. Nach diesen Grundsätzen berechtigt die vor dem Bilanzstichtag erfolgte vertragliche Aufhebung eines für eine bestimmte Laufzeit begründeten Schuldverhältnisses gegen Entschädigung --wie im Streitfall-- nicht zur Bildung eines passiven RAP. Derartige Entschädigungen bedeuten kein Entgelt für eine vom Empfänger noch zu erbringende Gegenleistung, sondern für eine einmalige vor dem jeweiligen Stichtag durch Aufhebungsvertrag (Verzicht) bereits vollzogene Leistung (Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O.; vgl. auch Bauer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 5 Rdnr. F 99; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 5 EStG Anm. 2000 "Abstandszahlungen", "Entschädigungen"). Der "wirtschaftliche Grund" für diese Einnahmeerzielung liegt somit vor dem Bilanzstichtag (Berger/Bartels-Hetzler in Beck'scher Bilanzkommentar, a.a.O.; Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 2004, § 5 EStG Rn. 904).

Dementsprechend hat der BFH mit Urteil vom 11. Juli 1973 I R 140/71 (BFHE 110, 248, BStBl II 1973, 840) entschieden, dass eine Ertragswertentschädigung für die einvernehmliche Einschränkung eines Betriebs nicht passiv abzugrenzen ist. Gleichermaßen wurde entschieden, dass eine Entschädigungszahlung für den vertraglichen Verzicht auf einen von einer Gemeinde zuvor zugesagten Gleisanschluss nicht abzugrenzen ist, da die Leistung in Form dieses Verzichts "gleichzeitig und im gleichen Jahr" erbracht worden und keine Verpflichtung übernommen worden sei, in den Folgejahren noch etwas an die Gemeinde zu leisten (BFH-Urteil vom 13. Juni 1986 III R 178/82, BFHE 147, 241, BStBl II 1986, 841).

5. Im Streitfall bestanden nach Aufhebung der Verwalterverträge auch keine besonderen Duldungspflichten der Klägerin fort, deren Erfüllung nach dem Bilanzstichtag noch hätte ausstehen können. Derartige mit Entschädigungszahlungen verbundene Duldungspflichten hat die Rechtsprechung zwar verschiedentlich angenommen, so in den Fällen eines Wettbewerbsverzichts, in dem die Leistung als solche gewertet wurde, die laufend während der Geltung der Wettbewerbsabrede zu bewirken war (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1969 IV 175/65, BFHE 98, 25, BStBl II 1970, 315), gleichermaßen bei Abfindungen, die der Inhaber eines Mühlenbetriebs aufgrund des Gesetzes über abschließende Maßnahmen zur Schaffung einer leistungsfähigen Struktur des Mühlengewerbes (MühlStruG) vom 22. Dezember 1971 (BGBl II 1971, 2098) für die freiwillige Stilllegung mit dem Ziel des Abbaus vorhandener Überkapazitäten in der Mühlenwirtschaft erhalten hat (BFH-Urteil vom 22. Juli 1982 IV R 111/79, BFHE 136, 266, BStBl II 1982, 655), weiter bei Nichtvermarktungsprämien aufgrund des Verzichts auf die Vermarktung von Milch und Milcherzeugnissen gemäß Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 (BFH-Urteil vom 16. Februar 1989 IV R 64/87, BFHE 157, 44, BStBl II 1989, 708). In diesem Sinne wurde auch ein Verzicht auf die Möglichkeit der Energiegewinnung aus Wasserkraft als Verpflichtung zu einer zukünftigen Leistung (Übernahme einer dauernden "Unterlassungslast") gewertet (BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 IV R 10/76, BFHE 133, 363, BStBl II 1981, 669) und die Einräumung von Grunddienstbarkeiten (BFH-Urteil vom 22. Januar 1970 IV 85/65, BFHE 98, 401, BStBl II 1970, 413) und beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten (BFH-Urteil in BFHE 173, 393, BStBl II 1995, 202) beurteilt. Auf der Annahme einer entsprechenden Duldungsverpflichtung beruht auch die im --von der Klägerin herangezogenen-- Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. April 1991 IV B 2 -S 2132- 10/91 (dort Nr. 1 a aa) vorgesehene passive Abgrenzung einer Milchaufgabevergütung nach dem Dritten Gesetz zur Änderung des Milchaufgabevergütungsgesetzes vom 24. Juli 1990 (BGBl I 1990, 1470).

Diese Fälle unterscheiden sich vom Streitfall indessen dadurch, dass dort im Rahmen eines neuerlich begründeten schuldrechtlichen, dinglichen oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Verpflichtungen zu bestimmten Leistungen in Form von Duldungen oder Unterlassungen begründet wurden, denen jeweils ein durchsetzbarer korrespondierender Anspruch eines Gläubigers i.S. von § 194 BGB gegenüberstand. Derart gestaltete Duldungs- oder Unterlassungpflichten wurden im Streitfall durch die Aufhebungsverträge nicht begründet. Vielmehr hat die Klägerin ihrerseits auf eigene Ansprüche aus den bestehenden Hausverwalterverträgen und damit auf Geschäftschancen in Form zu erwartender Einnahmen und Erträge verzichtet. Für ihre "Entlassung" aus den Verträgen wurden andererseits von den ehemaligen Vertragspartnern die Entschädigungen auf der Grundlage der der Klägerin jeweils entgangenen Rendite geleistet. Nicht hingegen wurden durch die Aufhebungsverträge weiter gehende Ansprüche der ehemaligen Vertragspartner gegen die Klägerin auf Unterlassen bestimmter Tätigkeiten als Gegenstand eines neuerlichen Schuldverhältnisses begründet.

6. Die vom FG angesprochene Frage der Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 und 2 EStG als Tarifvorschrift des Einkommensteuerrechts (i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG) stellt sich im Streitfall, in dem die Festsetzung von Körperschaftsteuer streitig ist, nicht.

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