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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.03.2001
Aktenzeichen: II B 91/00
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB, FGO


Vorschriften:

ErbStG § 5 Abs. 1
ErbStG § 15 Abs. 3
BGB § 1922 Abs. 1
BGB § 1378 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 a.F.
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Alleinerbin des am ... 1996 verstorbenen Erblassers und eine Nichte der ... 1995 vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers. Die Eheleute, deren Ehe kinderlos geblieben ist, hatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Sie hatten im April 1966 privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament errichtet, mit dem sie sich gegenseitig zum Alleinerben einsetzten. Weitere Bestimmungen enthielt das Testament nicht. Kurz vor seinem Tode, nämlich im Januar 1996, setzte der Erblasser die Klägerin durch ein weiteres Testament als seine "Universalerbin" ein. Im Dezember 1994 hatten die Eheleute der Klägerin mitgeteilt, sie hätten ein gemeinschaftliches Testament errichtet und die Klägerin als Schlusserbin eingesetzt.

Mit Bescheid vom 27. August 1997 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) bei einem steuerpflichtigen Erwerb von ... DM nach der Steuerklasse III eine Erbschaftsteuer von ... DM gegen die Klägerin fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) den Abzug einer fiktiven Zugewinnausgleichsforderung in Höhe von ... DM verlangt und gemäß § 15 Abs. 3 ErbStG die Anwendung der Steuerklasse II geltend gemacht hatte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, § 5 Abs. 1 ErbStG begünstige nur den überlebenden Ehegatten und begründe keinen irgendwie gearteten vererbbaren Anspruch. § 15 Abs. 3 ErbStG sei nicht einschlägig, weil die Klägerin nicht als Schlusserbin eingesetzt gewesen sei. Die Mitteilung der Eheleute vom Dezember 1994, sie hätten die Klägerin als Schlusserbin eingesetzt, stelle selbst keine --wenn auch formunwirksame-- Erbeinsetzung dar, weil die Eheleute damit lediglich auf eine frühere Verfügung hingewiesen, aber keine erstmalige Verfügung dieses Inhalts getroffen hätten. Außerdem spreche die Einsetzung der Klägerin zur "Universalerbin" im Testament aus dem Jahre 1996 dagegen, dass sie bereits früher zur Schlusserbin bestimmt worden sei.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin Divergenz und Verfahrensmängel. Soweit es das FG abgelehnt habe, den Erwerb gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG um einen fiktiven Zugewinnausgleich zu mindern, sei es von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. März 1969 VI R 208/67 (BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520), vom 11. November 1971 V R 111/68 (BFHE 103, 453, BStBl II 1972, 80), vom 22. September 1993 X R 107/91 (BStBl II 1993, 874) sowie vom 10. März 1993 II R 87/91 (BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510) abgewichen.

Soweit das FG die Erklärung der Eheleute vom Dezember 1994 nicht als Einsetzung der Klägerin zur Schlusserbin anerkannt habe, sei es von den Urteilen des BFH vom 2. Dezember 1969 II 120/64 (BFHE 97, 311, BStBl II 1969, 119), vom 7. Oktober 1981 II R 16/80 (BFHE 134, 181, BStBl II 1982, 28), vom 16. Juni 1999 II R 57/96 (BStBl II 1999, 789) sowie von dem Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 15. Januar 1926 V e A 248/25 (Juristische Wochenschrift --JW-- 1926, 1718) abgewichen.

Abgesehen davon habe das FG gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen und seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Zulässigkeit der Beschwerde und damit auch die Zulassung der Revision richtet sich im Streitfall gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, 1757) noch nach § 115 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes, da das angefochtene Urteil vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist. Die geltend gemachten Verfahrensfehler und die meisten der geltend gemachten Abweichungen der Vorentscheidung von Urteilen des BFH sind nicht schlüssig gerügt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.). Die restlichen Abweichungen, und damit ein Grund, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. zuzulassen, liegen bzw. liegt nicht vor.

A. Divergenz

1. Soweit die Klägerin rügt, die Vorentscheidung weiche von dem BFH-Urteil in BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510 ab, ist die Beschwerde nicht schlüssig. Die bezüglich dieses BFH-Urteils einander gegenübergestellten Rechtssätze lassen keine Abweichung erkennen. Die Aussage des BFH über die Art und Weise sowie den Sinn der Ermittlung einer fiktiven Ausgleichsforderung gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG widerspricht nicht der Aussage des FG, dass dieser Ermittlung nur Bedeutung für die Erbschaftsbesteuerung beim überlebenden Ehegatten zukommt und die so ermittelte fiktive Ausgleichsforderung nicht vererbbar ist. Beim Erwerb durch Erbfall gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) können losgelöst vom Erbschaftsteuerschuldverhältnis, in dessen Rahmen die Rechte gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG geltend zu machen sind, nur zivilrechtlich bestehende Forderungen, aber nicht aus Gründen der Erbschaftsteuerberechnung fingierte Ansprüche vererbt werden. Als bloße Rechengröße unterfällt diese fiktive Ausgleichsforderung auch nicht der Regelung des § 1378 Abs. 3 BGB über die Vererbbarkeit einer zivilrechtlich entstandenen Ausgleichsforderung. Lediglich dann, wenn Rechte und Verpflichtungen aus einem Erbschaftsteuerschuldverhältnis, die noch in der Person des Erblassers entstanden waren, auf dessen Erben übergehen, können bei der Abwicklung dieses Schuldverhältnisses vom Erben auch die Rechte aus § 5 Abs. 1 ErbStG ausgeübt werden.

