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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.12.2004
Aktenzeichen: II R 2/04
Rechtsgebiete: EuRAG, FGO, StBerG


Vorschriften:

EuRAG § 28 Abs. 1
EuRAG § 28
EuRAG § 29
EuRAG § 29 Abs. 3
FGO § 62a
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 55 Abs. 2
FGO § 62a
FGO § 121
FGO § 56 Abs. 1
StBerG § 3 Nr. 1
StBerG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die in Österreich lebende Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhob Klage vor dem Finanzgericht (FG) wegen einer Erbschaftsteuerfestsetzung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--). Sie wurde hierbei vertreten durch den gerichtlich bestellten Sachwalter Rechtsanwalt Dr. L.H. aus Österreich. Auf richterliche Aufforderung hin benannte die Klägerin Herrn Rechtsanwalt (RA) G.H. als inländischen Zustellungsbevollmächtigten.

Das FG hat die Klage durch Urteil vom 5. November 2003 abgewiesen und die Entscheidung RA G.H. am 8. Dezember 2003 förmlich zugestellt. Es hat die Revision zugelassen und die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen, dass "bei der Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof ... sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen" muss.

Am 2. Januar 2004 legte die Klägerin, vertreten durch Dr. L.H. aus Österreich, Revision gegen die Entscheidung des FG ein. Die Revision wurde durch Dr. L.H. durch weiteren Schriftsatz vom 23. Januar 2004 begründet. In seiner Erwiderung auf die Revisionsbegründung vom 26. April 2004 wies das FA darauf hin, dass mangels Postulationsfähigkeit des Dr. L.H. die Revision unzulässig sei. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2004 meldete sich RA G.H. für die Klägerin, legte als "Einvernehmensanwalt" i.S. des § 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Berufsrechts der Rechtsanwälte (EuRAG) vom 9. März 2000 (BGBl I 2000, 182 ff.) erneut Revision ein und beantragte wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete RA G.H. mit der Missverständlichkeit der Rechtsmittelbelehrung im Urteil des FG. Dieser habe nicht entnommen werden können, dass es sich beim erforderlichen "Rechtsanwalt" um einen "in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt" handeln müsse. Da die Klägerin in Österreich ansässig sei und von einem österreichischen Rechtsanwalt vertreten werde, sei dieser Hinweis unverzichtbar. Zumindest habe das FG wie auch der Bundesfinanzhof (BFH) auf die erforderliche Unterschrift eines Einvernehmensanwalts aufmerksam machen müssen.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 400 000 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

II. Die Revision ist unzulässig. Der für die Klägerin aufgetretene österreichische Rechtsanwalt Dr. L.H. war bei der Einlegung der Revision nicht postulationsfähig. Die unter Einschaltung von RA G.H. als Einvernehmensanwalt eingelegte Revision ist verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.

1. Vor dem BFH muss sich --wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hervorgeht-- nach § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwalt, niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden (§ 62a FGO).

Im Streitfall ist die am 2. Januar 2004 beim BFH eingegangene Revision nicht von einer solchen Person oder Gesellschaft eingelegt worden; die Einlegung der Revision ist daher unwirksam. Dr. L.H. fehlt als in Österreich zugelassenem Anwalt die Befugnis zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3 StBerG, er ist insbesondere kein Rechtsanwalt im Sinne dieser Vorschrift und auch kein niedergelassener europäischer Rechtsanwalt. Denn Dr. L.H. ist in Deutschland nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen (§§ 4, 8 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung --BRAO--) bzw. als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in die (für den Ort seiner Niederlassung zuständige) Rechtsanwaltskammer aufgenommen worden (§§ 2 ff. EuRAG).

Dr. L.H. hatte bei Einlegung der Revision auch nicht als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt die Stellung eines Rechtsanwalts (§ 27 Abs. 1 EuRAG). Denn hierzu hätte es nach §§ 28, 29 EuRAG bereits bei Einlegung der Revision gegenüber dem BFH des Nachweises eines Einvernehmens mit einem zur Vertretung beim BFH befugten Rechtsanwalt (Einvernehmensanwalt) bedurft. Die hier ohne einen solchen Nachweis eingelegte Revision ist nach § 29 Abs. 3 EuRAG auf Dauer unwirksam (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 28. Juli 1999 II R 34/99, BFHE 189, 42, BStBl II 1999, 637 zur früheren identischen Regelung in § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte --RADG-- vom 16. August 1980).

2. Die unter Einschaltung von RA G.H. als Einvernehmensanwalt eingelegte Revision konnte der Revision der Klägerin nicht zur Zulässigkeit verhelfen, weil der Schriftsatz vom 17. Mai 2004 erst nach Ablauf der Revisionsfrist beim BFH eingegangen ist. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim BFH innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils, die hier bereits am 8. Dezember 2003 erfolgte, schriftlich einzulegen.

a) Die Revisionsfrist beträgt hier nach § 55 Abs. 2 FGO auch nicht --wegen fehlender oder unrichtiger Rechtsmittelbelehrung-- ein Jahr. Vielmehr wurde die reguläre Revisionsfrist von einem Monat ordnungsgemäß in Lauf gesetzt. Soweit die Klägerin meint, die im FG-Urteil erteilte Rechtsmittelbelehrung sei unrichtig oder unvollständig, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Zwar geht der Senat davon aus, dass in der finanzgerichtlichen Entscheidung auch über den Vertretungszwang beim BFH belehrt werden muss (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Tz. 12; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 55 FGO Anm. 18 a.E.; Spindler in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Rz. 38; Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommmentar, § 55 FGO Rz. 42). Dies ist im Streitfall aber ordnungsgemäß durch eine zusammenfassende im Wesentlichen wörtliche Wiedergabe der einschlägigen Vorschriften, insbesondere des § 62a FGO und des § 3 Nr. 1 StBerG erfolgt. Einer über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Belehrung, dass österreichische Rechtsanwälte nicht bzw. nur unter besonderen Voraussetzungen vertretungsberechtigt sind, bedurfte es nicht. Allein der Umstand, dass Dr. L.H. in Österreich die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" führt, entband ihn nicht von der Pflicht zu prüfen, ob er als solcher auch nach den deutschen Regeln über den Vertretungszwang beim BFH vertretungsberechtigt war. Diese Prüfung hätte sich ihm auch deshalb aufdrängen müssen, weil die Rechtsmittelbelehrung auf die Vertretungsberechtigung niedergelassener europäischer Rechtsanwälte, zu denen Dr. L.H. nicht gehörte, ausdrücklich hinweist.

FG und BFH haben auch im Übrigen ihre Hinweispflichten nicht verletzt. Denn der Revisionsschrift konnte die fehlende Postulationsfähigkeit nicht entnommen werden. Dr. L.H. hätte nämlich niedergelassener europäischer Rechtsanwalt und als solcher postulationsfähig sein können.

b) Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 121 i.V.m. § 56 Abs. 1 FGO kann im Streitfall nicht gewährt werden. Die Klägerin war nicht ohne Verschulden gehindert, die Revisionsfrist einzuhalten. Sie muss sich insoweit das Verschulden des von ihr beauftragten Prozessbevollmächtigten, der die Revision ohne Beachtung des beim BFH bestehenden Vertretungszwangs eingelegt hat, zurechnen lassen (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).



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