Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.12.2000
Aktenzeichen: II R 42/99
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG 1974 § 10 Abs. 5 Nr. 3
BUNDESFINANZHOF

1. Werden im Zuge einer Kapitalerhöhung einer GmbH Dritte zur Übernahme neuer Geschäftsanteile, deren gemeiner Wert die jeweils zu leistenden Einlagen übersteigt, zugelassen, ohne weitere Verpflichtungen eingehen zu müssen, sind sie mit der Eintragung im Handelsregister auf Kosten der Altgesellschafter bereichert. Die Bereicherung beruht auf einer Zuwendung der Altgesellschafter. Die Leistung der Einlagen stellt Erwerbsaufwand dar.

2. Zu den Voraussetzungen eines beachtlichen Irrtums des Schenkers über die Freigebigkeit der Zuwendung.

ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 5 Nr. 3

Urteil vom 20. Dezember 2000 - II R 42/99 -

Vorinstanz: FG Düsseldorf


Gründe

I. Die Ehefrau des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) errichtete mit einer weiteren Gesellschafterin im Dezember 1983 eine GmbH, deren Stammkapital von 50 000 DM auf beide Gesellschafterinnen je zur Hälfte entfiel. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom gleichen Tag gaben die Gesellschafterinnen jeweils zugunsten ihrer Ehemänner ein unbefristetes Angebot über den Verkauf ihrer Geschäftsanteile zum Preis von 12 500 DM ab. Dazu hieß es, der Preis sei an der Höhe der derzeit auf die Stammeinlage geleisteten Zahlung ausgerichtet; sollte auf die Einlage ein höherer Betrag eingezahlt werden, erhöhe sich der Preis entsprechend.

Im Dezember 1989 beschlossen die Gesellschafterinnen eine Kapitalerhöhung von 150 000 DM, von denen sie jeweils 26 000 DM selbst übernahmen. Darüber hinaus ließen sie ihre Ehemänner zur Übernahme neuer Einlagen von jeweils 49 000 DM zu. Zum 31. Dezember 1989 hatten die Anteile einen Wert von 4 119 DM je 100 DM des Stammkapitals.

In der Übernahme neuer Stammeinlagen durch die Ehemänner sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemischte Schenkungen, deren Wert er jeweils mit (490 x 4 119 DM ./. 49 000 DM =) 1 969 310 DM ermittelte. Daraus ergab sich unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 250 000 DM eine Steuer von 189 123 DM, die das FA mit Bescheid vom 20. September 1993 gegen den Kläger festsetzte.

Einspruch und Klage, die der Kläger damit begründet hatte, die Ehemänner hätten auch die Verkaufsangebote der Altgesellschafterinnen annehmen und sodann die Kapitalerhöhung beschließen können und demzufolge nur etwas erhalten, was sie ohnehin hätten beanspruchen können, zumal sie den Altgesellschafterinnen die Mittel zur Leistung der ursprünglichen Stammeinlagen zur Verfügung gestellt hätten, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 ebenfalls als erfüllt an. Der Kläger habe für 49 000 DM einen Geschäftsanteil im Wert von 2 018 310 DM erhalten, ohne einen Rechtsanspruch darauf zu haben. Beides sei der Ehefrau bewusst gewesen. Ein Rechtsanspruch auf die Zulassung zur Übernahme der neuen Stammeinlage habe nicht bestanden, weil der Kläger das Verkaufsangebot seiner Frau nicht angenommen habe. Eine Annahme hätte das Ausscheiden der Ehefrau aus der GmbH bedeutet; dies sei aber nicht gewollt gewesen. Dass der Kläger die Leistung seiner Frau auf die ursprüngliche Stammeinlage finanziert habe, sei unbeachtlich.

Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974. Durch Annahme des Vertragsangebots aus dem Jahr 1983 habe er die Übernahme der Einlage seiner Ehefrau ohne eine über ihren Nennwert hinausgehende Gegenleistung verlangen können. Daraus habe sich ein Anspruch auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung ergeben. Die Übernahme der neuen Stammeinlage stelle eine zivilrechtlich zulässige Teilannahme des Angebots der Ehefrau dar. Statt ihr ursprünglich vorgesehenes Ausscheiden aus der GmbH zu bewirken, habe er sich mit einer Reduzierung ihrer "relativen" Kapitalbeteiligung begnügt. Die Herabsetzung der Beteiligungsquote eines Gesellschafters durch inkongruente Teilnahme an einer Kapitalerhöhung sei gegenüber einem Ausscheiden kein Aliud, sondern lediglich ein Minus. Da es sich somit bei der Teilnahme an der Kapitalerhöhung um die Ausübung einer seit 1983 bestehenden Option gehandelt habe, sei nach den Verhältnissen von 1983 zu beurteilen, ob sich Leistung und Gegenleistung ausgewogen gegenübergestanden hätten. 1983 sei mit der später eingetretenen Wertsteigerung nicht zu rechnen gewesen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 1994 sowie den Steuerbescheid vom 20. September 1993 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Der Erwerb des neuen Geschäftsanteils durch den Kläger zum Nennwert stellt nur dann eine Schenkung u.a. seitens der Ehefrau dar, wenn diese mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit gehandelt hat. Da das FG dazu keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sollte sich der Wille zur Unentgeltlichkeit ergeben, läge keine gemischte, sondern eine reine Schenkung vor.

