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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.06.2008
Aktenzeichen: III B 152/07
Rechtsgebiete: InvZulG 1999, BauNVO, VwVfG


Vorschriften:

InvZulG 1999 § 3
InvZulG 1999 § 3a
InvZulG 1999 § 3a Abs. 1 Satz 1
InvZulG 1999 § 3a Abs. 1 Nr. 2
BauNVO § 7
VwVfG § 1
VwVfG § 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarb im Jahre 2002 zwei zu sanierende Eigentumswohnungen in dem Anwesen "U-Straße" in A (Sachsen).

Im August 2003 beantragte er die Gewährung von Investitionszulage nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999. Dem Antrag war ein Schreiben der Gemeinde A (Gemeinde) vom 22. Juli 2003 beigefügt, in dem bescheinigt wird, dass das Anwesen "U-Straße" in einem Gebiet liegt, das aufgrund der Bebauung der näheren Umgebung einem Kerngebiet entspricht.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) war der Ansicht, die Angaben in der Bescheinigung seien nicht ausreichend und lehnte die Gewährung von Investitionszulage ab. Im Einspruchsverfahren legte der Kläger die Ablichtung einer weiteren Bescheinigung der Gemeinde vom 13. November 2003 vor, die inhaltlich weitgehend der vom 22. Juli 2003 entspricht.

Das FA war nunmehr der Auffassung, die Bescheinigungen seien offensichtlich unrichtig. Die Gemeinde weigerte sich allerdings, sie zurückzunehmen. Das FA wandte sich daher an die ihr vorgesetzte Behörde (Oberfinanzdirektion --OFD-- Magdeburg), die ihrerseits die OFD Chemnitz einschaltete. Diese unterrichtete das Regierungspräsidium Chemnitz, das wiederum das Landratsamt B mit dem Vorgang befasste. Unter dem 20. April 2004 stellte die Gemeinde eine Bescheinigung aus, aus der hervorgeht, dass das Anwesen "U-Straße" nicht in einem Gebiet belegen ist, das einem Kerngebiet nach § 7 der Baunutzungsverordnung entspricht.

Das FA setzte zunächst durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 3. November 2005 Investitionszulage von 20 737,86 € fest, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine Ablichtung der Bescheinigung vom 20. April 2004 hatte. Unter dem Datum des 28. Dezember 2005 hob das FA den Zulagenbescheid wieder auf. Dagegen wandte sich der Kläger ohne Erfolg mit Einspruch und Klage.

Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Bescheinigungen vom 22. Juli 2003 und vom 13. November 2003 seien durch die spätere, wirksam bekannt gegebene Bescheinigung vom 20. April 2004 aufgehoben worden. Die materielle Rechtmäßigkeit der zuletzt ergangenen Bescheinigung könne im Verfahren zur Gewährung von Investitionszulage nicht geprüft werden. Das FA habe daher zutreffend den Zulagenbescheid aufgehoben. Der Kläger habe auch nicht die Gewährung einer Zulage nach § 3 InvZulG 1999 anstatt nach § 3a InvZulG 1999 beantragt. Es handele sich um unterschiedliche und selbständige Anspruchsnormen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie einen Verfahrensfehler geltend.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Den Ausführungen des Klägers zu § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und zur Verwaltungsaktqualität von Bescheinigungen nach § 3a Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 lässt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entnehmen.

a) In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass von Behörden erteilte Bescheinigungen, die Voraussetzung für die Gewährung von Investitionszulage sind, als Verwaltungsakte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörden binden. Der BFH hat zur Rechtsnatur und Bindungswirkung derartiger Bescheinigungen in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sie materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung von Investitionszulage sind und weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörde unterliegen, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handelt (BFH-Urteile vom 29. August 1986 III R 71/82, BFHE 147, 572, BStBl II 1986, 920, zu § 1 Abs. 4 InvZulG 1969; vom 25. August 1989 III R 17/84, BFHE 158, 283, BStBl II 1990, 79, zu § 4a InvZulG 1979; ferner BFH-Beschlüsse vom 28. Oktober 1999 III R 50/96, BFH/NV 2000, 484; vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218, und vom 28. August 2006 III S 21/06, BFH/NV 2006, 2309).

