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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: II R 9/08
Rechtsgebiete: AO, GrEStG


Vorschriften:

AO § 169 Abs. 2 Nr. 2
AO § 170 Abs. 1
AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1
GrEStG § 18
GrEStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GrEStG § 19 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Schwester (S) waren in unterschiedlicher Höhe an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit Grundbesitz in Hamburg sowie einer weiteren GbR mit Grundbesitz in Schleswig-Holstein beteiligt.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 1994 kündigte S sämtliche Gesellschaftsverträge zum 31. Dezember 1995. Der Kläger wurde aufgrund vertraglicher Fortsetzungsklauseln mit Wirksamwerden der Kündigungen durch Anwachsung entsprechend § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches Inhaber der Gesellschaftsvermögen der beiden GbR.

Mit einem Schreiben vom 29. Oktober 1996, das an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) adressiert war, teilte der Kläger die Kündigungen der S und ferner mit, dass neben der S allein er an den Gesellschaften beteiligt gewesen sei und über die Bewertung der Grundstücke zum 31. Dezember 1995 noch kein Einvernehmen zwischen den Beteiligten bestehe. In dem Schreiben wird auf die Aktenzeichen der Bewertungsstelle, die die Einheitsbewertung der Grundstücke in Hamburg betrafen, hingewiesen. Das FA ist für die Grunderwerbsteuerfestsetzung zuständig; zu ihm gehört ferner die Bewertungsstelle. Innerhalb des FA wurde das Schreiben an die Bewertungsstelle weitergeleitet.

Das FA setzte gegen den Kläger durch Bescheid vom 24. Januar 2002, geändert durch Bescheid vom 27. Februar 2007, Grunderwerbsteuer für die Kraft Anwachsung erworbenen Grundstücke in Hamburg fest. Der hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, es sei mit Ablauf des Jahres 2000 Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Kläger habe den Erwerbsvorgang dem FA mit Schreiben vom 29. Oktober 1996 ordnungsgemäß angezeigt. Es sei unschädlich, dass die Anzeige nicht ausdrücklich an die Grunderwerbsteuerstelle des FA gerichtet gewesen sei. Die Anzeige hätte schon wegen des klar und deutlich bezeichneten Grundstücksübergangs innerhalb des FA an die Grunderwerbsteuerstelle geleitet werden müssen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1978 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) sowie der §§ 18 und 19 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG steht dem angegriffenen Steuerbescheid Festsetzungsverjährung nicht entgegen.

1.

Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon bestimmt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO u.a. für Fälle, in denen eine Anzeige zu erstatten ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres.

a)

Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG haben Steuerschuldner alle Erwerbsvorgänge anzuzeigen, über die ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar eine Anzeige nach § 18 GrEStG nicht zu erstatten hat. Dieser Anzeigepflicht unterliegt auch der Übergang des Gesellschaftsvermögens einer Personengesellschaft in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 19 Rz 7). Die Anzeige ist gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 GrEStG an das für die Besteuerung zuständige Finanzamt zu richten. Nach § 19 Abs. 5 GrEStG ist die Anzeige eine Steuererklärung im Sinne der AO; sie kann jedoch formlos abgegeben werden.

b)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteile vom 21. Juni 1995 II R 11/92, BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802; vom 1. Dezember 2004 II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365; vom 11. Juni 2008 II R 55/06, BFH/NV 2008, 1876) wird die Anzeigepflicht nur durch Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts erfüllt. Diese Rechtsprechung rechtfertigt sich aus dem mit §§ 18, 19 GrEStG verfolgten Zweck, der zuständigen Finanzbehörde die Ermittlung grunderwerbsteuerrechtlich relevanter Erwerbsvorgänge zu ermöglichen. Dies setzt eine positive Kenntnis der zuständigen Finanzbehörde von dem Rechtsvorgang voraus, wobei die Kenntnis bei der für die Verwaltung der Grunderwerbsteuer zuständigen Organisationseinheit der zuständigen Finanzbehörde vorhanden sein muss. Eine Information, die lediglich potentiell die Möglichkeit für ein Grunderwerbsteuer-Festsetzungsverfahren eröffnet, konkret aber nicht dazu führen kann, da sie lediglich einer anderen Stelle der zuständigen Finanzbehörde vorliegt, die deren grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz aber nicht erkennt, ist kein positives Wissen in diesem Sinne (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1876).

