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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.07.1999
Aktenzeichen: II R 83/96
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 40
BewG § 41 Abs. 1
BewG § 41 Abs. 2
BewG § 46
BewG § 48
BUNDESFINANZHOF

Jungschweine, die ein Gewicht von 20 kg überschreiten, können ungeachtet ihrer Bezeichnung nicht mehr dem Tierzweig der "Ferkel" im Sinne der Anlage 1 zum BewG zugeordnet werden.

BewG § 40, § 41 Abs. 1, Abs. 2, § 46, § 48

Urteil vom 28. Juli 1999 - II R 83/96 -

Vorinstanz: Niedersächsisches FG


Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin des im Oktober 1996 verstorbenen Inhabers eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, in dem u.a. eine Schweinezucht betrieben wird. Da der Tierbestand an den im Streitfall maßgebenden Bewertungsstichtagen den gegendüblichen Tierbestand überstieg, machte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) auf den 1. Januar 1987 am (landwirtschaftlichen) Vergleichswert von 79 511 DM gemäß § 41 Abs. 1 und 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.d.F. vom 26. September 1974 (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 869) wegen verstärkter Tierhaltung einen Zuschlag (Viehzuschlag) von 106 548 DM und stellte den Einheitswert für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Wege der Wertfortschreibung auf 219 100 DM fest. Auf den 1. Januar 1989 ermittelte das FA einen Viehzuschlag nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BewG in Höhe von 86 092 DM, den es gemäß § 41 Abs. 2 a BewG i.d.F. des Gesetzes zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft vom 12. Juli 1989 (BGBl I 1989, 1435, BStBl I 1989, 269) mit dem um 50 v.H. verminderten Betrag (= 43 046 DM) dem (landwirtschaftlichen) Vergleichswert von 85 324 DM zurechnete, und stellte den Einheitswert für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Wege der Wertfortschreibung auf 163 200 DM fest.

Bei der Berechnung des Viehzuschlags durch Vergleich der Vieheinheiten (VE) des tatsächlichen Tierbestands mit dem gegendüblichen Bestand setzte das FA nach Maßgabe der bundeseinheitlichen Verwaltungsanweisungen (vgl. z.B. Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 19. Januar 1981 S 3132-1-34 in Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform, § 51 BewG Nr. 19), die im Betrieb vorhandenen "leichten Ferkel" (bis 20 kg) mit 0,02 VE und die "schweren Ferkel" (über 20 bis 30 kg) mit 0,04 VE an.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wandte sich der Rechtsvorgänger der Klägerin gegen den Ansatz von 0,04 VE je Ferkel für die über 20 kg "schweren Ferkel", da nach § 51 Abs. 4 BewG i.V.m. Anlage 1 zum BewG der Umrechnungsschlüssel für diesen Tierzweig gewichtsunabhängig 0,02 VE betrage. Hieran sei die Finanzverwaltung gebunden.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), das entsprechend dem Klageantrag den Einheitswert für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auf den 1. Januar 1987 auf 169 400 DM und auf den 1. Januar 1989 auf 142 900 DM herabsetzte, vertrat die Auffassung, daß Ferkel unabhängig von ihrem Gewicht nach dem vom Gesetzgeber bewußt vereinfachend erstellten Umrechnungsschlüssel gemäß § 51 Abs. 4 Satz 1 BewG i.V.m. Anlage 1 zum BewG mit 0,02 VE anzusetzen seien. Dementsprechend ergäben sich auf den 1. Januar 1987 bei einem Überbestand von 87,56 VE und einem Wertansatz von 650 DM je VE ein Viehzuschlag von (nur) 56 914 DM, so daß sich der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs um 49 634 DM vermindere, und auf den 1. Januar 1989 bei einem Überbestand von 69,99 VE sowie einem Wertansatz von 650 DM je VE nach Berücksichtigung des Abschlags von 50 v.H. gemäß § 41 Abs. 2 a BewG ein Viehzuschlag von (nur) 22 746 DM, so daß sich der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs um 20 300 DM vermindere.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 41 BewG, § 51 Abs. 4 Satz 1 BewG i.V.m. Anlage 1 zum BewG) und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA im wesentlichen darauf, daß Ferkel von Läufern nicht nach dem Lebensalter, sondern nach dem Gewicht abzugrenzen seien, da das BewG bei der Berechnung der Vieheinheiten den in Getreideeinheiten (GE) zu bemessenden Futterbedarf der Tiere zugrunde gelegt habe; Futterverbrauch und Lebendgewicht hingen folglich unmittelbar zusammen. Während ca. 10 Wochen alte Jungtiere (Ferkel) mit einem Absatzgewicht von 20 kg einen Futterbedarf aufwiesen, der 0,02 VE entspreche, hätten Jungschweine mit einem Gewicht bis 30 kg einen Futterbedarf, der 0,04 VE entspreche. Da sich der Futterverbrauch nach den Verhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt auf die Bezugsgröße 20 GE = 1 VE beziehe, liege mit dem Wert von 0,04 VE keine unzulässige Erweiterung des Katalogs der Anlage 1 zum BewG, sondern nur eine zulässige Auslegungshilfe vor.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Bei der Ermittlung des Wirtschaftswerts (§ 46 BewG) als Bestandteil des Einheitswerts eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (§ 48 BewG) ist gemäß § 41 Abs. 1 BewG am Vergleichswert (§ 40 BewG) ein Abschlag oder Zuschlag zu machen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei einer Nutzung oder einem Nutzungsteil von den bei der Bewertung unterstellten regelmäßigen Verhältnissen der Gegend um mehr als 20 v.H. abweichen und die in § 41 Abs. 1 Nr. 2 BewG genannten Mindestgrenzen erreicht sind; der Abschlag oder Zuschlag bemißt sich gemäß § 41 Abs. 2 BewG nach der durch die Abweichung bedingten Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit.