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist. Im Streitfall ist der Kläger u.a. auf Kosten seiner Ehefrau bereichert.

a) Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister (§ 57 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) hat der Kläger einen Geschäftsanteil originär erworben, dessen Wert von Anfang an den Nennwert überstieg. Insofern ist der Kläger bereichert. Die Entstehung des neuen Geschäftsanteils in der Hand des Klägers geht auch mit einer Entreicherung der bisherigen Gesellschafterinnen --nicht allein der Ehefrau-- einher. Ihre Geschäftsanteile vermitteln als Folge der Entstehung neuer Anteile eine geringere quotale Beteiligung (vgl. Wegmann in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 --GmbH--, 1996, § 54 Rdnr. 22) und erfuhren darüber hinaus eine Wertminderung dadurch, dass der neue Geschäftsanteil des Klägers proportional am bisherigen Vermögen der GmbH teilhat (vgl. Roth/Altmeppen, GmbH-Gesetz, Kommentar, 3. Aufl. 1997, § 55 Anm. 21), ohne dass dies durch den ebenfalls proportionalen Anteil der Altgesellschafterinnen an dem vom Kläger eingezahlten frischen Kapital der GmbH ausgeglichen wird (vgl. dazu auch Gottschalk, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1798, unter 4.2.2.). Somit erfolgte die Bereicherung des Klägers zur Hälfte auf Kosten seiner Ehefrau.

b) Die Bereicherung des Klägers beruht insoweit auch auf einer Zuwendung seitens seiner Ehefrau. Die von den Geschäftsanteilen der Altgesellschafterinnen abgespaltenen und auf den Kläger als Neugesellschafter übergegangenen Vermögensteile können als solche nicht Gegenstand eines zivilrechtlichen Übertragungsgeschäfts sein. Die Vorschriften des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung über die Kapitalerhöhung bewirken aber einen derartigen Vermögensübergang, der auf die Altgesellschafterinnen zurückzuführen ist. Die §§ 55 ff. GmbHG sehen für die Kapitalerhöhung ein mehrstufiges Verfahren vor. Nach außen gegenüber dem Neugesellschafter tritt dabei nur die GmbH auf, und zwar beim Abschluss des Übernahmevertrages. Er begründet für den Neugesellschafter die Verpflichtung, die übernommene Einlage zu leisten, und für die GmbH die Verpflichtung, die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister als das Ereignis, mit dem der neue Geschäftsanteil zur Entstehung gelangt, herbeizuführen. Soweit die GmbH damit über Vermögen disponiert, betrifft dies nicht ihr eigenes Vermögen, sondern das Vermögen der Altgesellschafterinnen. Dazu aber haben diese die Gesellschaft durch den Zulassungsbeschluss ermächtigt, der als notwendiger Teilschritt des mehrstufigen Verfahrens der Kapitalerhöhung dem Abschluss des Übernahmevertrages vorauszugehen hat. Diese Ermächtigung stellt den Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung dar. Durch den Zulassungsbeschluss haben die Altgesellschafterinnen nämlich nicht nur ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger als Neugesellschafter Empfänger des bei ihren Geschäftsanteilen abgespaltenen Vermögens werden soll, sondern zugleich die Gesellschaft befugt, diesen Willen mit dem dafür vorgegebenen (rechtstechnischen) Institut des Übernahmevertrages zu ihren Lasten in die Wirklichkeit umzusetzen.

c) Eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 erfordert darüber hinaus, dass die Ehefrau mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit handelte. Der Wille zur Unentgeltlichkeit oder auch Wille zur Freigebigkeit wird aufgrund der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen bestimmt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631). Zu den Umständen, die der Ehefrau des Klägers bekannt gewesen sein müssen, um nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen einen Willen zur Unentgeltlichkeit annehmen zu können, gehört die Tatsache, dass der Wert des neuen Geschäftsanteils des Klägers dessen Einlage erheblich überstieg. Dies war der Ehefrau bekannt. Sie kannte auch die weiteren Umstände, auf Grund derer der Erwerb des neuen Geschäftsanteils durch den Kläger als schenkweise erfolgt zu beurteilen ist. Gleichwohl handelte die Ehefrau in der Vorstellung, wegen des bindenden Angebots sogar zur Übertragung ihres gesamten Geschäftsanteils und damit erst recht zu einer Minderleistung in Gestalt eines von ihrem Geschäftsanteil abgespaltenen Vermögenswerts verpflichtet zu sein. Darin unterlag sie einem Irrtum, der unter der noch festzustellenden Voraussetzung beachtlich wäre, dass die mit dem Angebot eingetretene Bindung nicht ihrerseits freigebig begründet worden ist.

