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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.02.2007
Aktenzeichen: II R 27/05
Rechtsgebiete: BewG, EStG


Vorschriften:

BewG § 26
BewG § 99
BewG § 19 Abs. 1
BewG § 19 Abs. 3
BewG § 72
BewG § 74
BewG § 75
BewG § 99 Abs. 1 Nr. 1
BewG § 99 Abs. 2
BewG § 95
BewG § 95 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1
EStG § 15 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb am 4. Januar 1994 ein unbebautes Grundstück. Das damals zuständige Finanzamt H nahm daraufhin mit Bescheid vom 7. Juni 1994 eine Zurechnungsfortschreibung gegenüber der Klägerin auf den 1. Januar 1994 vor; die Feststellungen zum Einheitswert (1 700 DM), zur Grundstücksart (unbebautes Grundstück) sowie zur Vermögensart (Grundvermögen) änderte das FA H nicht.

Die Klägerin verpachtete das Grundstück an ihren Ehemann (E). Dieser errichtete auf dem Grundstück für Zwecke seines Gewerbebetriebs eine Lagerhalle und ein Werkstattgebäude. Die Klägerin reichte daraufhin eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts ein, in der sie angab, das Grundstück diene zu mehr als der Hälfte einem Gewerbebetrieb. Aufgrund dieser Erklärung hob das FA H mit Bescheid vom 2. Dezember 1999 den Einheitswert zum 1. Januar 1999 auf. Mit Bescheid vom 30. März 2000 führte es auf den 1. Januar 1999 eine "Nachfeststellung" durch. Das FA H stellte den Einheitswert auf 9 800 DM, die Grundstücksart Geschäftsgrundstück, die Vermögensart Betriebsvermögen und die Zugehörigkeit des Betriebsgrundstücks zum Betrieb der Klägerin fest. Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch begehrte die Klägerin, das Grundstück dem Grundvermögen zuzuordnen. Am 6. Oktober 2000 erließ das FA H erneut einen Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts; er sollte nach einem beigefügten Vermerk an die Stelle des Bescheids vom 30. März 2000 treten. Der Bescheid entsprach inhaltlich dem vom 30. März 2000 mit dem Unterschied, dass das Grundstück nunmehr dem Gewerbebetrieb des E zugerechnet wurde.

Die auf den mit Einspruchsentscheidung vom 3. November 2000 als unbegründet zurückgewiesenen Einspruch eingelegte Klage mit dem Ziel, das Grundstück dem Grundvermögen zuzuordnen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob die Einspruchsentscheidung vom 3. November 2000 auf und änderte den Einheitswertbescheid vom 6. Oktober 2000 in der Weise, dass die Vermögensart "Grundvermögen" festgestellt wird. Das FG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Klägerin der Gewerbebetrieb des E nicht zugerechnet werden könne, auch nicht über § 26 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der im Streitjahr geltenden Fassung. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1366 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das inzwischen zuständig gewordene Finanzamt --FA--), das FG habe die Bedeutung des § 26 BewG verkannt. Die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit werde beim Grundbesitz i.S. des § 99 BewG nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Wirtschaftsgüter zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten gehörten. In das Betriebsvermögen seien auch solche Grundstücke einzubeziehen, die allein dem Ehegatten des Betriebsinhabers gehörten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht angenommen, dass Grundbesitz, der im Alleineigentum eines Ehegatten steht, nicht deswegen Betriebsgrundstück ist, weil das Grundstück dem Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten dient.

1. § 19 Abs. 1 BewG ordnet die (gesonderte) Feststellung von Einheitswerten für Grundstücke an. Dazu bestimmt § 19 Abs. 3 BewG in Nr. 1, dass in dem Feststellungsbescheid auch Feststellungen über die Art der wirtschaftlichen Einheit, bei Grundstücken auch über die Grundstücksart i.S. der §§ 72, 74 und 75 BewG (Buchst. a) und bei Betriebsgrundstücken, die zu einem Gewerbebetrieb gehören, auch über den Gewerbebetrieb (Buchst. b) zu treffen sind.

Betriebsgrundstück i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG ist der zu einem Gewerbebetrieb gehörige Grundbesitz, soweit er, losgelöst von seiner Zugehörigkeit zu dem Gewerbebetrieb, zum Grundvermögen gehören würde. Unter welchen Voraussetzungen Grundbesitz zu einem Gewerbebetrieb gehört, richtet sich, abgesehen von den in § 99 Abs. 2 BewG geregelten Sonderfällen, bei Einzelgewerbetreibenden nach § 95 BewG. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2004 II R 8/01, BFHE 207, 55, BStBl II 2005, 463).

Nach diesen Grundsätzen kann ein Grundstück, das einer Einzelperson zuzurechnen ist, die keinen Gewerbebetrieb unterhält, nicht Betriebsgrundstück sein.