Im Streitfall kommt es deshalb entscheidend darauf an, ob der land- und forstwirtschaftliche Betrieb der Klägerin einen Überbestand an Schweinen aufweist. Dies setzt voraus, daß am jeweiligen Bewertungsstichtag Schweine in einem Umfang gehalten wurden, der das gewöhnliche, d.h. nach den gegendüblichen Verhältnissen des Hauptfeststellungszeitpunkts (1. Januar 1964) unterstellte Maß übersteigt. FG und FA haben den gegendüblichen Viehbestand mit 1,4 VE je ha zugrunde gelegt, so daß sich nach Maßgabe der von der Klägerin bewirtschafteten Fläche ein zwischen den Beteiligten unstreitiger gegendüblicher Viehbestand zum 1. Januar 1987 von 104,98 VE und zum 1. Januar 1989 von 125,98 VE ergibt. Bei der Ermittlung des tatsächlichen Tierbestands hat die Vorinstanz zwar die insoweit von der Klägerin nicht angegriffene Berechnung des FA übernommen, als es die im Betrieb der Klägerin gehaltenen Zuchtsauen mit 0,33 VE je Stück sowie die "leichten Ferkel" (bis 20 kg) mit 0,02 VE je Stück ansetzte. Zu Unrecht hat das FG jedoch die vorhandenen "schweren Ferkel" (über 20 kg bis 30 kg) ebenfalls mit 0,02 VE je Stück in die Berechnung einbezogen; denn Jungschweine dieser Gewichtsklasse sind nicht mehr als Ferkel im Sinne der Anlage 1 zum BewG zu erfassen.

