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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: II R 48/04
Rechtsgebiete: AO 1977, EGAO 1977, ErbStG, ZGB DDR, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 174 Abs. 1 Satz 1
EGAO 1977 § 2 Nr. 4
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2
ZGB DDR § 401 Abs. 1 Satz 1
ZGB DDR § 67 Abs. 1
BGB § 2033 Abs. 1
BGB § 128
BGB § 129
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb durch notariell beurkundeten Erbteilsschenkungsvertrag vom 13. Juni 1996 von B dessen 3/8-Anteil am Nachlass der im Jahr 1948 verstorbenen AZ, wobei der Nachlass nur noch aus dem hälftigen Miteigentum an einem in X belegenen Grundstück bestand. Eine entsprechende Grundbuchberichtigung wurde bewilligt und beantragt. Der Kläger vertrat B beim Vertragsabschluss aufgrund einer Vollmacht vom 6. Februar 1979, deren Unterschrift notariell beglaubigt worden war. Weitere Erben von AZ waren ihr Ehemann Z sowie ihre Tochter gewesen.

Das seinerzeit zuständige Finanzamt N setzte für die Erbteilsschenkung zunächst Schenkungsteuer in Höhe von 20 300 DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

Im Oktober 1999 beantragte der Kläger, den Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) aufzuheben. Zur Begründung verwies er auf einen Steuerbescheid vom 5. Juli 1978, mit dem der Rat der Stadt X gegen ihn und seine Ehefrau als Miterben zu je 1/2 nach dem im März 1978 verstorbenen Z Erbschaftsteuer in Höhe von 3 208,80 Mark der DDR (M) festgesetzt und dabei das Grundstück in X mit dem vollen Einheitswert von 25 900 M berücksichtigt hatte. Er führte dazu aus, der Erbschaftsteuerbescheid sei zutreffend gewesen, da Z noch zu Lebzeiten die Anteile der Kinder am Nachlass der AZ erworben habe und dadurch unter Berücksichtigung seines bisherigen Hälfteanteils an dem Grundstück dessen Alleineigentümer geworden sei. B habe seinen Erbteil durch die mit einer notariell beglaubigten Unterschrift unterzeichnete handschriftliche "Verzichtserklärung" vom 9. Februar 1976 auf Z übertragen. Der Abschluss des Vertrags vom 13. Juni 1996 sei lediglich erforderlich gewesen, um eine entsprechende Änderung des Grundbuchs herbeizuführen. Seine Ehefrau sei zwischenzeitlich verstorben.

Das Finanzamt N setzte die Schenkungsteuer mit Bescheid vom 10. Juli 2000 aufgrund des inzwischen festgestellten Grundstückswerts auf 14 399 DM herab. Den Antrag, den Bescheid aufzuheben, lehnte es ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzamt X vertrat die Auffassung, der Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Juli 1978 könne entgegen dem Antrag des Klägers vom 15. Mai 2001 wegen Eintritts der Verjährung nach den Vorschriften der DDR nicht mehr geändert werden.

