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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.08.2008
Aktenzeichen: III B 1/07
Rechtsgebiete: FGO, InvZulG 1996


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 5 Satz 1
InvZulG 1996 § 3 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine AG, vermietet und vertreibt Maschinen, Fahrzeuge und mobile Gebäude. Bei verschiedenen Tochtergesellschaften bestellte sie am 29. Juni 1994 zahlreiche Baumaschinen. Dabei behielt sie sich Änderungen der Bestellmenge --auch Minderungen-- vor. Der für die Jahre 1995 und 1996 vorgesehene Abruf der Maschinen durch die Klägerin richtete sich nach ihren Finanzierungsmöglichkeiten und ihrem Bedarf unter Berücksichtigung der Vorlaufzeiten, die ihre Tochtergesellschaften für die Beschaffung der Geräte benötigten.

Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zu der Auffassung, dass für die 1996 angeschafften Wirtschaftsgüter die Investitionszulage zu Unrecht mit 8 v.H. --statt 5 v.H.-- gewährt worden sei. Er setzte die Investitionszulage 1996 entsprechend herab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, die Klägerin habe mit den streitigen Investitionen erst nach dem 30. Juni 1994 begonnen und könne Investitionszulage daher nicht nach § 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 --Zulagensatz 8 v.H.--, sondern lediglich nach § 3 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 1996 --Zulagensatz 5 v.H.-- beanspruchen. Investitionen würden nach § 3 Satz 5 InvZulG 1996 mit der Bestellung oder dem Beginn der Herstellung der Wirtschaftsgüter begonnen. Eine Bestellung im Sinne des Investitionszulagenrechts erfordere eine nach außen erkennbare und unwiderrufliche Bindung des Investors an ein bestimmtes Wirtschaftsgut. Die von der Klägerin am 29. Juni 1994 vergebenen Aufträge, in denen sie sich bezüglich der Bestellmenge Änderungen vorbehalten habe, seien keine verbindlichen Bestellungen.

Mit ihrer Beschwerde trägt die Klägerin vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts. Dem FG seien Rechtsanwendungsfehler von einigem Gewicht unterlaufen und seine Entscheidung beruhe auf Verfahrensmängeln.

Grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob eine Bestellung i.S. von § 3 Satz 5 InvZulG 1996 in der Regel eine nach außen erkennbare und unwiderrufliche Bindung des Investors an ein bestimmtes Wirtschaftsgut erfordere. Das FG berufe sich hierfür zu Unrecht auf die Rechtsprechung zu den Berlinförderungsgesetzen (BerlinFG) und den InvZulG der Jahre 1975 ff. Diese Gesetze hätten eine rasche Ankurbelung der Konjunktur bezweckt (BFH-Urteil vom 5. Februar 1998 III R 123/93, BFH/NV 1998, 1130) und daher zeitlich sehr beschränkte Bestell- und Lieferfristen gesetzt. Das InvZulG 1996 dagegen fördere nicht die Lieferanten-/Herstellerseite, sondern die im Beitrittsgebiet ansässigen Betriebe, d.h. die Abnehmerseite. Diese andersartige Zwecksetzung werfe die Frage auf, ob für eine Bestellung im Sinne des InvZulG 1996 nicht die nachgewiesene Investitionsentscheidung ausreichen müsse. Dem Interesse des Gesetzgebers an einer Beschleunigung der Investitionen (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2002 III R 33/01, BFHE 201, 379, BStBl II 2003, 322) werde hinreichend Rechnung getragen, wenn die Investitionen vor der gesetzlich vorgeschriebenen Frist abgeschlossen würden. Einen rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag verlange der Gesetzgeber nur für die Bestellung von Gebäuden nach den späteren InvZulG 1999, 2005 und 2007. Aus dem unklaren Gesetzeswortlaut des InvZulG 1996 dürfe ihr, der Klägerin, kein Nachteil entstehen.

Grundsätzliche Bedeutung habe auch die Rechtsfrage, ob ein zulagenunschädlicher Vorbehalt nur dann gegeben sei, wenn der Besteller eine ausdrückliche, exakt messbare einschränkende Vereinbarung getroffen habe, oder auch dann, wenn der Vorbehalt auf das Verhalten des Investors bestimmenden ökonomischen Zwängen beruhe. Der BFH habe Umbestellungen aus Gründen, die der Investor nicht zu vertreten gehabt habe (Urteil vom 22. April 1982 III R 113/78, BFHE 136, 166, BStBl II 1982, 571), und den Austausch des Liefergegenstandes aufgrund von Umständen, die außerhalb des Einflussbereichs des Investors gelegen hätten (BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 1130), für unschädlich gehalten. Dies entspreche auch der Verwaltungsansicht.

Die Auslegung des Begriffes der Bestellung in § 3 Satz 5 InvZulG 1996 bedürfe auch der Rechtsfortbildung.