Das BewG enthält keine für den gesamten Hauptfeststellungszeitraum, der am 1. Januar 1964 begonnen hat, maßgebende Definition des Begriffs der Ferkel nach Alter, Größe oder Gewicht. Doch können entgegen der Auffassung der Vorinstanz Jungschweine, die ein Gewicht von 20 kg überschreiten, ungeachtet ihrer Bezeichnung nicht mehr dem Tierzweig der Ferkel in Sinne der Anlage 1 zum BewG zugeordnet werden; denn die Ferkelphase endet bei einem Gewicht bis etwa 20 kg (so bereits Rössler/Troll/Langner, Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, 11. Aufl, § 51 BewG Anm. 2). Ab Erreichen dieses Lebendgewichts werden Jungschweine als Mast- oder Zuchtläufer verwendet, für die die Anlage 1 zum BewG einen Umrechnungsschlüssel von 0,06 VE vorsieht. Dies gilt unabhängig davon, daß die Finanzverwaltung den Umrechnungsschlüssel innerhalb des von der Anlage 1 zum BewG vorgegebenen Rahmens durch Verwaltungsanweisungen aufgesplittet hat, um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß das einzelne Tier infolge fortschreitender Rationalisierung und Spezialisierung der tierischen Veredelung die verschiedenen Produktionsstufen nicht mehr in demselben Betrieb, sondern in verschiedenen Spezielbetrieben durchläuft und deshalb nur mit einem anteiligen Umrechnungsschlüssel erfaßt werden kann, damit eine Erfassung desselben Tieres mit einem über dem gesetzlichen Rahmen der Anlage 1 zum BewG liegenden VE-Schlüssel vermieden wird (vgl. hierzu Engel, Bewertungs-Ratgeber in der Tierhaltung, 1995, S. 114). Dementsprechend wurde auch der Umrechnungsschlüssel für die Tierart Schweine gesplittet. Denn die in der Anlage 1 zum BewG genannten VE-Werte für Ferkel, Läufer und Mastschweine beziehen sich, wie aus der Relation der VE-Schlüsselwerte zum jeweiligen Futterbedarf abzuleiten ist, auf ein von Geburt an in einem Betrieb erzeugtes und aufgezogenes Tier. Da zwischen Futterbedarf und Lebendgewicht bei Mastschweinen eine enge Korrelation besteht und die Gewichtsangabe beim Handel eine entscheidende Rolle spielt, wurden die verschiedenen Altersstadien nach Gewicht abgegrenzt. Damit findet bei der Aufteilung des VE-Schlüssels nur eine Differenzrechnung statt, mit der Folge, daß das fertige Mastschwein bei Zusammenrechnung der Wertansätze mit 0,16 VE entsprechend der Anlage 1 zum BewG bewertet wird (vgl. hierzu Engel, a.a.O., S. 121).

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die von der Finanzverwaltung getroffene Aufsplittung des VE-Schlüssels durch Erlaßregelungen zulässig ist (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Juli 1989 V R 110-112/84, BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036); die Anwendung dieser VE-Schlüsselwerte verletzt jedenfalls dann nicht die Rechte des Steuerpflichtigen, wenn sie sich zu seinen Gunsten auswirkt (s. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1993 II R 35/90, BFHE 173, 86, BStBl II 1994, 152).

Dies trifft im Streitfall zu. Denn die von der Klägerin an den Bewertungsstichtagen 1. Januar 1987 und 1. Januar 1989 gehaltenen "schweren Ferkel" über 20 kg bis 30 kg können --wie oben dargelegt-- nicht dem Tierzweig der Ferkel im Sinne der Anlage 1 zum BewG zugeordnet werden. Vielmehr handelt es sich insoweit ungeachtet der Verwendung der Bezeichnung "schwere Ferkel" in Verwaltungsanweisungen und Erklärungsvordrucken gesetzestechnisch um (leichte) Läufer, worauf in den Verfügungen der Oberfinanzdirektionen (OFD) Düsseldorf, Köln und Münster vom 14. August, 12. September und 5. September 1980 (Bewertungskartei der OFD Düsseldorf-Köln-Münster, § 51 BewG Karte 17) zutreffend hingewiesen wird. Bei einer undifferenzierten Anwendung der Anlage 1 zum BewG wäre dieser Tierzweig mit 0,06 VE je Stück anzusetzen. Die Anwendung des niedrigeren VE-Schlüssels von 0,04 wirkt sich folglich zugunsten der Klägerin aus, die dadurch in ihren Rechten nicht verletzt wird. Eine Verböserung ist ausgeschlossen.

Da die Klägerin keine weiteren Einwendungen gegen die vom FG und FA der Zuschlagsberechnung zugrunde gelegten Tierbestände und die Wertansätze erhoben hat, ist die Klage abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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