2. § 26 BewG führt bei Ehegatten zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift (in der im Streitjahr geltenden Fassung) wird beim Grundbesitz i.S. der §§ 33 bis 94, 99 und 125 bis 133 BewG die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit (§ 2 BewG) nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Wirtschaftsgüter zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten gehören.

a) § 26 BewG betrifft sowohl nach Wortlaut wie auch nach Systematik die Frage der Zurechnung von Wirtschaftsgütern zu einer wirtschaftlichen Einheit.

aa) Zur Vorgängervorschrift des § 26 BewG (§ 24 BewG a.F.) hat der BFH ausgeführt, dass eine wörtliche Auslegung richtig sei und der Grundgedanke des § 24 Ziff. 1 BewG darin bestehe, dass bei einer wirtschaftlichen Einheit, an der nur Ehegatten beteiligt seien, die privatrechtlichen Beziehungen der einzelnen Ehegatten zu den verschiedenen Teilen dieser wirtschaftlichen Einheit außer Betracht bleiben sollten (BFH-Urteil vom 18. November 1966 III 176/63, BFHE 87, 454, BStBl III 1967, 170). Eine solche wörtliche Auslegung ergibt auch für § 26 BewG, dass er nicht die Zurechnung eines Gewerbebetriebs zum Grundstück als wirtschaftlicher Einheit des Grundvermögens (§ 70 Abs. 1 BewG), sondern ggf. umgekehrt die Zurechnung eines Grundstücks zur wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens ermöglicht.

bb) Die Zurechnung einer wirtschaftlichen Einheit erfolgt gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG durch Zurechnungsfeststellung. Die nach § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b BewG erfolgende Feststellung über die Art der wirtschaftlichen Einheit hat demgegenüber keine solche Zurechnung zur Voraussetzung, sondern verlangt tatbestandlich, dass das Grundstück zu einem Gewerbebetrieb gehört. Diese "Zurechnung" zu einem bestimmten Gewerbebetrieb ist damit im technischen Sinne eine Artfeststellung und nicht eine Zurechnungsfeststellung (BFH-Beschluss vom 13. August 1976 III B 33/75, BStBl II 1976, 774). Unter welchen Voraussetzungen Grundbesitz zu einem Gewerbebetrieb gehört, richtet sich, abgesehen von den in § 99 Abs. 2 BewG geregelten Sonderfällen, bei Einzelgewerbetreibenden nach § 95 BewG, nicht nach § 26 BewG.

b) Auch aus § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG ergibt sich nichts anderes. Danach gilt ein Grundstück, an dem neben dem Betriebsinhaber noch andere Personen beteiligt sind, auch hinsichtlich des Anteils des Betriebsinhabers nicht als Betriebsgrundstück. Vorausgesetzt ist danach, dass dem Betriebsinhaber ein Anteil am Grundstück gehört; für diesen trifft die Vorschrift eine Zurechnungsregel. Die Vorschrift trifft aber keine Regelung, wie ein Grundstück oder ein Grundstücksteil, das oder der nicht dem Betriebsinhaber gehört, bewertungsrechtlich zu behandeln ist. § 26 BewG könnte auch in diesem Regelungszusammenhang also nur eine Zurechnung eines Grundstücks oder Grundstücksteils beim Betriebsinhaber ermöglichen, nicht aber umgekehrt die Zurechnung eines Gewerbebetriebs zum Grundstück (vgl. BFH-Urteile vom 29. Oktober 1973 III R 40/73, BFHE 111, 158, BStBl II 1974, 79; vom 18. Mai 1995 IV R 127/92, BFHE 177, 506, BStBl II 1996, 126). Ob die Vorschrift eine Zurechnung beim Betriebsinhaber ermöglichte, ist im Streitfall nicht zu entscheiden (vgl. hierzu Rödder, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1992, 965; Oldenburg/Wilke, DStR 1993, 868).

c) Schließlich scheidet eine Zurechnung des Gewerbebetriebs des anderen Ehegatten zu einer wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens bei dem Ehegatten, dem das Grundstück gehört, auch schon deswegen aus, weil gemäß § 2 Abs. 2 BewG mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht kommen, als sie demselben Eigentümer gehören. Soweit das FG sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BFH vom 14. Mai 2004 II R 50/01 (BFHE 206, 365, BStBl II 2004, 818) bezieht, übersieht es, dass dieser Entscheidung die Nutzung eines im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Grundstücks für den landwirtschaftlichen Betrieb einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, an welcher nur der andere Ehegatte beteiligt ist, zu Grunde liegt. Für diesen Fall enthält § 34 Abs. 6 BewG eine ausdrückliche Durchbrechung des in § 2 Abs. 2 BewG enthaltenen Grundsatzes, wonach mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht kommen, als sie demselben Eigentümer gehören. Auch in diesem Fall war also nur zu entscheiden, ob das Grundstück eines Ehegatten dem Betrieb des anderen Ehegatten zugerechnet werden kann. Über die im Streitfall zu entscheidende Frage war im genannten Urteil nicht zu befinden.

d) Soweit das FA sich schließlich auf Verwaltungsvorschriften bezieht, denen eine vermögensteuerrechtliche Zusammenveranlagung von Ehegatten zu Grunde liegt, bedarf es keiner weiteren Darlegung, dass hierauf die Rechtsanwendung nicht mehr gestützt werden kann.

e) Auf die Frage einer Verfassungswidrigkeit des § 26 BewG braucht im Streitfall nicht eingegangen zu werden (hierzu etwa BFH-Urteil in BFHE 111, 158, BStBl II 1974, 79, sowie Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 26 Rz 36).

3. Die Vorentscheidung stimmt hiermit überein. Dem entspricht es auch, wenn das FG im Tenor ausgesprochen hat, dass die Vermögensart "Grundvermögen" festgestellt wird, allerdings mit der Maßgabe, dass im Tenor wegen offenbarer Unrichtigkeit der Klammerzusatz "Nachfeststellung auf den 01.01.2000" geändert wird in "Nachfeststellung auf den 01.01.1999" (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 107 Abs. 1 FGO).



Ende der Entscheidung

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