Das FG-Urteil beruhe auf zwei gravierenden Rechtsfehlern. Es verstoße gegen die das InvZulG beherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise. Falls der streitige Bestellmengeänderungsvorbehalt nicht vereinbart worden wäre, hätte sie, die Klägerin, für die 1996 angeschafften Wirtschaftsgüter unzweifelhaft die erhöhte Zulage erhalten. Sie hätte sich damit zwar ihren Tochtergesellschaften schadensersatzpflichtig gemacht, infolge der Konsolidierung der Ergebnisse der Tochtergesellschaften hätte dies jedoch per Saldo nicht zu einer Gewinnminderung geführt. Die Auffassung des FG führe auch dazu, dass Anschaffungs- und Herstellungsvorgänge rechtsgrundlos unterschiedlich behandelt würden.

Dem FG seien schließlich Verfahrensfehler unterlaufen, da es aufgrund eines unvollständig ermittelten Sachverhalts entschieden und ihren Beweisantritt zum seinerzeitigen Verständnis des Bestellmengeänderungsvorbehaltes durch die Vertragsbeteiligten übergangen habe.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage, ob eine Bestellung i.S. des § 3 Satz 5 InvZulG 1996 eine verbindliche Bestellung voraussetzt, hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), denn sie ist durch die Rechtsprechung bereits geklärt. Der Senat hat zuletzt mit Urteilen in BFH/NV 1998, 1130 und vom 20. Oktober 2005 III R 24/04 (BFH/NV 2006, 816) entschieden, dass der Investor ein Wirtschaftsgut im Sinne des Investitionszulagenrechts dann bestellt, wenn er sich nach außen erkennbar und unwiderruflich auf das konkret zu liefernde Wirtschaftsgut festgelegt hat (vgl. auch Blümich/Selder, § 3 InvZulG 1996 Rz 6; Blümich/Stuhrmann, § 2 InvZulG 1999 Rz 80 a; Rosarius in Jasper/Sönksen/Rosarius, Investitionsförderung, § 2 InvZulG 1999 Rz 321). Die Senatsentscheidungen in BFH/NV 1998, 1130 und BFH/NV 2006, 816 sind zwar zum BerlinFG 1987 und zum BerlinFG 1990 ergangen. Sie sind auf das InvZulG 1996 aber ohne weiteres übertragbar: Sowohl das BerlinFG wie das InvZulG 1996 bezwecken grundsätzlich nicht die Ankurbelung der Konjunktur, sondern die Förderung der in einem bestimmten Gebiet ansässigen Betriebe. Soweit der Gesetzgeber allerdings die Förderungstatbestände und die Zulagenhöhe vom Investitionszeitraum abhängig macht, hat dies wirtschaftslenkende und konjunkturelle Auswirkungen. Entscheidet sich der Gesetzgeber dafür, den Investitionszeitraum für angeschaffte Wirtschaftsgüter unter Bezugnahme auf die Bestellung zu regeln (§ 3 Satz 5 InvZulG 1996 bzw. § 31 Abs. 14 Satz 4 BerlinFG 1990), so spricht nichts dafür, den Begriff der Bestellung unterschiedlich auszulegen.

Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass nur für die Bestellung von Gebäuden nach § 2 Abs. 4 InvZulG 1999 und 2005 sowie § 3 Abs. 2 InvZulG 2007 ausdrücklich ein rechtswirksam abgeschlossener obligatorischer Vertrag verlangt wird; dies hat lediglich klarstellenden Charakter und beruht auf Zweifeln, ob Gebäude im rechtstatsächlichen Sinne "bestellt" werden können (Blümich/Stuhrmann, § 2 InvZulG 1999 Rz 80 b).

2. Die Frage, ob ein zulagenunschädlicher Vorbehalt auch dann gegeben sei, wenn er auf ökonomischen Zwängen beruhe, hat ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Durch einen nicht näher spezifizierten oder einen allgemeinen Vorbehalt --etwa nach Maßgabe der Wirtschaftslage oder der Finanzierungsmöglichkeiten-- würde die von der Rechtsprechung verlangte verbindliche Festlegung des Investors entfallen.

3. Da durch die Rechtsprechung geklärt ist, dass eine Bestellung im Investitionszulagenrecht einen bindenden Vertrag bzw. ein bindendes Angebot voraussetzt, bedarf es insoweit keiner weiteren Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO).

4. Dem FG sind keine Rechtsfehler unterlaufen, die das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen könnten und daher nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO eine Zulassung der Revision erfordern (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 68, m.w.N.). Es war nicht objektiv willkürlich, die unter einem Änderungsvorbehalt stehende Bestellung nicht ausreichen zu lassen, selbst wenn der Klägerin durch Schadensersatzverpflichtungen nach einem teilweisen Rücktritt von einer verbindlichen Bestellung wegen der Konsolidierung des Ergebnisses ihrer Tochtergesellschaften kein Schaden entstanden wäre. Die von der Klägerin gerügte unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsvorgängen ist ebenfalls nicht objektiv willkürlich, sondern beruht darauf, dass die Anschaffung nach § 3 Satz 5 InvZulG 1996 mit der Bestellung, die Herstellung dagegen mit dem Herstellungsbeginn begonnen wird.

5. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO); insoweit sieht der Senat von einer Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).



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