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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: II R 32/05
Rechtsgebiete: GrEStG, AO 1977


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3
GrEStG § 8 Abs. 1
GrEStG § 17 Abs. 2
AO 1977 § 38
Werden mehrere Personengesellschaften mit identischem Gesellschafterbestand und Grundbesitz in den Bezirken verschiedener Finanzämter durch Kündigung zu einem bestimmten Termin aufgelöst und erwirbt einer der Gesellschafter die Gesellschaftsvermögen durch Anwachsung, sind die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer auch dann nicht zusammengefasst für die Personengesellschaften gesondert festzustellen, wenn die vormaligen Gesellschafter später eine unaufgegliederte Gesamtabfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters vereinbaren.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Schwester (S) waren in unterschiedlicher Höhe an einer GbR mit Grundbesitz in H und an einer GbR mit Grundbesitz in A sowie an einer GmbH & Co. KG und deren Komplementär-GmbH beteiligt.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 1994 kündigte S sämtliche Gesellschaftsverträge zum 31. Dezember 1995. Der Kläger wurde aufgrund vertraglicher Fortsetzungsklauseln mit Wirksamwerden der Kündigungen durch Anwachsung entsprechend § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Inhaber der Gesellschaftsvermögen der beiden GbR. S übertrug ihre Anteile an der KG und der GmbH ebenfalls auf den Kläger.

Der Kläger teilte mit gesondertem Schreiben vom 29. Oktober 1996 dem Beklagten und Revisionskläger, dem für die Grunderwerbsteuerfestsetzung für die Grundstücke in H zuständigen Finanzamt (FA), und dem für die Grunderwerbsteuerfestsetzung für die Grundstücke in A zuständigen FA E die Kündigungen mit.

Nach Einholung von Wertgutachten vereinbarten der Kläger und S am 24. Februar 1998 abweichend von den gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Berechnung der Auseinandersetzungsguthaben einen Gesamtkaufpreis in Höhe von 5 Mio. DM für den Übergang sämtlicher Gesellschaftsbeteiligungen der S auf den Kläger, ohne den Kaufpreis anteilig den einzelnen Beteiligungen zuzuordnen.

Das FA erließ am 11. Dezember 2001 gegenüber dem Kläger einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer für den aufgrund Anwachsung erfolgten Übergang der Grundstücke aus den Gesamthandsvermögen der beiden GbR in das Alleineigentum des Klägers. Es stützte die Steuerpflicht auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Als Bemessungsgrundlagen für die Steuer setzte es die geschätzten Verkehrswerte der jeweils übergegangenen Grundstücke an und nahm nach § 6 Abs. 2 GrEStG der Höhe der Beteiligungen des Klägers an den beiden GbR entsprechende Anteile von der Besteuerung aus. Feststellungsverjährung war nach seiner Ansicht wegen des Fehlens hinreichender Anzeigen der Erwerbsvorgänge noch nicht eingetreten. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hob den Feststellungsbescheid durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1641 veröffentlichte Urteil auf und führte zur Begründung aus, das FA habe zwar zu Recht die Steuerbarkeit auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG gestützt und das Vorliegen der in § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG bestimmten Voraussetzungen für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer bejaht. Die zunächst aufgrund der Kündigungen vom 30. Dezember 1994 gegebenen mehreren Rechtsvorgänge seien durch die Vereinbarung einer Gesamtabfindung im Vertrag vom 24. Februar 1998 nachträglich zu einer Einheit zusammengefasst worden. Dem Erlass des Feststellungsbescheids habe aber die mit Ablauf des Jahres 2000 eingetretene Feststellungsverjährung entgegengestanden. Die Schreiben vom 29. Oktober 1996 an das FA und das FA E hätten den gesetzlichen Mindestanforderungen an eine Anzeige der Erwerbsvorgänge genügt.