Den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anzeige genügt auch eine zwar nicht ausdrücklich an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts adressierte Anzeige, die sich aber nach ihrem Inhalt eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts richtet. Dazu ist erforderlich, dass die Anzeige als eine solche nach dem GrEStG gekennzeichnet ist und ihrem Inhalt nach ohne weitere Sachprüfung --insbesondere ohne dass es insoweit einer näheren Aufklärung über den Anlass der Anzeige und ihre grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz bedürfte-- an die Grunderwerbsteuerstelle weiterzuleiten ist.

c)

Diese Grundsätze hat das FG verkannt. Entgegen seiner Auffassung ist den Anforderungen einer Anzeigeerstattung nicht genügt, wenn die Anzeige weder ausdrücklich an die Grunderwerbsteuerstelle adressiert noch als eine solche nach dem GrEStG gekennzeichnet ist und für das FA lediglich die Möglichkeit bestand, die Anzeige auf ihren grunderwerbsteuerrechtlichen Inhalt hin zu überprüfen und erforderlichenfalls an die Grunderwerbsteuerstelle weiterzuleiten. Aus diesem Grund war die Vorentscheidung aufzuheben.

2.

Die Sache ist spruchreif.

Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a)

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG unterliegt der Übergang des Eigentums an einem inländischen Grundstück, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf, der Grunderwerbsteuer. Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend mit dem durch Anwachsung bewirkten Übergang der zuvor im Gesamthandsvermögen befindlichen Grundstücke in das Alleineigentum des Klägers erfüllt.

b)

Der Kläger ist mit seinem Schreiben vom 29. Oktober 1996 seiner Pflicht, diesen Erwerbsvorgang gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG anzuzeigen, nicht nachgekommen. Das Schreiben war nicht ausdrücklich an die Grunderwerbsteuerstelle des FA, sondern ganz allgemein an das "Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz" gerichtet. Es genügte daher, da sich die Zuständigkeit dieses FA nicht auf die Grunderwerbsteuer beschränkte und die Grunderwerbsteuerstelle keine Kenntnis vom Inhalt dieses Schreibens erlangt hat, nicht den an die Anzeigeerstattung zu stellenden Anforderungen. Ein Ausnahmefall, in dem eine erkennbar und ausdrücklich für die Grunderwerbsteuerstelle bestimmte Information innerhalb des FA versehentlich fehlgeleitet wurde (dazu BFH-Urteil in BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802), ist vorliegend schon mangels erforderlicher Adressierung des Schreibens an die Grunderwerbsteuerstelle nicht gegeben. Auch nach dem Inhalt des Schreibens konnte das FA nicht ohne weitere Sachprüfung erkennen, dass das Schreiben für die Grunderwerbsteuerstelle bestimmt war. Es enthielt keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Grunderwerbsteuer; ein Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer lag aufgrund der angegebenen Aktenzeichen der Bewertungsstelle auch nicht ohne weiteres nahe. Der Umstand, dass --wie das FG meint-- das FA die grunderwerbsteuerrechtliche Bedeutung des Schreibens bei verständiger Würdigung des mitgeteilten Sachverhalts hätte erkennen können, bewirkt für sich allein nicht die Ordnungsmäßigkeit der Anzeige.

Demgemäß ist der angegriffene Grunderwerbsteuerbescheid unter Berücksichtigung der sich aus § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ergebenden Anlaufhemmung noch innerhalb offener Festsetzungsfrist ergangen.

Ende der Entscheidung

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