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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.02.2005
Aktenzeichen: III B 113/04
Rechtsgebiete: AO 1977, InvZulG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 1
AO 1977 § 164
AO 1977 § 164 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 164 Abs. 2
AO 1977 § 164 Abs. 2 Satz 1
AO 1977 § 164 Abs. 2 Satz 2
AO 1977 § 164 Abs. 2 Satz 3
AO 1977 § 164 Abs. 4
InvZulG § 6
InvZulG § 7
FGO § 76
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Im März 1996 wurde für das "Busunternehmen A-Reisen" ein Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 1995 gestellt. Der Antrag trug die Unterschrift der Ehefrau des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger).

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Investitionszulage vorbehaltlos abweichend vom Antrag fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte Erfolg. Das FA entsprach dem Begehren des Klägers und setzte die Investitionszulage im geänderten Investitionszulagenbescheid 1995 vom 26. August 1996 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) fest.

Am 14. Dezember 2000 erließ das FA erneut einen Änderungsbescheid nach § 164 Abs. 2 AO 1977, mit dem es die Investitionszulage auf 0 DM festsetzte unter Hinweis darauf, dass die Anträge auf Investitionszulage vom Anspruchsberechtigten eigenhändig zu unterschreiben seien. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie Verfahrensfehler.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Gründe für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits geklärt, nicht klärungsbedürftig oder nicht mehr von Interesse für die Allgemeinheit.

a) Nach Auffassung des Klägers ist zu klären, ob Anträge auf Investitionszulage, die nach § 6 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) in der bis zum Investitionszeitraum 1998 geltenden Fassung befristet waren, nach Ablauf der Frist erweitert und formelle Voraussetzungen für die Antragstellung nachgeholt werden können, wenn die Investitionszulage unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden ist. Nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 könne der Steuerpflichtige, solange der Vorbehalt wirksam sei, die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Werde die Investitionszulage unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt, gehe § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 dem § 6 InvZulG vor; die Ausschlussfrist werde durchbrochen.

Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Nach § 7 InvZulG 1993/1996 i.V.m. § 1 AO 1977 ist § 164 AO 1977 auf Investitionszulagenbescheide entsprechend anzuwenden. "Entsprechend" bedeutet, soweit dies mit der Eigenart der Investitionszulagenbescheide vereinbar ist. Da nach § 6 InvZulG 1993/1996 bis zum Investitionszeitraum 1998 der Antrag auf Investitionszulage fristgebunden war, kommt eine entsprechende Anwendung des § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nicht in Betracht. Eine Befugnis zur Nachholung der formellen Voraussetzungen aufgrund von § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 steht dem Anspruchsberechtigten nicht zu. Der Senat hat eine solche Befugnis bisher zwar nicht ausdrücklich abgelehnt. Diese Rechtsauffassung ergibt sich aber daraus, dass der Senat in Fällen, in denen die Investitionszulage zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt und später wegen formeller Mängel des Antrags auf Investitionszulage aufgehoben worden war, die Aufhebung des Bescheides aufgrund von § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 als zulässig angesehen und nur geprüft hat, ob die Aufhebung aus formellen Gründen im Einzelfall den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprochen hat (Senatsurteile vom 21. März 2002 III R 30/99, BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547; vom 5. Juni 2003 III R 26/00, BFH/NV 2003, 1529). Dieser Prüfung hätte es nicht bedurft, wenn der BFH eine Nachholung der formellen Voraussetzungen für zulässig gehalten hätte.

Hinzu kommt, dass die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft. Denn seit 1999 ist der Antrag auf Investitionszulage nicht mehr an eine besondere Frist gebunden, sondern kann bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt werden. Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2000 III B 11/00, BFH/NV 2001, 209, und vom 21. November 2003 III B 67/03, BFH/NV 2004, 336). Besondere Gründe, die ausnahmsweise ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

b) Die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Investitionszulagenbescheid nach § 164 Abs. 2 AO 1977 innerhalb der Festsetzungsfrist in vollem Umfang überprüft und noch geändert werden kann, ist durch den BFH bereits geklärt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Bescheid gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AO 1977 bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ohne sachliche Einschränkung jederzeit in vollem Umfang aus formellen oder materiellen Gründen geändert werden, auch wenn diese Gründe dem FA zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorbehaltsbescheides schon bekannt waren (z.B. BFH-Urteile in BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547, und in BFH/NV 2003, 1529, jeweils m.w.N.). Der Vorbehalt der Nachprüfung wirkt solange fort, bis er ausdrücklich aufgehoben wird (z.B. BFH-Urteil vom 14. September 1993 VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, unter II. 1. b, m.w.N.) oder wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist entfällt (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO 1977).

