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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.04.2003
Aktenzeichen: III B 127/02
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 174 Abs. 4 Satz 1
AO 1977 § 174 Abs. 5 Satz 1
AO 1977 § 174 Abs. 4
AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 2
AO 1977 § 174 Abs. 5 Satz 2
AO 1977 § 174 Abs. 4 Satz 3
AO 1977 § 174 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob der Kläger durch Verkauf von vier Objekten die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllt hat.

Die Kläger wurden im Streitjahr 1994 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Eine beim Kläger für die Jahre 1993 bis 1995 durchgeführte Außenprüfung gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel unterhalten und daraus im Streitjahr 1994 Einkünfte in Höhe von ... DM erzielt habe.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erhöhte mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 1994 die Einkommensteuer auf ... DM.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, mit welcher sie u.a. geltend machten, der Kläger habe nur einen 3/10-Anteil an dem Baugrundstück ...straße in X erworben. Aus verwandtschaftlicher Gefälligkeit habe er vorübergehend für seinen Sohn, Beigeladener und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer), der auf dem Grundstück ein Achtfamilienhaus errichtet habe, die Wohnungen Nr. 5, 6 und 8 im eigenen Namen erworben. Zwischen ihm und dem Sohn sei aber von Anfang an vereinbart gewesen, dass der Sohn wirtschaftlich sämtliche Vor- und Nachteile trage und ihn, den Kläger, im Innenverhältnis freistelle. Auch der Erlös aus dem Verkauf der drei Eigentumswohnungen sei dem Sohn zugeflossen. Er selbst habe nur die Eigentumswohnung Nr. 3 veräußert.

Das Finangericht (FG) hat über die Klage bislang noch nicht entschieden. Auf Antrag des FA lud das FG den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 29. August 2002 gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Klageverfahren bei. Im Streitfall komme eine Korrektur nicht nur des gegenüber den Klägern ergangenen Steuerbescheides, sondern auch eine solche gegenüber Dritten, nämlich gegenüber dem Beigeladenen, nach § 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 in Betracht, weil die ertragsteuerlichen Folgerungen aus dem gewerblichen Grundstückshandel statt bei dem Kläger bei dem Beigeladenen zu ziehen seien.

Mit der Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer sinngemäß, die Beiladung aufzuheben.

Ertragsteuerliche Folgerungen aus dem im Klageverfahren streitigen Sachverhalt könnten ungeachtet des Festsetzungsgrundes wegen Festsetzungsverjährung ihm gegenüber nicht mehr gezogen werden. Gegenüber einem Dritten dürfe § 174 Abs. 4 AO 1977 nur angewendet werden, wenn dieser vor Eintritt der Festsetzungsverjährung an dem Verfahren beteiligt worden sei. Dies sei im Streitfall indes nicht geschehen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Gegenüber dem Beschwerdeführer sei noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Beschwerdeführer habe nämlich den Tatbestand der Steuerhinterziehung bezüglich des Verkaufs der streitgegenständlichen drei Objekte erfüllt, so dass die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 zehn Jahre betrage. Damit sei die Festsetzungsverjährung für das Streitjahr offensichtlich im Zeitpunkt der Beiladung noch nicht abgelaufen gewesen.

Der Beschwerdeführer ist der Sachverhaltsdarstellung und -würdigung des FA mit Schriftsatz vom 4. März 2003 entgegengetreten.

Die Kläger haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO 1977). Dies gilt auch gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Ihre Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977).

Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 setzt danach voraus,

a) dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist,

b) dass hieraus sich möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und

c) dass das FA die Beiladung veranlasst und beantragt hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. März 1998 V B 3/98, BFH/NV 1998, 1056).

Darüber hinaus setzt die Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 dem Dritten gegenüber voraus, dass dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder beigeladen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817; Beschlüsse vom 11. März 2002 IX B 116/01, BFH/NV 2002, 895, und vom 2. April 2002 IX B 66/01, BFH/NV 2002, 898, 899). Indes hat das FG im Beiladungsverfahren noch nicht abschließend zu prüfen, ob die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorliegen; denn die Beiladung darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Sie dient vielmehr lediglich der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1997 III R 300/94, BFH/NV 1997, 659, m.w.N.). Danach reicht es für eine Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 aus, dass sich bei einem Erfolg der Klage eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 ergeben kann. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand hätte (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1056).

Die der Rechtswahrung dienende Drittbeteiligung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn eindeutig feststeht, dass es zu einer Heranziehung des Dritten, z.B. wegen Festsetzungsverjährung, nicht mehr kommen, dieser also eindeutig rechtlich nicht betroffen sein kann (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1999 V R 101/98, BFH/NV 1999, 1443, 1444; in BFH/NV 1997, 659, 660, m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 1056; vom 24. November 1995 X B 221/94, BFH/NV 1996, 382, m.w.N.).

Hiernach hat das FG den Sohn der Kläger auf Antrag des FA zu Recht beigeladen. Wären die Erlöse aus dem Verkauf der drei Objekte nicht dem Kläger, sondern dem Beigeladen ertragsteuerlich zuzurechnen, so könnte dieser die Voraussetzungen für einen gewerblichen Grundstückshandel erfüllt haben. Das FG hat zu einer möglichen Festsetzungsverjährung des Steueranspruchs gegen den Beigeladenen keine Feststellungen getroffen. Danach und auch --unbeschadet ob die Sachverhaltsdarstellung und -würdigung zutreffend ist-- nach der Beschwerdeerwiderung des FA steht jedenfalls keineswegs bereits eindeutig fest, dass eine Steuerfestsetzung gegenüber dem Beigeladenen wegen Festsetzungsverjährung nicht in Betracht kommt. Vielmehr ist über die richtigen steuerlichen Folgen im Sinne der in Frage stehenden Korrekturregelung, einschließlich ihrer Begrenzung durch Verjährung, unter Beteiligung des Beigeladenen verbindlich erst in dem beim FG anhängigen Klageverfahren zu entscheiden (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 382).

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