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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: II B 37/06
Rechtsgebiete: BGB, ErbStG


Vorschriften:

BGB § 2136
ErbStG § 6
ErbStG § 6 Abs. 2
ErbStG § 6 Abs. 3
ErbStG § 20 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist befreite Vorerbin des im Jahr 2000 verstorbenen Erblassers. Nacherbin ist eine Stiftung.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Verfassungswidrigkeit der unterschiedslosen Besteuerung von Vorerben und Vollerben rügte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, ein Vorerbe, der wie die Klägerin nach § 2136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in weitestmöglichem Umfang von den für Vorerben geltenden gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit sei, stehe wirtschaftlich einem "Vollerben" fast gleich und könne daher auch wie ein solcher besteuert werden.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Frage, ob die in § 6 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) vorgesehene Besteuerung der Vorerben mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar sei, bedürfe der Prüfung und Entscheidung in einem Revisionsverfahren. Die Verfassungsmäßigkeit sei zu verneinen. Ein Vorerbe dürfe bei der Besteuerung einem Vollerben unabhängig von einer etwaigen Befreiung von den für Vorerben vorgesehenen Beschränkungen und Verpflichtungen nicht gleichgestellt werden. Die Revision sei daher wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Die Frage, ob die gesetzlich vorgesehene Besteuerung der Vorerben verfassungsgemäß ist, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist zu bejahen.

1. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits mit Urteil vom 23. August 1995 II R 88/92 (BFHE 179, 145, BStBl II 1996, 137) ausgeführt, dass der Erwerb des Vorerben in vollem Umfang, ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht, der Erbschaftsteuer unterliege, und dabei ebenso wie im Urteil vom 17. September 1997 II R 8/96 (BFH/NV 1998, 587) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung inzident bejaht.

2. Der Besteuerung der Vorerben liegen folgende, auch verfassungsrechtlich tragende Erwägungen zugrunde:

a) Der Vorerbe ist zivilrechtlich Erbe (§ 2100 BGB) und somit Eigentümer und Inhaber der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und Rechte (BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 II B 13/05, BFH/NV 2006, 1299). Dass das Erbschaftsteuerrecht an diese zivilrechtliche Rechtsstellung des Vorerben als Erben anknüpft, entspricht der bürgerlich-rechtlichen Prägung dieses Rechtsgebiets (vgl. zu dieser Prägung BFH-Urteil vom 26. November 1986 II R 190/81, BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175; BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 2000 II B 18/00, BFH/NV 2001, 798; vom 6. Mai 2003 II B 73/02, BFH/NV 2003, 1185, und in BFH/NV 2006, 1299).

b) Die Beschränkungen und Verpflichtungen, denen der Vorerbe unterliegt (§§ 2112 ff. BGB), sind auch dann, wenn ihn der Erblasser davon nicht nach Maßgabe des § 2136 BGB befreit hat, nicht von solchem Gewicht, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen über die bereits getroffenen Sonderregelungen des § 6 Abs. 2 und 3 ErbStG hinaus zu einer unterschiedlichen Besteuerung von Vorerben einerseits und Vollerben andererseits verpflichtet wäre. Die gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen des Vorerben beeinträchtigen dessen durch seine Erbenstellung begründete, die Steuerzahlung ermöglichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht. Unabhängig von den zivilrechtlichen Regelungen ist der Vorerbe nach § 20 Abs. 4 ErbStG berechtigt, die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten. Entgegen der Ansicht der Klägerin führen die durch die Anordnung der Nacherbschaft begründeten Beschränkungen und Verpflichtungen demgemäß hinsichtlich der Erbschaftsteuer nicht zum Bestehen einer in besonderer Weise gegebenen, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vorerben einschränkenden Gemeinwohlbindung und Gemeinwohlverpflichtung, wie sie Betriebe aufweisen, die durch ihre Widmung für einen konkreten Zweck verselbständigt und als wirtschaftlich zusammengehörige Funktionseinheit organisiert sind (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C. I. 2. b bb).

c) Dass die Besteuerung der Vor- und Nacherben zu Gestaltungsüberlegungen führen kann, stellt keine Besonderheit dieses Regelungsbereichs dar und bleibt ohne Einfluss auf die verfassungsrechtliche Beurteilung. Die steuerliche Belastung des Nacherben spielt bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung des Vorerben keine Rolle.

d) Die Vorschriften über die Besteuerung des Vorerben überschreiten danach nicht die maßgebenden verfassungsrechtlichen Grenzen. Die dem Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG übertragene Bestimmung von Inhalt und Schranken des Erbrechts eröffnet ihm auch hinsichtlich der Erbschaftsteuer im Rahmen der Garantie des Privaterbrechts eine weitreichende Gestaltungsbefugnis. Die Erbrechtsgarantie gewährleistet nicht das (unbedingte) Recht, den gegebenen Eigentumsbestand von Todes wegen ungemindert auf Dritte zu übertragen; die Möglichkeiten des Gesetzgebers zur Einschränkung des Erbrechts sind --weil sie an einen Vermögensübergang anknüpfen-- weitergehend als die zur Einschränkung des Eigentums (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C. I. 2. a cc).

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