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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.03.2005
Aktenzeichen: II B 49/04
Rechtsgebiete: VStG, FGO, BewG, AO 1977


Vorschriften:

VStG § 16
VStG § 16 Abs. 1
FGO § 68 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
BewG § 22
AO 1977 § 171 Abs. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit Bescheid vom 8. September 1997 auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Vermögensteuer für 1995 und 1996 fest. Nachdem der Kläger auf Aufforderung des FA im November 1997 eine Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1996 eingereicht hatte, änderte das FA diesen Vermögensteuer-bescheid mit Bescheid vom 4. Oktober 1999 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Mit Bescheid vom 12. März 2001 änderte das FA den Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1995 aufgrund geänderter Einheitswertbescheide erneut und setzte die Vermögensteuer für 1995 und 1996 fest.

Mit Neuveranlagungsbescheid vom 28. März 2001 auf den 1. Januar 1996 setzte das FA gegen den Kläger Vermögensteuer für 1996 fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, Rechtsgrundlage für die Neuveranlagung sei § 16 Abs. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG). Die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift nach der Abgabenordnung (AO 1977) müssten nicht vorliegen, da es um den erstmaligen Erlass und nicht um die Änderung eines Neuveranlagungsbescheids gehe. Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Bescheid vom 4. Oktober 1999 stehe dem Erlass des Neuveranlagungsbescheids nicht entgegen, da sie sich nur auf die Hauptveranlagung und somit auf die Besteuerungsgrundlagen nach den zu Beginn des Hauptveranlagungszeitraums vorliegenden Verhältnissen bezogen habe. Das FA habe den Steueranspruch nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die Neuveranlagung dadurch verwirkt, dass es die vom Kläger auf den 1. Januar 1996 abgegebene Vermögensteuererklärung mehrere Jahre lang nicht ausgewertet habe. Der Kläger habe aufgrund des Verhaltens des FA nicht darauf vertrauen dürfen, dass eine Neuveranlagung nicht mehr durchgeführt werden würde. Die Änderungsbescheide auf den Hauptveranlagungszeitpunkt hätten diesen Schluss nicht zugelassen. Dem FA sei es nach seinen Angaben auch aus arbeitsökonomischen Gründen wegen der Vielzahl der zu erwartenden Grundlagenbescheide als sinnvoll erschienen, eine Neuveranlagung auf den 1. Januar 1996 nicht sogleich durchzuführen. Aufgrund der Anforderung der Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1996 habe der Kläger erkennen können, dass insoweit eine differenzierte Behandlung der Besteuerungszeiträume erfolgen würde.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung, das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und einen Verfahrensmangel geltend.

Während des Beschwerdeverfahrens setzte das FA die Vermögensteuer herab. Der Änderungsbescheid wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 68 Rz. 25).

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO.

1. Grundsätzliche Bedeutung, Fortbildung des Rechts

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt nach Auffassung des Klägers zunächst der Frage zu, ob eine erstmalige Neuveranlagung allein auf § 16 VStG gestützt werden kann oder ob zusätzlich Änderungsvoraussetzungen nach der AO 1977 für den Vermögensteuerbescheid auf den vorangegangenen Hauptfeststellungszeitpunkt, bezogen auf das Jahr, für das die Neuveranlagung gelten soll, vorliegen müssen. Diese Frage sei von allgemeiner Bedeutung, obwohl die Vermögensteuer seit dem Veranlagungszeitraum 1997 nicht mehr erhoben werde. Sie stelle sich in vergleichbarer Weise auch für die Fortschreibungen nach § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) und müsse daher vom BFH auch zur Fortbildung des Rechts geklärt werden. Zum Verhältnis des § 16 VStG zu § 171 Abs. 10 AO 1977 gebe es widersprüchliche finanzgerichtliche Urteile (einerseits Urteil des FG München vom 1. Dezember 1994 10 K 3254/93, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 187, und andererseits Hessisches FG, Urteil vom 20. November 1997 3 K 2701/96, EFG 1998, 525).

Dieses Vorbringen genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO.

Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (BFH-Beschluss vom 1. September 2004 II B 156/03, BFH/NV 2005, 71). Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (BFH-Beschluss vom 26. August 2004 II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625, m.w.N.). Allein der Hinweis auf das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage genügt den Begründungsanforderungen nicht (BFH-Beschluss vom 26. Mai 2004 III B 89/03, BFH/NV 2004, 1221).

Derartige Darlegungen fehlen im Streitfall. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass die von ihm herausgestellte Frage in der Rechtsprechung oder in der Literatur umstritten sei. Die von ihm angeführten finanzgerichtlichen Urteile betreffen die Zulässigkeit einer Neuveranlagung nach Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist aufgrund eines erst später ergehenden Grundlagenbescheids und somit eine andere Problematik.

Ob die Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger bezeichneten Rechtsfrage auch deshalb entfällt, weil bereits seit 1997 keine Vermögensteuer mehr erhoben wird, oder ob dies wegen einer vergleichbaren Rechtslage bei Fortschreibungen nach § 22 BewG nicht der Fall ist, kann danach offen bleiben.

b) Der Kläger hält ferner die Frage für klärungsbedürftig, welches Verhalten der Finanzbehörde unter den Verhältnissen des vorliegenden Falles einen Vertrauenstatbestand schafft, der zur Verwirkung des Rechts auf eine Neuveranlagung führt.

Der Kläger macht auch insoweit nicht geltend, dass es zu dieser Frage einen Meinungsstreit in Rechtsprechung oder Literatur gebe. Er setzt sich ferner nicht --wie erforderlich (BFH-Beschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46)-- mit der aktuellen Rechtsprechung des BFH zur Verwirkung auseinander (dazu eingehend BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123) und legt nicht dar, warum insoweit weiterer Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren bestehen solle und es nicht nur um die Beurteilung des Einzelfalls gehe.

2. Verfahrensmangel

Der Kläger macht als Verfahrensmangel geltend, er habe in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausweislich der Sitzungsniederschrift dem Vortrag des FA widersprochen, die Neuveranlagung sei aus verwaltungsökonomischen Gründen erst später erfolgt. Hätte sich das FG damit auseinander gesetzt, hätte es hinsichtlich des Vertrauenstatbestandes möglicherweise anders entschieden.

Mit diesem Vorbringen legt der Kläger keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, auf dem die Vorentscheidung beruhen kann. Das FG hat seine Ansicht, das FA habe das Recht zur Neuveranlagung nicht verwirkt, nicht allein oder vorrangig auf die vom FA vorgebrachten verwaltungsökonomischen Gesichtspunkte gestützt, sondern dieses Argument nur als weiteren Grund für seine Auffassung herangezogen. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nach dem Sitzungsprotokoll das Vorliegen der vom FA angeführten Praktikablitätsgründe für die späte Neuveranlagung nicht in tatsächlicher Hinsicht bestritten, sondern lediglich die Rechtsansicht vertreten, die Neuveranlagung hätte trotzdem zeitnäher nach Eingang der Erklärung erfolgen müssen.

Ende der Entscheidung

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