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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.08.2006
Aktenzeichen: II B 186/05
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 102 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
FGO § 74
AO 1977 § 218 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Im Klageverfahren ging es um die Frage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die nach seiner Ansicht von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GbR, verwirkten Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer nicht nur, wie bereits geschehen, zur Hälfte, sondern in vollem Umfang erlassen muss. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, dem FA seien bei seiner Ermessensentscheidung über die Ablehnung eines weiteren Erlasses keine Rechtsfehler i.S. des § 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unterlaufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Säumniszuschläge regelmäßig nur zur Hälfte zu erlassen, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nicht möglich sei. Ein weiter gehender Erlass sei dann gerechtfertigt, wenn zusätzliche besondere Gründe persönlicher oder sachlicher Unbilligkeit hinzuträten, so wenn die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Festsetzung von Stundungszinsen gegeben gewesen wären. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall indes nicht erfüllt. Die vom FA im Hinblick auf einen der Klägerin gegen ein anderes FA zustehenden Anspruch auf Vorsteuererstattung gewährte zinslose Stundung eines Teils der Grunderwerbsteuer habe nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Steuer zurückbezogen werden müssen, sondern habe auf die Zeit nach Fälligkeit des Erstattungsanspruchs beschränkt werden dürfen. Die Aufrechnung setze einen fälligen Anspruch des Aufrechnenden voraus. Die spätere Aufhebung des grunderwerbsteuerpflichtigen Kaufvertrags habe nur zu einem Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung, nicht aber zu einem rückwirkenden Erlöschen der entstandenen Steuer geführt.

Die Klägerin habe keine in ihrer Person liegenden Gründe vorgetragen, die die Einziehung unbillig erscheinen ließen. Sie sei nicht erlassbedürftig; denn der begehrte Erlass käme mangels Aktivvermögens nicht ihr selbst zugute. Zutreffend habe das FA bei seiner Entscheidung über den Erlassantrag nur auf die persönlichen Verhältnisse der Klägerin als Schuldnerin der Grunderwerbsteuer und der Säumniszuschläge, nicht aber auf diejenigen ihrer Gesellschafter abgestellt. Auf die persönlichen Verhältnisse potenzieller Haftungsschuldner komme es nur für die Frage an, ob die Haftungsschuld aus Billigkeitsgründen zu erlassen sei. Deshalb habe der Senat von der beantragten Beiziehung der Akten des für die Umsatzsteuer zuständigen FA abgesehen.

Soweit die Klägerin vortrage, die Verrechnung des Anspruchs auf Grunderwerbsteuererstattung mit den Säumniszuschlägen sei zu Unrecht erfolgt, sei die Klärung dieser Frage einem gesonderten Verfahren vorbehalten (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--).

Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 FGO. Nach der Rechtsprechung des BFH bedürfe der Erlass von Säumniszuschlägen über die erste Hälfte hinaus zusätzlicher besonderer Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit. Solche Gründe lägen im Streitfall vor. Das FG hätte auch die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter berücksichtigen und dazu die Akten des für die Umsatzsteuer zuständigen FA heranziehen müssen. Zudem hätte das FG beim FA nachfragen müssen, ob ein Abrechnungsbescheid zur Verrechnung des Anspruchs auf Erstattung der Grunderwerbsteuer mit den Säumniszuschlägen ergangen sei. Diese Nachfrage hätte ergeben, dass es sich so verhalte. Ihr Prozessbevollmächtigter habe den ergangenen Abrechnungsbescheid vergessen gehabt. Der Abrechnungsbescheid hätte das FG veranlassen müssen, das Verfahren auszusetzen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

1. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erfasst auch die Fälle der sog. Divergenzrevision im Sinne der dazu von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde --wie im Streitfall-- auf eine Abweichung der Vorentscheidung von Entscheidungen des BFH gestützt, erfordert die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendige Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen, dass abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet und gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschluss vom 4. April 2006 VII B 196/05, BFH/NV 2006, 1494, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach den von ihr angegebenen Urteilen des BFH der Erlass von Säumniszuschlägen über die Hälfte hinaus auch bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung möglich ist, es insofern aber zusätzlicher besonderer Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit bedarf (so zuletzt BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 2/04, BFH/NV 2006, 1381). Das FG ist aber ebenfalls von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen für einen weiter gehenden Erlass aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls verneint. Mit den Einwendungen gegen diese Einzelfallwürdigung macht die Klägerin keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Juli 2005 VIII B 294/04, BFH/NV 2006, 70, und in BFH/NV 2006, 1494).

2. Eine Rüge von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Vorinstanz genügt nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn die Tatsachen schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ein Verfahrensmangel ergibt, und ferner dargelegt wird, dass das angefochtene Urteil --ausgehend von der insoweit maßgebenden Rechtsauffassung des FG-- auf ihm beruhen kann (BFH-Beschluss vom 29. März 2006 I B 53/05, BFH/NV 2006, 1484).

Wird die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darauf gestützt, das FG habe seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, muss der Beschwerdeführer auch darlegen, dass er die seiner Ansicht nach unzulängliche Sachaufklärung vor dem FG gerügt habe oder aus welchen Gründen ihm eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1484, m.w.N.).

Daran fehlt es im Hinblick auf die Nichtbeiziehung der Akten des für die Umsatzsteuer zuständigen FA. Dass die Klägerin insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem FG eine Rüge erhoben habe, lässt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. November 2005 nicht entnehmen. Die Klägerin macht dazu auch keine näheren Angaben. Außerdem führt sie nicht aus, welche für die Entscheidung des FG nach dessen materiell-rechtlicher Ansicht entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus diesen Akten ergeben hätten.

Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, warum das FG Nachforschungen hinsichtlich des Vorliegens eines Abrechnungsbescheids hätte vornehmen sollen, obwohl sie selbst nach der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, es liege kein Abrechnungsbescheid über die Aufrechnung des Grunderwerbsteuerguthabens mit den Säumniszuschlägen vor. Die Klägerin hat ebenfalls nicht genügend begründet, inwiefern eine Kenntnis des FG von dem ergangenen Abrechnungsbescheid auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG, dass über die Rechtmäßigkeit der Verrechnung des Anspruchs auf Erstattung der Grunderwerbsteuer mit den Säumniszuschlägen in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden sei, im vorliegenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Aus dem Vorbringen der Klägerin wird nicht ausreichend deutlich, warum die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verrechnung für die Entscheidung im Erlassverfahren vorgreiflich sein und das dem FG für die Entscheidung über eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO eingeräumte Ermessen ausnahmsweise auf Null reduziert gewesen sein soll (vgl. BFH-Beschluss vom 23. März 2006 V B 55/05, BFH/NV 2006, 1483).



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