b) Aus dem Vorbringen des Klägers geht nicht hervor, weshalb trotz dieser gefestigten Rechtsprechung die Revision zuzulassen sein sollte. Sein Hinweis auf § 44 VwVfG, der die Nichtigkeit von Verwaltungsakten im Anwendungsbereich des § 1 VwVfG regelt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Sollte eine von einer Behörde zu erteilende Bescheinigung, die Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung von Investitionszulage ist, nach § 44 VwVfG nichtig sein, so kann sie naturgemäß keine Bindungswirkung für die Finanzbehörden entfalten. Im Streitfall sind allerdings keine Anhaltspunkte erkennbar, aus denen sich die Nichtigkeit der Bescheinigung der Gemeinde vom 20. April 2004 ergeben könnte.

c) Auch aus dem Vortrag des Klägers zu verwaltungsinternen Richtlinien, die für die Erteilung außersteuerlicher Bescheinigungen maßgeblich sind, ergibt sich kein Zulassungsgrund. Es ist offensichtlich und daher nicht klärungsbedürftig, dass die Bindungswirkung einer außersteuerlichen Bescheinigung für das Investitionszulagenrecht nicht davon abhängt, ob Richtlinien zur Erteilung derartiger Bescheinigungen existieren oder nicht.

d) Weiterhin ist nicht klärungsbedürftig, dass die Frage, ob eine außersteuerliche Bescheinigung alle für die Gewährung von Investitionszulage erforderlichen Angaben enthält, von den Finanzbehörden und den FG zu prüfen ist. Es ist offenkundig, dass die FG berechtigt und verpflichtet sind, das Verwaltungshandeln eines FA zu beanstanden, das eine Bescheinigung einer Gemeinde wegen angeblicher Unbestimmtheit zu Unrecht nicht anerkannt hat. Allerdings ist ein derartiger Sachverhalt im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, da zumindest die zuletzt ergangene Bescheinigung vom 20. April 2004 inhaltlich ausreichend bestimmt ist.

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO).

a) Das FG ist in der angefochtenen Entscheidung nicht von den Entscheidungen des Senats in BFHE 147, 572, BStBl II 1986, 920 und in BFH/NV 2006, 2309 abgewichen. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich entnehmen, dass er eine Abweichung darin sieht, dass das FA im Streitfall die Korrektur der Bescheinigungen nach § 3a Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 vom 22. Juli 2003 und vom 13. November 2003 nicht unmittelbar bei der Gemeinde erwirkte, sondern erst durch Einschaltung der vorgesetzten OFD, einer weiteren OFD sowie von Behörden der inneren Verwaltung. Das FG hat diese Vorgehensweise nicht beanstandet. Auch aus der Rechtsprechung des BFH ergibt sich nicht, dass es den Finanzbehörden verwehrt ist, die Aufsichtsbehörde einer Gemeinde einzuschalten, falls es der Ansicht ist, dass sich eine Gemeinde zu Unrecht weigert, eine inhaltlich unzutreffende Bescheinigung zu korrigieren. Vielmehr geht aus der zitierten Senatsrechtsprechung zur zulagenrechtlichen Bindung von Bescheinigungen und aus der vom Senat betonten Unterscheidung zwischen dem Bescheinigungsverfahren einerseits und dem Verfahren zur Gewährung von Investitionszulage andererseits hervor, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Gemeinde eine unrichtige Bescheinigung auf Anregung des FA oder erst aufgrund einer Intervention der Aufsichtsbehörde ändert.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Abweichung des FG von der BFH-Rechtsprechung auch nicht darin zu sehen, dass es den Streitfall nicht mit einem Fall gleichgesetzt hat, in dem eine Bescheinigung nachträglich von einem Dritten verändert worden ist und in dem deshalb eine Bindungswirkung zu verneinen ist (s. Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 2309). Auch wenn die Gemeinde die korrigierte Bescheinigung vom 20. April 2004 erst aufgrund eines Einschreitens der Aufsichtsbehörde erlassen hat, ändert dies nichts daran, dass es sich um eine Verwaltungsentscheidung handelt, die der Gemeinde zuzurechnen ist.

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Ein Verstoß gegen das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) ist zu verneinen. Der Kläger beanstandet, dass das FG die Frage, ob Investitionszulage nicht nach § 3a InvZulG, sondern hilfsweise nach § 3 InvZulG 1999 hätte gewährt werden können, in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert, sondern nur in den Urteilsgründen angesprochen habe. Er rügt damit eine Überraschungsentscheidung des FG. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt eine Überraschungsentscheidung und damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383, m.w.N.). Das FG hat jedoch nicht etwa die Gewährung von Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 durch Urteil abgelehnt, vielmehr hat es beiläufig erwähnt, dass der Kläger nicht gehindert gewesen wäre, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Die vom Kläger beanstandeten Ausführungen des FG waren somit nicht entscheidungserheblich.

Ende der Entscheidung

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