Ein Bescheid, der einem Einspruch abhilft, ist ebenfalls in vollem Umfang änderbar, wenn ihn das FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen hat. Durch die Festsetzung unter Vorbehalt macht das FA deutlich, dass es die Sache noch nicht abschließend geprüft hat und der Steuerpflichtige mit einer abweichenden Beurteilung rechnen muss, und zwar auch insoweit als das FA abgeholfen hat. Die Grundsätze von Treu und Glauben hindern das FA grundsätzlich nicht, einen auf den Einspruch des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten ergangenen Bescheid zu ändern, wenn der abhelfende Bescheid fehlerhaft ist und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, da ein wirksamer Vorbehalt der Nachprüfung regelmäßig das Entstehen eines für die Bindung an Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestandes verhindert (z.B. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1994 V R 135/93, BFH/NV 1995, 938, und in BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547).

Wenn das FA nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 die Investitionszulage ohne Begründung unter Vorbehalt der Nachprüfung festsetzen und die Festsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 jederzeit aufheben oder ändern kann, bedeutet das für den Anspruchsberechtigten, dass er regelmäßig mit der umfänglichen formellen und materiellen Überprüfung seines Anspruchs bis zum Ergehen des endgültigen Bescheides rechnen muss.

c) Auch die vom Kläger angesprochene Frage, unter welchen Umständen das FA unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und nach Treu und Glauben ausnahmsweise gehindert ist, im Rahmen einer Überprüfung der Investitionszulagevoraussetzungen vom Vorbehalt der Nachprüfung Gebrauch zu machen, ist bereits geklärt. Eine solche Ausnahme gilt nur dann, wenn das FA eine bindende Zusage erteilt oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1529; BFH-Beschlüsse vom 26. November 2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551, und vom 28. August 2002 V B 71/02, BFH/NV 2003, 4).

d) Ferner ist der vom Kläger aufgeworfene Gedanke einer gesetzesimmanenten zeitlichen Begrenzung des Prüfungszeitraums des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 durch die Regelung des § 164 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 bereits durch den Inhalt der gesetzlichen Regelung selbst geklärt: So bezieht sich die in § 164 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 genannte Entscheidung auf den Antrag auf Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 und hat keinen erkennbaren Bezug zu § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977.

e) Schließlich ist die vom Kläger angesprochene Rechtsfrage der seines Erachtens zu klein gefassten Schrift der Aufforderung zur eigenhändigen Unterschrift auf dem Investitionszulageantrag ebenfalls bereits höchstrichterlich geklärt: Der BFH hat sich in seinem Urteil vom 15. Oktober 1998 III R 58/95 (BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237) auch mit dem im amtlichen Vordruck zum Investitionszulageantrag für 1991 enthaltenen Hinweis zum Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Anspruchsberechtigten befasst und insoweit keine Bedenken zur Schriftgröße geäußert, sondern den ausdrücklich erfolgten Hinweis für ausreichend erachtet.

2. Soweit der Kläger eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO begehrt, ist die Beschwerde mangels ausreichender Darlegung des Zulassungsgrundes bereits unzulässig (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist die Revision zuzulassen, wenn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das ist der Fall, wenn das Urteil des Finanzgerichts (FG) von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht oder willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (BFH-Beschluss vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474).

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das FG einen von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BFH abweichenden eigenen Rechtssatz aufgestellt habe oder die Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint.

3. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 FGO kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Der Kläger macht geltend, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es nicht ermittelt habe, dass das FA den Vorbehalt der Nachprüfung erstmals in dem den Einspruch erledigenden Änderungsbescheid vom 26. August 1996 angebracht habe, ohne auf die darin liegende Verböserung hinzuweisen. Diese Tatsache ist jedoch für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich. Das Unterlassen des Verböserungshinweises ist zwar ein Verfahrensfehler des FA (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 367 AO 1977 Rz. 32). Diesen Verfahrensfehler im Einspruchsverfahren hätte der Kläger jedoch mit dem Einspruch und ggf. mit der anschließenden Anfechtungsklage gegen den Änderungsbescheid vom 26. August 1996 geltend machen müssen. Im Verfahren gegen den erneuten Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2000 kann dieser Verfahrensfehler aber nicht mehr zur Zurückverweisung an das FA führen, damit die Möglichkeit zur Rücknahme des Einspruchs wieder eröffnet wird (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 367 AO 1977 Rz. 32).

Ende der Entscheidung

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