2. Aus demselben Grund sind auch die angeblichen Abweichungen der Vorentscheidung von den BFH-Urteilen in BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520, in BFHE 103, 453, BStBl II 1972, 80 sowie in BStBl II 1993, 874 nicht schlüssig dargelegt. Auch insoweit lassen die angeführten Rechtssätze keine Abweichung erkennen, sondern betreffen offensichtlich Unterschiedliches. Sollte der Erblasser als überlebender Ehegatte es unterlassen haben, von der Regelung des § 5 Abs. 1 ErbStG Gebrauch zu machen, oder wirkte sie sich aufgrund der Freibeträge nicht oder nicht voll aus, bedeutete das mit der Gesamtrechtsnachfolge i.S. des § 1922 Abs. 1 BGB beim Tod des überlebenden Ehegatten verbundene Einrücken der Klägerin in dessen gesamte (Steuer-)Rechtsstellung lediglich, dass dann, wenn der durch den Tod des erstverstorbenen Ehegatten ausgelöste Erbfall beim Tod des überlebenden Ehegatten steuerrechtlich noch nicht abgewickelt gewesen sein sollte und deshalb die Erbschaftsteuerschuld des überlebenden Ehegatten aus dem ersten Erbfall auf seinen Erben übergegangen ist, dieser bei der Abwicklung des ersten Erbfalls ohne weiteres die ehedem dem überlebenden Ehegatten zustehenden Rechte aus § 5 Abs. 1 ErbStG geltend machen kann.

3. Soweit die Klägerin rügt, das FG sei von den Rechtssätzen abgewichen, die der BFH in den zitierten Urteilen zu der Frage entwickelt habe, unter welchen Voraussetzungen formunwirksame letztwillige Verfügungen gleichwohl der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen sind, ist die Beschwerde unbegründet, weil diesen Rechtssätzen ein davon abweichender angeblich vom FG vertretener Rechtssatz gegenübergestellt worden ist, den das FG weder ausdrücklich noch konkludent aufgestellt hat. Vielmehr geht auch das FG davon aus, dass unter den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Voraussetzungen formunwirksame letztwillige Verfügungen zu berücksichtigen sind; es meint aber aufgrund der angeführten Indizien, dass auch eine nur mündlich ausgesprochene Einsetzung der Klägerin zur Schlusserbin nicht vorgelegen hat. Dabei handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung und nicht um die Bildung einer von der Rechtsprechung des BFH abweichenden Rechtsauffassung über die Voraussetzungen, unter denen formunwirksame letztwillige Verfügungen gleichwohl zu berücksichtigen sind.

4. Mit der Rüge, das FG sei von dem Urteil des RFH in JW 1926, 1718 abgewichen, kann keine Divergenz geltend gemacht werden, weil damit keine, wie in § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO aber gefordert, Abweichung zu einer Entscheidung des BFH bezeichnet wird (BFH-Beschluss vom 30. September 1993 IV B 182/92, BFH/NV 1994, 641).

B. Verfahrensfehler

1. Soweit die Klägerin die Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO darauf stützt, das FG habe die sich aus den Akten ergebenden Umstände,

a) dass ein beträchtlicher Teil des Nachlasses aus dem Vermögen der Ehefrau stamme,

b) dass der Erblasser das Vermögen während der Dauer der Ehe treuhänderisch verwaltet habe,

c) dass die Umstände dieser Treuhandverwaltung anlässlich eines Erörterungstermins mit einem früheren Berichterstatter des erkennenden Senats des FG aufgeklärt worden seien,

d) dass die Eheleute während der Ehe aus einem Topf gewirtschaftet haben und

e) dass die Ehefrau seit etwa 1991 chronisch erkrankt und schwer pflegebedürftig gewesen sei,

nicht beachtet, ist die Rüge nicht schlüssig, weil diese Umstände ausgehend von der Rechtsauffassung des FG nicht rechtserheblich sind und die Vorentscheidung daher nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. auf einem Übergehen dieser Umstände beruhen kann.

2. Soweit die Klägerin die Rüge einer Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO darauf stützt, das FG habe die sich aus den Akten ergebende Äußerung des Erblassers gegenüber der Klägerin kurz vor seinem Tode, wonach sie in seinem Schreibtisch das Testament vom Januar 1996 vorfinden würde, mit welchem er dem Wunsch beider Eheleute Rechnung getragen habe, sie als Schlusserbin einzusetzen, nicht zur Kenntnis genommen, ist die Rüge unbegründet. Die angebliche Äußerung ist nämlich in einer eidesstattlichen Versicherung der Klägerin vom 15. März 1996 enthalten, aus der das FG auch die Mitteilung der Eheleute vom Dezember 1994 über die angebliche Einsetzung der Klägerin als Schlusserbin in den Tatbestand der Vorentscheidung übernommen hat. Daraus ergibt sich, dass das FG diese eidesstattliche Versicherung nicht übergangen, sondern bei seiner Überzeugungsbildung berücksichtigt hat.

3. Wiederum nicht schlüssig ist die Rüge mangelnder Sachaufklärung der Frage, welchen Sinn das Testament vom 31. Januar 1996 gehabt haben soll, wenn nicht den, aufgrund des gemeinsamen Willens beider Ehegatten, die Klägerin zur Schlusserbin ihres Vermögens einzusetzen. Zur schlüssigen Darlegung dieses Verfahrensmangels wäre vorzutragen gewesen, weshalb sich dem FG ausgehend von seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachaufklärung aufdrängen musste. Daran fehlt es. Im Übrigen ergibt das Testament vom Januar 1996 besonders vom Standpunkt des FG aus, wonach es an einer Schlusserbeneinsetzung fehle, einen Sinn, weil es dann noch einer testamentarischen Erbeinsetzung bedurfte, um nicht die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen.



Ende der Entscheidung

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