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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.09.2003
Aktenzeichen: II B 175/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), durch Bescheid vom 27. Dezember 1996 Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein. Der damalige alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin erklärte mit Schreiben vom 16. Oktober 1998 gegenüber dem FA, er nehme den Einspruch gegen den Bescheid vom 27. Dezember 1996 zurück.

Mit Schreiben vom 12. November 1998 machte die Klägerin geltend, dass der Einspruch irrtümlich zurückgenommen worden sei. Die Rücknahme beruhe auf einem Missverständnis zwischen dem Geschäftsführer und einer Mitarbeiterin, die den Auftrag gehabt habe, die Einspruchsrücknahme in einer anderen Steuerangelegenheit vorzubereiten. Die Verwechselung sei dem Geschäftsführer bei der Unterzeichnung des Schreibens nicht aufgefallen, weil er wegen eines starken Migräneanfalls nicht mehr in der Lage gewesen sei, "einwandfrei seinen Dienst zu versehen". Die Klägerin erklärte die Anfechtung der Rücknahmeerklärung wegen Irrtums.

Das FA teilte daraufhin der Klägerin mit, eine Anfechtung der Rücknahmeerklärung sei nicht möglich und das Einspruchsverfahren sei deshalb beendet. Gegen diese Mitteilung legte die Klägerin Einspruch ein, den das FA durch Bescheid vom 18. Februar 1999 als unzulässig verwarf.

Durch weitere Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1999 verwarf das FA auch den Einspruch der Klägerin gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Dezember 1996 als unzulässig, weil der Einspruch wirksam zurückgenommen worden sei.

Die Klägerin hat sowohl gegen die Mitteilung des FA, das Einspruchsverfahren sei beendet, als auch gegen die Zurückweisung des Einspruchs gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Dezember 1996 Klage erhoben und geltend gemacht, die Einspruchsrücknahme sei nichtig, weil sie vom Geschäftsführer im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben worden sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, es könne zur Überzeugung des Gerichts nicht festgestellt werden, dass sich der Geschäftsführer der Klägerin im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Rücknahmeerklärung in einem die freie Willensbetätigung ausschließenden Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Der --vom FG als wahr unterstellte-- Vortrag der Klägerin, der Geschäftsführer habe an dem betreffenden Tag an Migräne mit Sehstörungen und Übelkeit gelitten, sei zu unsubstantiiert und lasse nicht erkennen, dass der Geschäftsführer nicht in Besitz der erforderlichen Steuerungsfähigkeit gewesen sei.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Klägerin, die grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensmängel geltend macht.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungsanforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Soweit die Klägerin geltend macht, die Frage, ob und wann über eine Einspruchsentscheidung isoliert entschieden werden könne, sei von grundsätzlicher Bedeutung, reicht dies zur Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 FGO nicht aus. Erforderlich ist vielmehr bei beiden Zulassungsgründen ein konkretes Eingehen auf die Rechtsfragen und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit. Es muss dargelegt werden, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist.

2. Die Rüge, der Vorsitzende habe seine Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO verletzt, ist nicht schlüssig vorgebracht. Die Klägerin hätte zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Verfahrensfehlers nicht nur angeben müssen, worauf das FG hätte hinweisen müssen oder welche Fragen es hätte stellen müssen, sondern auch, was darauf geantwortet worden wäre und inwiefern dieser Verfahrensfehler auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG entscheidungserheblich war (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 1996 V B 30/96, BFH/NV 1997, 162; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Anm. 71). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Allein aus der Behauptung der Klägerin, das FG sei fehlerhaft von der isolierten Anfechtung der Einspruchsentscheidung ausgegangen, ergibt sich noch kein Verfahrensmangel. Vielmehr hätte die Klägerin ausführen müssen, aus welchen Gründen für das FG ein Anlass dafür bestanden habe, diese Frage mit der --im Übrigen anwaltlich vertretenen-- Klägerin zu erörtern, zumal das FG in dem vorangegangenen Gerichtsbescheid bereits ausgeführt hatte, die Klägerin beantrage "sinngemäß", die Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1999 aufzuheben.

Schließlich fehlen auch Ausführungen dazu, inwiefern der von der Klägerin behauptete Verfahrensfehler auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG entscheidungserheblich war. Das FG hat die Klage, mit der ausweislich des Tatbestandes des finanzgerichtlichen Urteils "die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme geltend" gemacht wurde, abgewiesen, weil nach Auffassung des FG der Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Dezember 1996 infolge der Rücknahme des Einspruchs bestandskräftig geworden war. Das FG hat damit --entgegen der Auffassung der Klägerin-- alle Fragen beantwortet, die sich hinsichtlich des weiteren Schicksals des Einspruchsverfahrens stellten. Eine weitere materiell-rechtliche Überprüfung dieses Bescheides scheidet damit aus, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren auch eine solche Überprüfung beantragt hätte.

3. Auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung wurde nicht schlüssig dargelegt. Denn es fehlen u.a. Ausführungen dazu, inwiefern das Urteil des FG --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann und was das voraussichtliche (insofern entscheidungserhebliche) Ergebnis der als unterlassen gerügten Beweisaufnahme gewesen wäre.

In ihrer Beschwerdebegründung hat die Klägerin an keiner Stelle dargelegt, dass auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich war. Es fehlen Ausführungen dazu, inwiefern die als unterlassen gerügte Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens angesichts der vom FG vertretenen Rechtsauffassung notwendig war, dass nur eine die freie Willensbestimmung ausschließende Störung der Geistestätigkeit beim Geschäftsführer die Annahme der Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung rechtfertige. Kommt es nach Auffassung des FG aber auf den konkreten Geisteszustand des Geschäftsführers bei Abgabe der Rücknahmeerklärung an, brauchte nicht aufgeklärt zu werden, "ob Störungen der Geistestätigkeit allgemein eine nicht seltene Folge von Migräne sind" oder "ob sich Störungen in den von der Klägerin beschriebenen Symptomen äußern können".

4. Die übrigen materiell-rechtlichen Ausführungen der Klägerin ergeben unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Grund zur Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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