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 19 Abs. 4 Satz 1 und § 17 Abs. 2 GrEStG. Nach seiner Ansicht war keine Verjährung eingetreten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung ergeben zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts; die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die in § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG geregelten Voraussetzungen für den Erlass eines Feststellungsbescheids gegeben sind.

a) Nach dieser Vorschrift stellt in Fällen, in denen sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener FÄ liegen, das FA, in dessen Bezirk das wertvollste Grundstück oder der wertvollste Bestand an Grundstücken liegt, die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest. Mit dem Begriff "Rechtsvorgang" nimmt die Vorschrift Bezug auf § 1 GrEStG, der im Einzelnen regelt, welche "Rechtsvorgänge" der Grunderwerbsteuer unterliegen. Ein "Rechtsvorgang" i.S. des § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG kann danach nur ein nach § 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang sein.

b) Ein solcher sich auf mehrere in den Bezirken verschiedener FÄ belegene Grundstücke beziehender Rechtsvorgang ist im Streitfall nicht gegeben.

Wie FA und FG zutreffend angenommen haben, unterliegt der durch Anwachsung bewirkte Übergang der Grundstücke aus den Gesamthandsvermögen der GbR in das Alleineigentum des Klägers der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, da kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedurfte (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671; vom 13. September 1995 II R 80/92, BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903, und vom 16. Juli 1997 II R 27/95, BFHE 183, 259, BStBl II 1997, 663). Dabei liegen ebenso viele Rechtsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, wie Grundstücke übergegangen sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162). Davon ist auch das FG ausgegangen.

Diese Rechtsvorgänge waren mit dem Übergang der Grundstücke in das Alleineigentum des Klägers vollendet und führten nach § 38 AO 1977 zur Entstehung der Steuer. Die Vereinbarung vom 24. Februar 1998 berührte diese Rechtsvorgänge, die bereits mit Wirksamwerden der von S zum 31. Dezember 1995 ausgesprochenen Kündigungen abgeschlossen waren, nicht und konnte sie daher auch nicht (rückwirkend) zu einem Rechtsvorgang i.S. von § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG zusammenfassen.

Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer besteht bei durch Anwachsung bewirkten Erwerbsvorgängen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, die vor dem 1. Januar 1997 verwirklicht wurden und für die deshalb nach § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG noch nicht gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl I, 2049) die Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzen sind, in der anteiligen Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG), die der übernehmende Gesellschafter für das jeweils auf ihn übergegangene Grundstück zu erbringen hat. Dazu gehören im Einzelnen der gesellschaftsvertragliche oder gesetzliche Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters, die Schulden der Gesellschaft, für die der übernehmende Gesellschafter nunmehr allein einzustehen hat, und der "bisherige Gesellschaftsanteil" des übernehmenden Gesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671). Gehen im Wege der Anwachsung nicht nur Grundstücke, sondern auch weitere nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Vermögensgegenstände auf den Übernehmenden über, so ist die (Gesamt-)Gegenleistung verhältnismäßig aufzuteilen (BFH-Urteil in BFHE 183, 259, BStBl II 1997, 663). Die auf der Grundlage der so ermittelten Gegenleistung als Bemessungsgrundlage errechnete Steuer wird vorbehaltlich der in § 6 Abs. 4 GrEStG vorgesehenen Einschränkungen nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt war.

Wird nach dem Übergang der Grundstücke in das Alleineigentum des übernehmenden Gesellschafters durch Anwachsung statt des gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Abfindungsanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters ein davon abweichender Ablösebetrag vereinbart, betrifft dies nur die Bemessungsgrundlage der Steuer und nicht den/die der Besteuerung zu Grunde liegenden Rechtsvorgang/Rechtsvorgänge. Bezieht sich die nachträgliche Vereinbarung eines einheitlichen Ablösebetrags --wie im Streitfall-- auf mehrere aufgelöste Personengesellschaften, ist sie danach nicht geeignet, die einzelnen der Besteuerung unterliegenden Rechtsvorgänge zu einem einheitlichen Rechtsvorgang zusammenzufassen und so eine diese Personengesellschaften umfassende gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG zu begründen.

2. Da die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG für den Erlass des Feststellungsbescheids nicht vorlagen, hat ihn das FG im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Auf die Frage der Feststellungsverjährung kommt es nicht an.

Ende der Entscheidung

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