aa) Die Übernahme des neuen Geschäftsanteils durch den Kläger kann nicht als teilweise Annahme des Verkaufsangebots angesehen werden. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Übernahmevertrag zwischen dem Kläger und der GmbH nicht wie bei der Anteilsveräußerung um ein Rechtsgeschäft zwischen den Eheleuten, sondern um einen Sozialakt gehandelt hat, ist der erworbene Geschäftsanteil des Klägers auch nicht teilweise identisch mit dem Gegenstand des Verkaufsangebots. Das Verkaufsangebot bezog sich gemäß Abschn. III. 1. der Angebotsurkunde auf den mit der Gesellschaftsgründung entstandenen Geschäftsanteil der Ehefrau. Dort ist nämlich von dem "vorgenannten Geschäftsanteil" die Rede, womit auf Abschn. I. 2. und 3. verwiesen wird, der den bei Begründung der Gesellschaft übernommenen Anteil betrifft. Durch die Kapitalerhöhung hat der Kläger aber einen neuen Geschäftsanteil erworben, der gemäß § 15 Abs. 2 GmbHG auch dann seine Selbständigkeit behalten hätte, wenn er von der Ehefrau als Altgesellschafterin übernommen worden wäre (vgl. Roth/ Altmeppen, a.a.O., § 55 Anm. 31).

bb) Nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen aber kann die solchermaßen fehlerhafte Vorstellung der Ehefrau, zur Leistung an den Kläger verpflichtet gewesen zu sein, anders als in dem Fall, über den der BFH mit Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92 (BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366, 369) zu entscheiden hatte, ohne weitere Sachaufklärung nicht als unbeachtlicher Subsumtionsirrtum gewertet werden. Der Irrtum hat nämlich in dem bindenden Übertragungsangebot (§ 145 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) einen realen Bezug, der diese Vorstellung auch nach den objektivierenden Maßstäben des Verkehrsüblichen im Zeitpunkt der Zuwendung beurteilt als vertretbar erscheinen lässt (vgl. dazu Schulze-Osterloh in Steuer und Wirtschaft 1977, 122, 133, 134). Nach verkehrsüblicher Einsichtsfähigkeit durfte sich die Ehefrau als zur Leistung verpflichtet halten. Beachtlich ist dieser Irrtum aber nur dann, wenn die Verpflichtung, zu deren Erfüllung die Ehefrau zu handeln glaubte, nicht ihrerseits freigebig (schenkweise) eingegangen worden war. Denn wäre die Verpflichtung schenkweise eingegangen worden, stellte deren Erfüllung eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 dar. Dieser Umstand wäre in die Prüfung des Willens zur Unentgeltlichkeit nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen einzubeziehen. Da das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, wie es zur Abgabe der Angebote auf Übertragung der Geschäftsanteile durch die Altgesellschafterinnen gekommen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Sollte sich im Zuge der weiteren Sachaufklärung ergeben, dass die Übertragungsangebote in synallagmatischem, konditionalem oder kausalem Zusammenhang mit der Finanzierung der Gründungseinlagen der Altgesellschafterinnen durch ihre Ehemänner standen oder dass zwischen den Eheleuten jeweils ein Treuhandverhältnis mit den Ehefrauen als Treuhändern des Inhalts bestand, dass die Ehefrauen mit der Gründung einer GmbH sowie der Übernahme der Stammeinlagen beauftragt waren und es sich bei der Finanzierung der Einlagen um Vorschüsse auf die Aufwendungen gemäß § 669 BGB sowie bei der Abgabe der Übertragungsangebote um eine Ergänzung oder Ersetzung der Herausgabepflicht nach § 667 BGB handelte, wäre die von der Ehefrau des Klägers eingegangene Bindung/Verpflichtung nicht freigebig begründet und der Irrtum, zu deren Erfüllung zu handeln, beachtlich. Sollte sich dagegen ergeben, dass die Übertragungsangebote schenkweise abgegeben wurden, oder sollte sich weder das eine noch das andere feststellen lassen, läge ein unbeachtlicher Irrtum und damit der Wille der Ehefrau des Klägers zur Unentgeltlichkeit vor. Allerdings wäre dann, weil die Bereicherung des Klägers nur zur Hälfte auf Kosten seiner Ehefrau erfolgt ist --im Übrigen erfolgte sie auf Kosten der anderen Altgesellschafterin--, die Steuer auf die Hälfte herabzusetzen. Insoweit läge zudem keine gemischte, sondern eine reine Schenkung vor. Die Leistung der Einlage durch den Kläger stellte keine teilweise Gegenleistung, sondern Erwerbsaufwand gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 dar.



Ende der Entscheidung

Zurück