Während des auf Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids gerichteten finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das Finanzamt N die Schenkungsteuer in Höhe eines Teilbetrags von 307 DM mit der Begründung, die nach dem Bescheid vom 5. Juli 1978 auf den Kläger entfallende Erbschaftsteuer sei wegen der vollen Erfassung des Einheitswerts des Grundstücks in X um 614 M zu hoch festgesetzt worden. Dieser Betrag sei im Verhältnis 2:1 in DM umzurechnen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Bescheid vom 10. Juli 2000 sei rechtmäßig und daher nicht gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 aufzuheben. Erst mit Abschluss des Vertrags vom 13. Juni 1996 sei der von B als Miterbe von AZ herrührende Anteil von 3/16 an dem Grundstück wirksam auf den Kläger übergegangen und somit Schenkungsteuer entstanden. Die von B am 9. Februar 1976 zugunsten von Z abgegebene Verzichtserklärung sei wegen Fehlens der erforderlichen notariellen Beurkundung unwirksam gewesen. Der vom Finanzamt N ausgesprochene Teilerlass trage dem Umstand Rechnung, dass der Kläger im Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Juli 1978 in Höhe von 3/16 des Erwerbs zu Unrecht belastet worden sei, so dass im Ergebnis eine doppelte Besteuerung in der Person des Klägers nicht mehr vorliege.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, der Übergang eines Grundstücksanteils von 3/16 auf ihn sei zu Unrecht doppelt besteuert worden. B habe seinen Erbteil nach AZ mit der Erklärung vom 9. Februar 1976 wirksam auf Z übertragen, so dass sich das Grundstück in vollem Umfang in dessen auf ihn --den Kläger-- und seine Ehefrau übergegangenen Nachlass befunden habe. Das zuständige Liegenschaftsamt der DDR habe demgemäß am 15. August 1978 eine Eigentumsumschreibung auf ihn und seine Ehefrau zum hälftigen Miteigentum bestätigt. B habe die Verzichtserklärung zudem durch die Erteilung der Vollmacht vom 6. Februar 1979 genehmigt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, des Ablehnungsbescheids vom 29. Dezember 2000 und der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2001 den Beklagten und Revisionsbeklagten (das inzwischen zuständig gewordene Finanzamt --FA--) zu verpflichten, den Schenkungsteuerbescheid vom 6. Juni 1998 in Gestalt des Bescheids vom 10. Juli 2000 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung bringt es vor, der Kläger habe erst durch den Vertrag vom 13. Juni 1996 rechtswirksam den Miteigentumsanteil von B an dem Grundstück erworben. Weder die handschriftliche Verzichtserklärung vom 9. Februar 1976 noch die Vollmacht vom 6. Februar 1979 hätten zu einer Übertragung des Anteils des B am Nachlass der AZ auf Z oder den Kläger geführt. Die beantragte Grundbuchumschreibung sei dementsprechend vom Liegenschafts- bzw. Grundbuchamt zutreffend verweigert worden. Der Rat der Stadt X habe bei der Nachlasswertermittlung im Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Juli 1978 zu Unrecht das Grundstück in X mit seinem vollen Einheitswert angesetzt. Im Einheitswertbescheid dieser Behörde vom 27. September 1978 sei eine Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1979 zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau nur hinsichtlich des hälftigen Anteils von Z an dem Grundstück erfolgt, während der andere Miteigentumsanteil nach wie vor AZ zugerechnet worden sei. Eine Doppelbesteuerung liege im Hinblick auf den ausgesprochenen Teilverzicht hinsichtlich der Schenkungsteuer nicht mehr vor.

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht angenommen, dass der Schenkungsteuerbescheid nicht nach § 174 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 aufzuheben ist.

1. Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid nach § 174 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Diese Vorschrift gilt nach Art. 97a § 2 Nr. 4 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) auch im Verhältnis zu von Behörden der ehemaligen DDR erlassenen Steuerbescheiden.

Ein Anspruch auf Aufhebung eines rechtmäßigen Steuerbescheids kann hingegen nicht auf § 174 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 gestützt werden. Das gilt auch dann, wenn ein bestimmter in diesem Steuerbescheid zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigter Sachverhalt bereits in einem früheren, rechtswidrigen Steuerbescheid zu dessen Lasten berücksichtigt worden war und der rechtswidrige Bescheid nicht mehr geändert werden kann. § 174 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann die zutreffende, der materiell-rechtlichen Lage entsprechende Steuerfestsetzung nicht verhindern (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. April 1997 XI R 66/96, BFH/NV 1997, 738).

2. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für eine Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids vom 6. Juni 1998 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 10. Juli 2000 sind nicht gegeben. Der Schenkungsteuerbescheid ist nicht fehlerhaft, sondern rechtmäßig.

a) Rechtsgrundlage für den Bescheid ist § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Danach gilt als der Schenkungsteuer unterliegende Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Vertrag vom 13. Juni 1996, durch den B seinen Erbteil nach AZ unentgeltlich auf den Kläger übertragen hat. Erst aufgrund dieser Übertragung hat der Kläger das Alleineigentum an dem Grundstück in X erhalten. Ein Anteil von 3/16 hatte sich nicht im Nachlass des Z befunden. B hatte seinen Erbteil nicht wirksam auf Z übertragen.

Nach § 401 Abs. 1 Satz 1 des am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juni 1975 (ZGB DDR) war jeder Erbe übereinstimmend mit § 2033 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) berechtigt, über seinen Erbteil durch notariell beurkundeten Vertrag zu verfügen. Angebot und Annahme (§ 63 Abs. 1 ZGB DDR) konnten dabei getrennt beurkundet werden (§ 67 Abs. 1 Satz 1 ZGB DDR). Der Vertrag kam zustande, wenn die beurkundeten Erklärungen beiden Partnern zugegangen waren (§ 67 Abs. 2 ZGB DDR). Ein nicht in der vorgeschriebenen Form abgeschlossener Vertrag war nichtig, soweit durch Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt war (§ 66 Abs. 2 ZGB DDR; vgl. § 125 Satz 1 BGB). § 67 Abs. 1 ZGB DDR unterschied ebenso wie §§ 128 und 129 BGB zwischen der notariellen Beurkundung eines Vertrags und der bloßen Beglaubigung von Unterschriften.

Die von B abgegebene Verzichtserklärung vom 9. Februar 1976 führte somit nicht zum Übergang seines Anteils am Nachlass der AZ auf Z. Es handelte sich dabei lediglich um eine einseitige, nicht notariell beurkundete Erklärung, deren Zugang bei Z zudem nicht festgestellt ist. Auch der Kläger macht zum Zugang keine Angaben.

Die Eintragungsnachricht des Liegenschaftsamtes vom 15. August 1978 betrifft nur die Eintragung des Klägers und seiner Ehefrau als Erben des (ursprünglichen) hälftigen Miteigentumsanteils von Z an dem Grundstück, nicht aber den immer noch AZ zugerechneten Hälfteanteil. Gleiches gilt auch für den Einheitswertbescheid des Rates der Stadt X vom 27. September 1978, mit dem ebenfalls nur hinsichtlich des von Z stammenden Hälfteanteils eine Zurechnungsfortschreibung auf den Kläger und seine Ehefrau als Erben vorgenommen worden war. Folgerungen zugunsten des Klägers können daraus nicht abgeleitet werden.

b) Die Schenkungsteuer ist auch nicht bereits mit Erteilung der Vollmacht vom 6. Februar 1979, sondern erst mit Abschluss des Vertrags vom 13. Juni 1996 entstanden. Der Kläger hat erst in diesem Zeitpunkt den Anteil von B am Nachlass der AZ und somit das erhalten, was ihm nach der Schenkungsabrede verschafft werden sollte. Der für die Entstehung der Steuer maßgebende Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, § 38 AO 1977) entspricht somit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl. BFH-Urteile vom 27. April 2005 II R 52/02, BFHE 210, 507, BStBl II 2005, 892, und vom 26. Oktober 2005 II R 53/02, BFH/NV 2006, 551, je m.w.N.). Die bei der Übertragung von Grundstücken bestehenden Besonderheiten (BFH-Urteile vom 2. Februar 2005 II R 26/02, BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312; in BFHE 210, 507, BStBl II 2005, 892, und in BFH/NV 2006, 551) spielen bei der Übertragung eines Anteils an einem Nachlass keine Rolle und würden im Übrigen nicht zu einem früheren Entstehen der Steuer führen.

3. Ob die im Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Juli 1978 (insoweit rechtswidrig) festgesetzte Steuer noch dem wirklichen Wert des Nachlasses von Z entsprechend herabgesetzt werden kann, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und, wie dargelegt (oben 1.), für die Entscheidung über die Revision ohne Bedeutung.



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