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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.08.2001
Aktenzeichen: II R 46/99
Rechtsgebiete: GrEStG 1983


Vorschriften:

GrEStG 1983 § 5
GrEStG 1983 § 6
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG 1983 § 2 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG 1983 § 16 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 5. August 1991 ein 645 qm großes, mit einem Bürogebäude bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 1 750 000 DM. Mit einem weiteren notariell beurkundeten Vertrag bestellte sie ihrerseits der Verkäuferin des Grundstücks, der I-AG, ein einheitliches Erbbaurecht an diesem Grundstück (645 qm) sowie an weiteren unmittelbar angrenzenden, teilweise bebauten Grundstücken (9 286 qm) zu einem nach Eintragung des Erbbaurechts zu zahlenden Entgelt von 18,5 Mio. DM. Der Kaufpreisanspruch der I-AG sollte mit dem Zahlungsanspruch der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag verrechnet werden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte den Erwerb des Grundstücks und den Erwerb des Erbbaurechts als jeweils selbständige Erwerbsvorgänge. Er setzte durch Bescheid vom 7. Oktober 1991 nach einer Gegenleistung von 1 750 000 DM Grunderwerbsteuer gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin in Höhe von 35 000 DM und durch Bescheid vom 10. Oktober 1991 nach einer Gegenleistung von 18,5 Mio. DM Grunderwerbsteuer gegen die I-AG in Höhe von 370 000 DM fest. Der Einspruch der Rechtsvorgängerin der Klägerin, mit dem sie eine Aufhebung der Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 begehrte, weil die Bestellung des Erbbaurechts zugunsten der I-AG als Rückerwerb im Sinne dieser Vorschrift zu werten sei, blieb erfolglos.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 856 veröffentlicht ist, sah in dem Erwerb des Grundstücks und in dem Erwerb des Erbbaurechts ebenfalls zwei voneinander unabhängige Erwerbsvorgänge. Entgegen der Ansicht des Niedersächsischen FG (Urteil vom 1. April 1992 III 225/88, EFG 1993, 245) könnten der Erwerb eines Grundstücks und die Bestellung eines Erbbaurechts an diesem Grundstück durch dessen Erwerber zugunsten des Veräußerers auch bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den den Erwerbsvorgängen zugrunde liegenden Verträgen nicht als ein nur einmal Grunderwerbsteuer auslösendes sog. einheitliches Vertragswerk behandelt werden. Die Steuer könne auch nicht nach § 1 Abs. 6 oder 7 bzw. den §§ 5 und 6 GrEStG 1983 ermäßigt werden. Diese Vorschriften seien weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 und Abs. 7 sowie der §§ 5 und 6 GrEStG 1983.

Sie beantragt, das Urteil des FG Berlin vom 4. März 1999 1 K 1090/96, soweit es ihr gegenüber ergangen ist, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Oktober 1991 und die Einspruchsentscheidung vom 23. November 1995 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Beschluss vom 31. Juli 2001 II R 46/99 die vom FG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klageverfahren der Klägerin sowie der I-AG gegen die diese jeweils betreffenden Bescheide getrennt (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Erwerb des Grundstücks durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gegenleistung der Besteuerung nach dem GrEStG 1983 unterliegt.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat durch den Abschluss des Kaufvertrags mit der I-AG einen Anspruch auf Übereignung des im Vertrag bezeichneten Grundstücks erworben. Der Kaufvertrag kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht so ausgelegt werden, dass ihre Rechtsvorgängerin im Hinblick auf den unmittelbar anschließend abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag ein mit dem Erbbaurecht belastetes Grundstück und damit Eigentum erworben habe, dem es mit Rücksicht auf das Erbbaurecht an wesentlichen Herrschafts- und Nutzungsbefugnissen gefehlt habe.

Die Klägerin verkennt in tatsächlicher Hinsicht, dass die I-AG sich nicht selbst ein Erbbaurecht bestellt und sodann ein belastetes Grundstück veräußert hat (zur Zulässigkeit der Bestellung eines Erbbaurechts an einem eigenen Grundstück vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 11. Dezember 1981 V ZR 222/80, Der Deutsche Rechtspfleger --Rpfleger-- 1982, 143). Gegenstand des Kaufvertrags war das unbelastete Grundstück. Das Erbbaurecht bestellt hat erst die Rechtsvorgängerin der Klägerin. Nur dieser, tatsächlich verwirklichte Sachverhalt kann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, nicht dagegen eine rechtlich mögliche andere Gestaltung.

In rechtlicher Hinsicht hat die von den Vertragsparteien gewählte Gestaltung zur Folge, dass zwei Erwerbsvorgänge vorliegen, die sich auf unterschiedliche Gegenstände beziehen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 steht das Erbbaurecht einem Grundstück gleich. Zivilrechtlich handelt es sich beim Erbbaurecht zwar um eine Belastung des Eigentums (§ 1 Abs. 1 der Verordnung über das Erbbaurecht). Das Erbbaurecht gewährt dem Berechtigten jedoch eine eigentumsähnliche Form der Herrschaft an der Grundstücksfläche. Durch die Bestellung eines Erbbaurechts kann weitgehend der gleiche rechtliche und wirtschaftliche Erfolg erzielt werden wie durch die Übertragung des vollen Eigentums. Eben wegen dieser Annäherung der Rechte aus dem Erbbaurecht an das Eigentum stellt § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 die Erbbaurechte den Grundstücken gleich (vgl. Urteil des BFH vom 28. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223; Viskorf, in: Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 14. Aufl., § 2 Rn. 117 f., 134, 136). Die Bestellung eines Erbbaurechts stellt grunderwerbsteuerrechtlich einen im Verhältnis zum Erwerb des Eigentums am Grundstück selbständigen Grundstücksumsatz dar. Das Erbaurecht ist danach nicht ein bloßer Ausschnitt des Grundstückseigentums, sondern ein eigener Steuergegenstand. Daraus folgt zugleich, dass es sich bei der Bestellung eines Erbbaurechts seitens des Erwerbers eines Grundstücks zugunsten des Veräußerers nicht um einen steuerfreien Rückerwerb i.S. von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 handelt. Die Vertragsparteien haben weder den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Kaufvertrag noch einen ebenfalls steuerpflichtigen Erbbaurechtsbestellungsvertrag rückabgewickelt, sondern die sich aus beiden Verträgen ergebenden zivilrechtlichen Rechtsfolgen eintreten lassen und aufrechterhalten.

b) Liegen aber zwei selbständig der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge vor, kann sich aus der Rechtsprechung des BFH zum (einheitlichen) grunderwerbsteuerrechtlich maßgeblichen Gegenstand des Erwerbsvorgangs beim Erwerb eines Grundstücks im zukünftig bebauten Zustand (vgl. zuletzt Urteil vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34) keine andere Beurteilung ergeben. Der Gegenstand der jeweiligen Erwerbsvorgänge und der Umfang der jeweiligen Gegenleistung ergeben sich allein und unmittelbar aus den in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht getrennt zu beurteilenden Verträgen.

c) Das FG hat es schließlich rechtsfehlerfrei abgelehnt, die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstücks nach § 1 Abs. 6 oder 7 oder den §§ 5 und 6 GrEStG 1983 zu ermäßigen. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind offenkundig nicht gegeben.

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